Max-Planck-Schule Kiel
Interneteinsatz im Unterricht (2000)

Wohin rollt künftig der Rubel?

Einzelhandelskonzept ist fertig - Citti-Erweiterung, Ostufer und Altstadt stehen im Mittelpunkt

Ring frei für die nächste - möglicherweise letzte - Runde im Streit um Kiels Einzelhandelskonzept: Wirtschaftsdezernent Heinz Rethage hat eine Art "Bibel" erarbeitet, die festlegen soll, wo und in welchem Umfang sich künftig großflächiger Einzelhandel entwickeln darf. Kernpunkte des Konzeptes sind, in Hassee (bei Citti, plaza und Ikea) sowie auf dem Ostufer neue Einkaufsmöglichkeiten im großen Stil zu schaffen. Ziel ist es, den Kaufkraftabfluss nach Raisdorf zu stoppen und neue Käuferschichten aus dem Umland an Kiel zu binden. Bereits in der nächsten Woche soll das bisher noch vertrauliche Konzept, das den KN vorliegt, im Bau- und Wirtschaftsausschuss diskutiert und schon am 13. Juli in der Ratsversammlung beschlossen werden.

Als Rethage Anfang des Jahres in einer Art Arbeitspapier die Grundlagen seines Konzeptes vorstellte, hagelte es Proteste vor allem von Kaufleuten aus der City. Sie befürchteten, dass großflächige Einkaufszentren in Hassee und auf dem Ostufer mit innenstadtrelevanten Sortimenten ihnen die Kunden unmittelbar vor der Haustür wegschnappen - zumal diese Zentren verkehrsgünstig liegen und direkt vor den Läden Parkplätze anbieten können. Eine Arbeitsgruppe aus Wirtschafts- und Baudezernat, IHK sowie Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat nun fast ein halbes Jahr lang über Rethages Vorschläge diskutiert und gestritten und schließlich das vorliegende Konzept erarbeitet. Danach wird die ursprünglich vorgesehene Citti-Markt-Erweiterung eingeschränkt: Statt um 18000 Quadratmeter darf Citti jetzt nur noch um 15000 wachsen, nur auf 11000 Quadratmetern Verkaufsfläche dürfen innenstadtrelevante Sortimente geführt werden. Die größte Einschränkung jedoch ist: 7000 Quadratmeter sind ausschließlich für weiße und braune Ware (Elektro- und Elektronikwaren) vorgesehen. Betont wird, dass Citti noch keine Zusagen für Erweiterungspläne erhalten habe: "Die vorgesehenen Erweiterungen sind planungsrechtlich noch nicht durch Beschlüsse der Selbstverwaltung festgelegt."

Auch der ursprüngliche Vorschlag, das ehemalige Johnson&Johnson-Gelände (25000 Quadratmeter) für großflächigen Einzelhandel zu reservieren, wurde variiert. Jetzt heißt es: Wenn sich für das Gelände kein Gewerbeunternehmen findet, soll die Option für ein Mischgebiet für Handel und Dienstleister offen gehalten werden. Vorzugsweise seien hier Unternehmen anzusiedeln, die neue Formen des Verkaufs praktizieren mit attraktiven Präsentations- und Testflächen, Workshops und Events. Negative Auswirkungen auf den Einzelhandel in Gaarden würden damit "auf ein erträgliches Maß reduziert", heißt es in der Beschlussvorlage. Sollte das Johnson&Johnson-Gelände anderweitig veräußert und genutzt werden, sollte anderswo auf der Achse Elmschenhagen/Raisdorf ein großflächiger Einzelhandel mit integrierten Dienstleistungen realisiert werden.

Zur Stärkung der Altstadt sieht das Konzept die Bebauung des Parkplatzes Alte Feuerwache (4000 Quadratmeter) vor mit einem "Mix von geeignetem Einzelhandel, verbunden mit gehobenen Freizeit- und Kulturangeboten sowie Gastronomie, eventuell ergänzt durch ein beschränktes Wohnangebot".

In dem 12-seitigen Konzept wird ausdrücklich betont, dass das Einzelhandelskonzept bindende Funktion haben solle: "Das Stadtplanungsamt wird alle B-Pläne für Gewerbegebiete sichten und durch entsprechende Änderungsverfahren unterbinden, dass großflächiger Einzelhandel, der über diese Vorlage hinausgeht, in diesen Gebieten möglich wird." Ideen, wonach Holstein- oder Hagenuk-Gelände für Einzelhandel genutzt werden könnten, ließen sich demnach nicht realisieren.

Wirtschaftsdezernent Heinz Rethage wollte gestern einer öffentlichen Diskussion nicht vorgreifen und reagierte zurückhaltend. "Das vorliegende Konzept ist ein Kompromiss, der für alle Gruppen einen maximalen Nutzen ermöglicht. Er ist nach zähem Ringen und subjektiver Abwägung von Nutzen und Schaden entstanden", sagte er auf Anfrage. Rethage betonte: "Bei der Abwägung ging es nicht nur darum, die Interessen der jeweiligen Kaufmannsgruppen zu berücksichtigen, sondern auch die Interessen der Bürger. Es kann für keinen Wirtschaftszweig Bestandsschutz geben." (La)

Kieler Nachrichten vom 01.07.2000

Kommentar zum Einzelhandelskonzept:

Politik ist jetzt gefragt

Nächste Woche beginnt hoffentlich die letzte Runde im Streit um Kiels Einzelhandelskonzept. Zu lösen ist dabei die ideologische Frage, ob die City weiterhin allein die erste Adresse für Einkaufskunden bleiben soll - oder ob um sie herum weitere Zentren entstehen mit dem Ziel, den Kaufkraftabfluss nach Raisdorf zu stoppen. Pikant ist die Frage, weil die neuen Einkaufszentren vielen Kaufleuten in der City das Wasser abgraben würden.

Seit gut zehn Jahren drücken sich alle Rathauspolitiker um die Lösung dieser Frage. Respekt gebührt Wirtschaftsdezernent Heinz Rethage, weil er endlich das pikante Thema anpackt und sogar noch vor der Sommerpause eine politische Lösung anstrebt.

Nachdem er vor Monaten seinen Entwurf vorgelegt und radikal den Bau großer Einkaufszentren gefordert hatte (was ihm zu Recht Ärger aus der Politik, von der IHK und den City-Kaufleuten bescherte), präsentiert er jetzt einen akzeptablen Kompromiss: Er schränkt die Möglichkeiten für Citti und Co. ein und räumt den Innenstadt-Kaufleuten einen gewissen Bestandsschutz ein.

Zu begrüßen ist die Vorlage aber vor allen Dingen, weil sie endlich und langfristig klare Verhältnisse schafft. Jetzt sind die Politiker gefragt, die hoffentlich Kreuz genug haben und das Konzept zügig zu beschließen. THOMAS LANGE

Kieler Nachrichten vom 01.07.2000