Geschichte der Europäische Union

Kooperation statt Krieg

Schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas neu gestaltet. Einer der elementarsten Gründe war der Wunsch nach Sicherheit und Frieden. Die zuvor verfeindeten Nachbarstaaten wollten zusammenarbeiten und so eine Basis für ein friedliches Zusammenleben in Europa bilden.  Ein neuer Krieg sollte unmöglich werden. Auch der Gedanke des gemeinsamen Marktes tauchte auf. Zudem konnten die Staaten des westlichen Europas auf diese Weise ein wirtschaftliches und politisches Gegengewicht zu den Verbündeten der Sowjetunion im östlichen Europa bilden. An der Schnittstelle zwischen den Machtbereichen von USA und Sowjetunion konnten die Westeuropäer ihren Einfluss geltend machten, indem sie ihre Stimmen bündelten.

Gründung des Europarates (1949)

Im Jahr 1948 trafen sich führende Europapolitiker, darunter der französische Außenminister Robert Schuman, der italienische Premier Alcide de Gasperi, der belgische Außenminister Paul Henri Spaak und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer, auf dem Europa-Kongress in Den Haag und begründeten die Zusammenarbeit der Staaten Europas. Sie forderten einheitliche Menschenrechte in Europa und die Einrichtung einer Europäischen Versammlung. Auf ihre Initiative hin wurde im Mai 1949 der Europarat gegründet. Ihm gehörten die Außenminister der Mitgliedsstaaten sowie Gruppen von Parlamentsabgeordneten aus jedem Land an.

Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte

Schon früh setzte der Europarat die bis heute gültige Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch. Später wurde die Sozialcharta verfasst, die Mindestnormen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich vorsieht. Da der Europarat aber keine bindenden Beschlüsse treffen kann, bleibt sein Einfluss bis heute sehr begrenzt. Dennoch war er die erste europäische Organisation nach dem Krieg. Die Versammlung der Parlamentarier gilt als Keimzelle des Europäischen Parlaments.

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) (1952)

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion genannt) war zwei Jahre nach Gründung des Europarates der erste wirtschaftliche Zusammenschluss in Europa. Auf Initiative der französischen Politiker Jean Monnet und Robert Schuman sollten die wichtigen Rohstoffe Kohle und Stahl künftig auf einem gemeinsamen Markt gehandelt werden. Eine Kontrollbehörde und ein Gerichtshof überwachten den Handel, ein Ministerrat aus den Teilnehmerstaaten legte den Rahmen fest. Frankreich und Deutschland sahen in der Montanunion einen Weg, ihre alte Feindschaft beizulegen. Zudem sollte durch die Kontrolle der kriegswichtigen Güter der Frieden in Europa weiter gefestigt werden. 1952 trat die Montanunion in Kraft. Ihr gehörten neben Deutschland und Frankreich auch Belgien, die Niederlande und Luxemburg sowie Italien an. 1973 traten Großbritannien, Irland und Dänemark bei, 1981 Griechenland und 1986 Spanien sowie Portugal. Die Montanunion war jedoch inzwischen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erweitert worden (1957).

Die Montanunion funktionierte im Prinzip wie die heutige EU: Die Minister der Mitgliedsstaaten legten in gemeinsamen Treffen die politischen Grundzüge fest. Für ihre Koordination und Überwachung wurden eigene Institutionen geschaffen.
Hintergründe des EGKS-Vertrags,     Deutsches Historisches Museum LeMO

Deutschland und Frankreich als europäischer Motor

Die Montanunion ist ein Beispiel dafür, wie Frankreich und Deutschland als treibende Kräfte im europäischen Einigungsprozess wirkten. Mit dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag (Elysée - Vertrag) 1963 versuchten die Länder, die europäische Integration weiter zu fördern.
Deutschland und Frankreich in Europa,     Deutsch-französischer Freundschaftsvertrag
Europa im Rückblick - Die Anfangsjahre

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
(Die Römischen Verträge 1957)

Im Jahr 1955 weiteten die Mitglieder der Montanunion ihre Aufgabenbereiche aus. Sie beschlossen, mit einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) den Handel zwischen ihren Staaten zu fördern, indem sie zunächst die Zollgebühren an den Grenzen senkten. Später entstand dann ein gemeinsamer Markt, wie wir ihn heute kennen: mit freiem Verkehr von Waren, Personen, Kapital und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedsstaaten. Auch die EWG wurde nach dem Muster konstruiert, das wir in der heutigen Gestalt der Europäischen Union wiederfinden: Ein Ministerrat legte die Leitlinien der Politik fest, und eine Kommission setzte die Politik um.
Der wirtschaftliche Schulterschluss

Die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) (1957)

Nach ähnlichem Muster sollte die Vereinigung Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) funktionieren. Sie koordinierte die Nuklearindustrie der Mitgliedsstaaten, die sich damals im Aufbau befand. In Zeiten wachsender Bedrohung durch neu entwickelte Atomwaffen sollte so auch die Rüstung in Europa kontrolliert werden. EURATOM und die EWG wurden schließlich 1957 mit den Römischen Verträgen zum Leben erweckt und in den folgenden Jahren eingerichtet.

Verwirklichung der Zollunion am 1.Juli 1968

Mehr Mitglieder - weniger Einigkeit

In den folgenden Jahren zeigten sich aber auch erste Probleme: Das Prinzip, nach dem Entscheidungen im Ministerrat einstimmig gefällt werden müssen, sorgte für Schwierigkeiten. Die Erweiterung der Gemeinschaft um Großbritannien, Irland und Dänemark 1973 machte die Situation nicht einfacher.

Kompromiss-Suche im Europäischen Rat

Ab 1974 gewannen daher die Sitzungen des neu eingerichteten Europäischen Rates an Bedeutung (nicht zu verwechseln mit dem Europarat). Mindestens zweimal im Jahr treffen sich seitdem die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten, um die Richtlinien der europäischen Politik festzulegen und Kompromisse auf höchster politischer Ebene auszuhandeln.

Stärkung des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament bekam ebenfalls eine wichtigere Rolle: Seit 1975 verabschiedet es den Haushalt der Union. 1979 waren die Bürgerinnen und Bürger der neun Mitgliedsstaaten erstmals zur Wahl zum Europäischen Parlament aufgerufen. Seither gingen zahlreiche Initiativen zu Reformen und Verbesserungen der Europäischen Integration vom Parlament aus.
Das europäische Parlament

Pläne für Wirtschafts- und Währungsunion

In den siebziger Jahren mehrten sich auch die Initiativen für eine Überarbeitung der bisherigen europäischen Integration. Nachdem Montanunion, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und EURATOM umgesetzt waren, sollte nun der gemeinsame Markt ausgebaut werden. In einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sollten weitere Bereiche der Wirtschafts- und Finanzpolitik gemeinsam geplant und gesteuert werden. Das Europäische Währungssystem (EWS) legte feste Wechselkurse für die europäischen Währungen fest.
Europa und seine Verträge

Von der Gemeinschaft zur Union

Der freie europäische Binnenverkehr und die Einführung einer gemeinsamen Währung waren in den 90er Jahren die wichtigsten Schritte auf dem Weg von der Wirtschaftsgemeinschaft zur Europäischen Union.

Die Einheitliche Europäische Akte (EEA)

Die Gemeinschaft wuchs in den 80er Jahren immer weiter: 1981 trat Griechenland bei, 1986 kamen Portugal und Spanien dazu. Kurz darauf wurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) ein wichtiger Vertrag auf dem Weg zur heutigen Europäischen Union unterzeichnet, deren Kernpunkt der Binnenmarkt war. Bis 1992 sollten Waren, Kapital, Dienstleistungen und Menschen völlig frei zwischen den europäischen Staaten verkehren können.

Mehr Zuständigkeiten - mehr Abstimmungsprobleme

Brüssel erhielt außerdem die Verantwortung für weitere Politikbereiche. Doch je mehr Zuständigkeiten die europäischen Behörden bekamen, desto schwieriger wurde die Abstimmung mit den nationalen Regierungen. Besonders bei den Treffen der Ministerräte zogen sich die Verhandlungen oft  lange hin, da nur ein Staat mit seinem Veto alles blockieren konnte. Auch das Parlament sollte mehr Rechte erhalten, um die Entscheidungen von Kommission und Europäischem Rat besser zu kontrollieren und so die demokratische Legitimation der Europäischen Union zu stärken.
Zu Beginn der neunziger Jahre zeichnete sich der Beitritt weiterer Staaten ab: Finnland, Österreich und Schweden wurden 1995 EU-Mitglieder. Da nahm die nächste Herausforderung für die Europäische Union bereits Formen an. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung 1990 konnte Westeuropa nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die osteuropäischen Staaten ihren Weg nach Europa gehen wollten.

Maastricht (1991), Amsterdam und Nizza

Die Mitgliedsstaaten versuchten daher in mehreren Anläufen, die Struktur der Europäischen Gemeinschaft zu verbessern. Auf dem Gipfeltreffen von Maastricht Ende 1991 beschlossen die Regierungschefs, neben der Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion, eine Stärkung des Parlaments. Gleichzeitig weiteten sie aber auch die Kompetenzen der Union in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Innen- und Justizpolitik aus. Zudem wurde die Unionsbürgerschaft eingeführt. 1992 verschwanden dank des "Schengener Abkommens" an vielen Grenzen innerhalb Europas die Zollkontrollen. Ähnliche Reformpakete wie in Maastricht wurden bei Treffen in Amsterdam (1997) und Nizza (2000) beschlossen. Neben dem Umbau der Institutionen und der Osterweiterung bildete vor allem die Einführung der gemeinschaftlichen Währung einen Schwerpunkt dieser Reformen.
Europäische Kommission,     Politikbereiche der Europäischen Union

Die EU-Kommission erläutert Zuständigkeitsbereiche der EU und aktuellen Entwicklungen in speziellen Sachgebieten. Anfang 2002 war es dann soweit: Fast fünfzig Jahre nach der Gründung der Montanunion hielten die Europäer die ersten gemeinsamen Münzen und Scheine in der Hand. Die wirtschaftliche Einigung Europas war nach einem halben Jahrhundert mit dem Euro für alle Bürger sichtbar vollendet. Doch gleichzeitig war die Europäisch Union zu einem undurchschaubaren bürokratischen Dschungel geworden. Ihre  Funktionsweise in all ihren Feinheiten durchschauen nur Experten.
Der Euro

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