Max-Planck-Schule Kiel
Interneteinsatz im Unterricht (2000)

Neumeimersdorf: Bauen nach Wildwest-Manier?

Nachträgliche Genehmigungen sorgen für Ärger

Marianne Kovacs und Ralf Schramm sind wütend: Während sie sich beim Bau ihres Einfamilienhauses im "Lüttenhoff" in Neumeimersdorf strikt an alle Vorschriften hielten, nimmt das Dach des Doppelhauses nebenan den stolzen Hausbesitzern die Abendsonne. "Die haben einfach 1,70 Meter über der erlaubten Firsthöhe von 7,75 Metern gebaut", sagt Marianne Kovacs. Auch die zulässige Dachneigung von 10 bis 15 Grad sei mit 22 Grad deutlich überschritten worden. Das Nachbargebäude ist das erste fertiggestellte Doppelhaus, das von der Stolper "Förde Wohnungsbau Gesellschaft mbH" gebaut wurde. 11 weitere sollen im Bereich des "Lüttenhoff" folgen. "Wir wurden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt", ereifert sich Ralf Schramm. Seiner Meinung nach wird jetzt versucht, im Nachhinein das Ganze für rechtens zu erklären. Andreas Neugebauer und Manfred Urbat, ebenfalls betroffene Einfamilienhausbesitzer, haben im März die "Interessengemeinschaft Neumeimersdorf" gegründet, um solchen "Wildwest-Bau" in ihrer Nachbarschaft zu verhindern. Ein weiterer Betroffener hat bereits einen Anwalt eingeschaltet, der aber zunächst eine für morgen geplante Gesprächsrunde aller Beteiligten abwarten will.

Fest steht, dass die Bauträger für die Doppelhaushälften in diesem Gebiet Freistellungsanträge gestellt und genehmigt bekommen haben, wie der Leiter des Stadtplanungsamtes, Hans-Jürgen Sponholz, den KN bestätigte. Dies sei nach § 31 Baugesetzbuch möglich, wenn "die Grundzüge der Planung nicht berührt werden...und die Durchführung des B-Plans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist". Dies sei bei der hiesigen Pultdach-Konstruktion möglich: "Trotz der höheren Firsthöhe gibt es keine bemerkenswerte Vergrößerung der Giebelfläche, weil im Gegenzug die Traufhöhen tiefer ausfallen."

Das sehen die Anwohner anders, zumal "beim ersten gebauten Haus die nachträglich genehmigte Firsthöhe von 8,50 Meter noch einmal um fast einen Meter überschritten wird", so Schramm. Ein Vorwurf, der den Geschäftsführer der Förde Wohnungsbau Gesellschaft, Michael Stegmann, nicht anficht: "Wir haben das genehmigt bekommen - fertig."

Das Neubaugebiet wird von der Landesentwicklungsgesellschaft Schleswig-Holstein (LEG) als Projektpartner der Stadt Kiel gemäß Bebauungsplan 853 c vermarktet. Dieser sieht in dem neuen Stadtteil eine dichte Bebauung vor. So stehen im nördlichen Bereich neun Einfamilienhäuser eng beieinander - Grundstücksgrößen von 352 bis 432 Quadratmeter sind die Regel - in unmittelbarer Nachbarschaft entsteht ein Quartier aus Doppel- und Reihenhäusern. "Wir haben das bewusst in Kauf genommen, weil wir davon ausgingen, dass sich alle an die Gesetze halten müssen", meint Marianne Kovacs. Die LEG bedauert die Umstände: "Wir können uns bei den Anwohnern nur entschuldigen, dass sie über die Änderungen nicht informiert wurden", erklärte Pressesprecher Jörn Stübinger, der auch auf eine einvernehmliche Lösung hofft.

Die Freistellung wurde mit einer zu geringen Ausbaureserve begründet. Ein Argument, das für die Interessengemeinschaft nicht zieht: Die haben mit Keller gebaut, außerdem ist jetzt entgegen der zwei erlaubten ein drittes Vollgeschoss entstanden", meint Andreas Neugebauer. Wolf-Dieter Hochfeldt vom zuständigen Kronshagener Architekturbüro Hochfeldt und Partner "kann den Ärger verstehen", sieht aber bei "diesem Missgeschick viele Beteiligte".

Sollte ein Verstoß vorliegen, müsste das Haus zurückgebaut werden oder der Bauträger ein Bußgeld zahlen.

Marianne Kovacs und Ralf Schramm können über das "gestalterische Leitbild", das beim Grundstückskauf Vertragsbestandteil wurde, schon jetzt nur noch lachen. Darin steht: "Die Bebauung der Koppeln soll sich mit ruhigen Baukörpern und flach geneigten Dächern in die Einfachheit dieser Grundstruktur einfügen." (pg)

Kieler Nachrichten vom 26.06.2000