Max-Planck-Schule Kiel
Interneteinsatz im Unterricht (2001)

Allgemein / Sicherheit / Tierfutter / Wirtschaft / Sonstiges
BSE
(Bovine Spongiforme Enzephalopathie, zu deutsch: schwammartige Hirnkrankheit des Rindes)





Allgemein



Sicherheit von Lebensmitteln/Medikamenten/Kosmetika
Tierfutter
Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Sonstiges









Was ist BSE?

BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie, zu deutsch: schwammartige Hirnkrankheit des Rindes) ist eine Erkrankung bei Rindern mit Veränderungen des Gehirns. Die Krankheit wurde erstmals 1986 im Vereinigten Königreich beschrieben.


Wie wird BSE übertragen?

Hauptursache für die Übertragung der Krankheit ist nach derzeitigen Erkenntnisstand die Verfütterung von kontaminiertem Tiermehl. Die Wiederverwertung von infiziertem Ausgangsmaterial von Schafen (Scrapie) und später von Rindern, das an Rinder verfüttert wurde, hat im Vereinigten Königreich Anfang der achtziger Jahre in Verbindung mit einer Änderung des Herstellungsverfahrens bei Tiermehl die BSE-Erkrankungen ausgelöst. Diese Änderung bestand unter anderem in einer Senkung der Verarbeitungstemperatur, so dass der Scrapie-Erreger beim Produktionsprozess nicht inaktiviert wurde. Solche nach EU-Recht zulässigen alternativen Erhitzungsverfahren machten eine ausreichende Inaktivierung des BSE-Agens nicht möglich.
Bei den in Deutschland aufgetretenen BSE-Fällen könnte die Infektion auf Milchaustauschfutter zurückzuführen sein. Dies bedeutet nicht, dass die Milchkomponente des Futtermittels hierfür verantwortlich ist. Vielmehr wäre zu vermuten, dass dem Milchaustauschfutter zugemischte sonstige tierische Eiweiße oder Fett aus Tierkörperbeseitigungsanstalten ursächlich sein könnten.
Mittlerweile liegen auch Hinweise dafür vor, dass bei BSE eine vertikale Übertragung, das heißt vom Muttertier auf ihr Kalb, stattfinden kann. BSE wird nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht durch Kontakte zwischen kranken und gesunden Tieren übertragen.
Für eine Übertragung über Rindersperma gibt es keine Hinweise.


Gibt es einen sicheren Schutz vor BSE?

Einen 100%igen Schutz gibt es nicht, aber das Risiko kann minimiert werden. Es wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern empfohlen, im Moment ganz bewusst einzukaufen, d. h. Zutatenverzeichnisse zu lesen und im Zweifel beim Metzger oder Lebensmittelhändler nach der Herkunft des Fleisches und der Fleischerzeugnisse zu fragen.


Welche Teile von Wiederkäuern werden als Risikomaterial eingestuft?

Aufgrund der Ergebnisse von Infektionsversuchen können bestimmte Teile von Wiederkäuern als Risikomaterialien eingestuft werden. Hierzu zählen insbesondere das Gehirn und das Rückmark, aber auch die Mandeln und der Schädel mit Augen von über 12 Monate alten Rindern, Schafen und Ziegen, die Milz von Schafen und Ziegen aller Altersklassen sowie (seit 1. Januar 2001) der gesamte Darm von Rindern aller Altersklassen. Seit 01. Oktober 2000 müssen diese Risikomaterialien bei der Schlachtung entfernt werden. Mit Muskelfleisch und Milch von an BSE-erkrankten Rindern konnten in Tierversuchen mit Mäusen und Kälbern eine Infektion nicht ausgelöst werden.


Wie sicher sind die BSE-Schnelltests?

Derzeit stehen drei von der EU geprüfte BSE-Schnelltests zur Verfügung. Mit Hilfe der BSE-Schnelltests können die krankhaft veränderten Prionen in Gehirnproben von geschlachteten Rindern nachgewiesen werden. Für Blut, Fleisch oder Milch sind diese Tests ungeeignet. Einer dieser Tests ist in Deutschland bereits zugelassen, für einen weiteren ist die Zulassung beantragt worden. Die derzeit eingesetzten Testverfahren sind nur bei Tieren sicher, bei denen das Infektionsgeschehen so weit fortgeschritten ist, dass genügend Erreger für die Nachweisbarkeit mit diesen Tests vorliegen. Dies ist in der Regel erst bei älteren Tieren der Fall. Daraus resultiert auch eine nach derzeitigen Erkenntnissen durchschnittliche Inkubationszeit von fünf Jahren.
Bei positivem oder zweifelhaftem Ergebnis eines Schnelltests werden erheblich aufwendigere Bestätigungsuntersuchungen im jeweiligen nationalen Referenzlaboratorium durchgeführt. In Deutschland erfolgen diese Untersuchungen in der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen.


Wann werden BSE-Schnelltests eingesetzt?

Aufgrund der ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE werden seit dem 31. Januar 2001 alle über 24 Monate alten Rinder, die zur Schlachtung gelangen, getestet. Zielgruppe sind somit die Tiere, bei denen im Falle einer Infektion mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Nachweis gelingt.
Auf EU-Ebene hat die Europäische Kommission im November 2000 eine Entscheidung erlassen, mit der die durchzuführenden BSE-Schnelltests in allen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. Demnach müssen als weitergehende Maßnahme zur Erhebung epidemiologischer Daten
ab dem 1. Januar 2001
  • bei allen not- oder krankgeschlachteten Rindern, die älter als 30 Monate sind,
  • bei verendeten oder getöteten Rindern, die älter als 30 Monate sind nach einem Stichprobenplan und

spätestens ab dem 1. Juli 2001

  • bei allen über 30 Monate alten Rindern, die zur Schlachtung gelangen

BSE-Schnelltests durchgeführt werden.

Im Dezember 2000 hat die Europäische Kommission mit einer Verordnung BSE-Schnelltests EU-weit bereits ab 1. Januar 2001 für alle über 30 Monate alten Rinder vorgeschrieben, die für die menschliche Ernährung in der Gemeinschaft bzw. zum Export in Drittländer bestimmt sind.


Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und BSE?

Die britischen Behörden erklärten am 20. März 1996, dass ein Zusammenhang zwischen BSE und der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit nicht ausgeschlossen werden könne. In Großbritannien gibt es derzeit die meisten Fälle von BSE bei Rindern und auch die häufigsten Fälle der neuen Variante von Creutzfeldt-Jakob.Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt beim Menschen nur sehr selten auf. Allerdings handelt es sich um eine unheilbare und tödlich verlaufende neurologische Erkrankung. Die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt vornehmlich bei jüngeren Personen auf. Die Krankheit verläuft oft langsamer und weist ein anderes klinisches Bild auf, als die klassische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.

Sicherheit von Lebensmitteln

Geht von Rindfleisch eine Gefahr aus?

Mit Muskelfleisch von an BSE-erkrankten Rindern konnte, im Unterschied zu Gehirn und Rückenmark, in Infektionsversuchen mit Mäusen die Erkrankung nicht ausgelöst werden. Ob die BSE-Erreger in Muskelfleisch überhaupt vorkommen, lässt sich erst beantworten, wenn empfindlichere Testverfahren als der Tierversuch vorliegen. Solche Testverfahren sind derzeit in Entwicklung. Um mögliche Kontaminationen von Fleisch durch den Schlachtprozess zu verhindern, wird derzeit an einer Verbesserung der Schlacht- und Zerlegetechniken gearbeitet. Um eine noch sicherere Risikobewertung der vom Tier stammenden Lebensmittel zu gewährleisten, wird zu diesem Fragenkomplex die vom Bund initiierte Forschung verstärkt werden.


Ist Fleisch von Ökobetrieben sicherer als herkömmliches Rindfleisch?

Rindfleisch von kontrollierten Ökobetrieben gilt als gute Alternative, wenn der Bauer die Rinder über mehrere Generationen hinweg gezüchtet hat und das Futter vom eigenen Hof kommt. Eine BSE-Freiheit garantiert dies jedoch nicht.


Wie steht es mit anderen Fleischarten?

Der Verzehr von Fleisch von Schweinen, Geflügel und Fisch gilt als unbedenklich. Inwieweit von Schafen und Ziegen ein Risiko ausgeht, kann derzeit wissenschaftlich nicht sicher eingeschätzt werden.


Besteht eine Gefahr, dass Wild mit BSE infiziert ist?

Hinweise zum Auftreten von BSE bei Wildtieren in Europa liegen bislang nicht vor.


Besteht bei Milch und Milchprodukten eine Infektionsgefahr?

Nach Auffassung von internationalen Experten kann Milch mit großer Wahrscheinlichkeit als Risikofaktor ausgeschlossen werden. Diese Auffassung gründet sich auf eine Reihe von Fakten, die bis zum Jahre 1995 erarbeitet und durch die wissenschaftlichen Gremien der EU bewertet und akzeptiert wurden. Unabhängig davon hält es die Bundesanstalt für Milchforschung für richtig, die fünf Jahre alten Ergebnisse auf der Basis der heute zu BSE vorliegenden Erkenntnisse zu überprüfen so wie es auch im Vereinigten Königreich von den Veterinary Laboratories Agencies vorgesehen ist. Die Ergebnisse werden in drei bis fünf Jahren erwartet. Solange keine neueren experimentellen Erkenntnisse vorliegen, ist davon auszugehen, dass Milch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit unbedenklich ist.
Käse und teilweise Frischkäse werden unter Verwendung von Wiederkäuermagenlab hergestellt. Dieser technologische Hilfsstoff wird aus den Mägen von Kälbern oder Rindern gewonnen. Mägen gehören nicht zum Risikomaterial und werden damit als sicher eingestuft. Anstelle von Wiederkäuermagenlab werden häufig mikrobiell gewonnene Labaustauschstoffe verwendet.


Stellen Fertiggerichte ein Risiko dar?

So lange in Fertiggerichten keine Risikomaterialien verarbeitet werden, kann ein Risiko weitestgehend ausgeschlossen werden. Über die Zusammensetzung von Fertiggerichten informiert das Zutatenverzeichnis, bzw. sollten Sie sich beim Einkauf im Zweifelsfall detailliert Auskunft geben lassen.


Sind Produkte, die Gelatine enthalten, gefährlich?

Bei der Herstellung einiger Lebensmittel wird Gelatine verwendet. Gelatine wird in Deutschland zu 90 Prozent aus Schweineschwarte genusstauglicher Tiere hergestellt. Diese Gelatine stellt damit kein Risiko dar. Allerdings gibt es auch Gelatine, die von Rindern gewonnen wird.


Werden die BSE-Erreger beim Kochen oder Braten abgetötet?

Haushaltsübliche Garverfahren oder Einfrieren töten die BSE-Erreger nicht ab. Dies gilt auch für das Garen mit Schnellkochtopf und Mikrowelle.


Tierfutter

Weshalb wird die Verfütterung von Tiermehl an alle lebensmittelliefernde Tiere in Deutschland verboten?

Die Verfütterung von Tiermehl an Rinder ist ein Übertragungsweg des BSE-Erregers. Da eine Verunreinigung von Futtermitteln mit Tiermehl, z.B. bei Transport, Lagerung oder Verarbeitung nicht auszuschließen ist, wird die Verfütterung von Tiermehl und anderen Proteinen von warmblütigen Landtieren und von Fischen aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes an alle landwirtschaftlichen Nutztiere verboten. Das Verbot umfasst auch Tierfette, da Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit in Bezug auf BSE-Erreger nicht ausgeräumt sind. Eine entsprechende Regelung ist am 2. Dezember 2000 in Kraft getreten. Seit dem 1. Januar 2001 gilt, zunächst auf sechs Monate befristet, auch EU-weit ein Verfütterungsverbot für Tiermehl an alle lebensmittelliefernden Tiere. Fischmehl ist in der EU weiterhin zugelassen.


Welche Regelungen gab es für die Tiermehl-Verfütterung bisher?

EU-weit ist die Verfütterung von aus Säugetiergewebe gewonnenen Futtermitteln an Wiederkäuer seit Juni 1994 verboten. Deutschland hat ein entsprechendes Verbot bereits im März 1994 erlassen.
Im Vereinigten Königreich wurde im Juli 1988 ein Verbot der Verfütterung von Tiermehlen an Wiederkäuer erlassen. Seit 1990 durfte kein Risikomaterial zur Herstellung von Futtermitteln verwendet werden. Allerdings wurden diese Verbote über Jahre hinweg nur unzureichend überwacht, so dass weiterhin Tiermehle auch an Wiederkäuer verfüttert wurden. Im August 1996 folgte dann ein generelles Verbot der Tiermehlverfütterung an Nutztiere. Ein spezielles Überwachungsprogramm dient dazu, die Einhaltung dieses Verbots sicherzustellen.
Ebenfalls 1990 wurde der Export von Tiermehlen aus Großbritannien verboten. Deutschland hatte bereits seit Mai 1989 die Einfuhr von Tiermehl aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr genehmigt.


Welche Tiermehle dürfen in Heimtierfuttermitteln eingesetzt werden?

Nach geltendem Futtermittelrecht ist die Verwendung von Tiermehl und sonstigen tierischen Erzeugnissen zulässig. Aufgrund einer seit längerer Zeit bestehenden freiwilligen Vereinbarung der Heimtierfuttermittelindustrie werden grundsätzlich keinerlei Produkte von Tierkörperbeseitigungsanstalten in Heimtierfuttermitteln verwendet.


Kann Hunde- und Katzenfutter BSE-Erreger enthalten?

Grundsätzlich ja, vor allem wenn Risikomaterialien wie Gehirn und Rückenmark von Rindern bei der Produktion verwendet werden sollten. Tiermehl wird nach Herstellerangaben nicht verwendet. Genaue Auskunft über die Zusammensetzung ist bei den Produzenten zu erhalten.


Ist die Übertragung von BSE auf Hunde und Katzen möglich?

Bei Hunden wurden bisher keine Erkrankungen beobachtet, wohl aber bei Katzen in Großbritannien.

Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Mit dem 26. November 2000 hat in Deutschland eine neue Zeitrechnung begonnen: An diesem Tag wurde der erste Fall von BSE1 bei einem in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Rind diagnostiziert. Bis dahin galt Deutschland im Sinne der Bestimmungen des Internationalen Tierseuchenamtes als BSE-frei, da es sich bei den Mitte der 90er Jahre in Deutschland registrierten BSE-Fällen bei fünf Rindern aus dem Vereinigten Königreich und einem aus der Schweiz eingeführten Rind (vier Fälle in 1994, zwei Fälle in 1997) um keine originären deutschen Fälle handelte.

Der wissenschaftliche Lenkungsausschuss, das höchste Beratungsgremium der Europäischen Union, ging allerdings schon seit geraumer Zeit davon aus, dass BSE auch in deutschen Rinderbeständen verbreitet ist, aber durch das vorhandene Überwachungssystem bis dahin nicht entdeckt wurde. Dementsprechend wurde Deutschland mit Datum vom 01.08.2000 von der EU-Kommission als BSE-Risikogebiet ausgewiesen.

Im Folgenden sollen Positionen und Reaktionen, die aufgrund der bisherigen Entwicklung in Politik, Wirtschaft, Handel und Gesellschaft sichtbar werden, nachgezeichnet werden. Die naturwissenschaftlich-medizinische sowie die ethisch begründete Diskussion um die Keulung von Rindern werden an dieser Stelle nicht vertieft.

Kurze BSE-Chronik

Nach der Diagnose des weltweit ersten BSE-Falles 1986 im Vereinigten Königreich erreichte dort die quantitative Entwicklung von BSE-Fällen 1992 mit über 36.000 erkrankten Rindern ihren Höhepunkt. Seitdem sinken die diagnostizierten Erkrankungsfälle bei Rindern beständig. Im Vereinigten Königreich sind bislang insgesamt über 177.000 BSE-Fälle in mehr als 35.000 landwirtschaftlichen Betrieben aufgetreten2. Ein verstärktes Auftreten von BSE wurde ferner auch in Portugal, in der Schweiz und in Frankreich festgestellt. Weitere Länder mit BSE-Fällen sind die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Irland, Italien, Spanien und Dänemark. BSE ist somit ein Problem in vielen Staaten Europas3.

In Deutschland wird die Zahl der festgestellten BSE-Fälle in den kommenden vier bis fünf Jahren absehbar noch stärker zunehmen4. "Allerdings besteht die Hoffnung, dass die Verbreitung früher als im Vereinigten Königreich zurückgehen wird, da Schnelltests zur Verfügung stehen, um Bestände mit kranken Tieren bereits vor dem Auftreten klinischer Symptome zu erkennen", so Dr. Wolfgang Mields, Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Berlin, auf einem Journalistenseminar der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) vom 17.-18.01.2001 in Fulda. Der Experte weiter: "Die einzig effektive Möglichkeit, die BSE-Seuche einzudämmen, besteht darin, den Erreger völlig aus der Nahrungskette zu entfernen".

Momentan steht noch nicht abschließend fest, wodurch BSE beim Rind ausgelöst wird, und wie sich Rinder infizieren können. Die Prionen-Theorie von Stanley B. Prusiner ist die derzeit plausibelste. Es sind aber durchaus auch andere Theorien in der Diskussion wie etwa die Läsionen-Theorie zur Übertragung des Erregers5 und die Theorie, dass BSE durch ein Insektizid6 ausgelöst wurde.

Rahmenbedingungen und Reaktionen der Legislative

Neben den für Deutschland gültigen EU-Richtlinien9 wurden unmittelbar nach dem ersten originären BSE-Fall in Deutschland insbesondere in den Bereichen Fütterung, Schlachtung und Zerlegen sowie bezüglich der fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern Gesetze und Verordnungen erlassen bzw. sind aktuell in Vorbereitung, um die Verbraucher vor einem Kontakt mit BSE-Risikomaterial zu schützen10.

Von besonderer Wichtigkeit sind in diesem Zusammenhang die folgenden fünf Dimensionen:

* Verbot der Verfütterung von Tiermehlen an pflanzenfressende Nutztiere und offene Deklaration der Inhaltsstoffe von Futtermitteln sowie eine Positivliste für Futtermittel

* BSE-Schnelltests, möglichst am lebenden Rind

* die Sicherheit von Lebensmitteln und Inhaltsstoffen

* Etikettierung von Lebensmitteln mit offener Deklaration sämtlicher Inhaltsstoffe

* Förderung der Forschung - das Wissen über BSE und (nv)CJK ist bislang unzureichend.

Die zukünftige Bundespolitik findet ihren Ausdruck in der Regierungserklärung der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft11. Als Reaktion auf die BSE-Krise heißt es dort: "Wir werden die Verbraucher schützen und nicht den Verbrauch!" Weitere Kernaussagen sind, dass das Prinzip des "vorsorgenden Verbraucherschutzes" etabliert werden soll, dass nicht mehr "Masse", sondern "Klasse" gefördert werden soll, dass die Produktion insgesamt "ökologischer und regionaler" werden soll und die Wertschöpfung ferner durch eine direkte und regional orientierte Vermarktung in der Region bleiben soll. Den Verbrauchern sollen, so die Verbraucherschutzministerin, zwei neue Qualitätslabel eine Orientierung für ihr zukünftiges Konsumverhalten geben: Das erste Qualitätszeichen soll Produkte aus ökologischem Landbau kennzeichnen; das zweite Qualitätszeichen setzt Mindeststandards u.a. für Tierproduktion und Vertrieb von Produkten aus tierischer Erzeugung.




Auf mindestens 2,1 Milliarden Mark schätzt das neue Ministerium für Verbraucherschutz den Schaden, den die BSE-Krise allein bislang verursacht hat. Landauf, landab wird nach mehr Kontrolle, mehr Ökölandbau gerufen. Experten sehen darin eine Chance. BSE, das Schreckgespenst, von dem bisher keiner definitiv weiß, wo es herkommt. Das Verbrauchervertrauen, Stütze jeder Volkswirtschaft, wenn es um den Aufschwung geht, es ist weg. Verängstigte Menschen allerorten, fast schon Hysterie, Umsatzeinbrüche in der Landwirtschaft, der Fleisch-, Futtermittel- und Lebensmittelindustrie. Nicht zu vergessen das Handwerk, die Metzgereien. Was passiert nun? Gehen wir der Katastrophe entgegen? Oder aber: birgt die Krise eine Chance für eine bessere Landwirtschafts- und Verbraucherpolitik? Siehe auch: Die Entwicklung der BSE-Krise

Existenzangst
Der materielle Schaden ist die eine, natürlich sehr ernst zu nehmende Seite der BSE-Medaille. Die Auswirkungen auf die betroffenen Branchen sind jedoch weitaus größer, als es auf den ersten Blick scheint.
Existenzangst geht bei den Landwirten um, sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner erst kürzlich auf der "Grünen Woche" in Berlin. Von den bundesweit rund 470.000 landwirtschaftlichen Betrieben halten knapp 400.000 Tiere, wiederum 227.000 davon haben Rinder. Weil die Verbraucher verunsichert sind und kaum noch jemand Rindfleisch isst, ging der Konsum dieses Produkts seit Beginn der Krise um 60 Prozent zurück. Auch der Rindfleischexport ist weg gebrochen. Die Folge: die Erzeugerpreise fielen seit November 2000 um bis zu 30 Prozent. Der "Rückstau" an Rindern auf den Höfen nimmt nach Angaben des Bauernpräsidenten täglich zu. Wer überhaupt Schlachttiere verkaufen könne, erleide mindestens 500 Mark Verlust pro Rind.
Ein Betrieb also, der monatlich 60 Schlachtrindern verkauft, erlöst daraus zurzeit 2.500 Mark weniger als vor der BSE-Krise. Aufs Jahr gerechnet kommen 30.000 Mark zusammen. Nicht mit dabei sind die höheren Futterkosten, weil die Tiere länger gehalten werden müssen. Das bringe zahlreiche Höfe an den Rand ihrer Existenz, sagte Sonnleitner. Da ein Ende der BSE-Krise nicht absehbar ist, stehen nach Schätzungen des Bauernverbandes 350.000 Jobs auf dem Spiel.

Folgen = Katastrophe?

Bestätigt sich bei einem Tier der Verdacht auf die Rinderseuche, so ist das für den oder die Bauern "eine totale Katastrophe" (Sonnleitner). Die gesamte Herde muss getötet oder "gekeult" werden, wie es im Fachjargon heißt. Den Bestand wieder aufzubauen, dauert zwei bis vier Jahre und kostet, je nach Größe, mehrere 100.000 Mark.
Von der BSE-Krise finanziell gebeutelte Landwirte können ab sofort Sonderkredite bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank beantragen. Die Darlehen werden nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums bei einem zusätzlichen Liquiditätabedarf von mindestens rund 20.000 Mark gewährt. Danach erhält der Bauer für jedes Rind über sechs Monate maximal 1000 Mark. Für Jungtiere beträgt die Höchstsumme 500 Mark.
Sachsen-Anhalt dachte nach dem ersten BSE-Fall im Land kurzzeitig über das "Schweizerische Modell" nach. Dabei werden nur das betroffene Tier und seine "Kohorte" (Eltern, Kinder, Geschwister) getötet. Der Rest der Herde kann weiterleben. Bayern hat diesen Weg bereits eingeschlagen. Das widerspricht aber dem geltenden deutschen Recht. Deshalb entschied Sachsen-Anhalt schließlich dagegen. Bauernpräsident Sonnleitner und auch viele Experten glauben, dass sich am Bundesrecht nichts ändern wird. Oberste Priorität habe der Verbraucherschutz. siehe auch: Bauernverband will "Gläserne Produktion" Auswirkungen auf "Nachfolge"-Branchen
Nach dem Absatzeinbruch durch die BSE-Krise rechnet die deutsche Fleischwirtschaft mit dem Verlust von 10.000 der 75.000 Arbeitsplätzen. Im Vergleich zu Anfang vergangenen Jahres, wurde nach Verbandsangaben 80 Prozent weniger Rindfleisch verkauft. Die Vertrauenskrise habe auch argentinisches Rindfleisch und Schweinefleich erfasst. Eine ganze Reihe von kleinen und mittleren Fleischverarbeitern und Schlachtbetrieben sind in ihrer Existenz bedroht.
Die Gewerkschaft Nahrung und Genuss (NGG) befürchtet, dass in ihrem Verantwortungsbereich bis zu 40.000 Jobs auf der Kippe stehen. Wie NGG-Vorsitzender Franz-Josef Möllenberg auf der "Grünen Woche" sagte, gehe "ohne nachhaltige Problemlösung bei Schlachthöfen, Fleischverarbeitung und Veterinären jeder fünfte Arbeitsplatz verloren". (siehe auch: Hintergrund Fleischexporte weggebrochen)

Debatten und Lösungsansätze

Während nahezu jede Woche neue BSE-Verdachtsfälle Deutschland erschüttern und sich zumeist auch bestätigen, wird allerorten diskutiert. Wie soll es weitergehen, was sollte man tun oder besser lassen? Muss die ganze Herde geschlachtet werden, wenn ein BSE-Fall auftritt? Es steht ja bis jetzt nicht fest, wie der Erreger der Rinderseuche übertragen wird. Hier ist vor allem die Forschung gefragt. Ein weiteres Thema: Bringen die von der EU angedachten Massenschlachtungen "überfälliger" Rinder wirklich eine Stütze für den Fleischmarkt? Und: müssen diese Fleischmengen verbrannt werden? In Deutschland würde das immerhin 400.000 Tiere betreffen, EU-weit zwei Millionen Rinder.
Außerdem beschäftigen sich Bund, Länder, Wissenschaft und Wirtschaft mit der dingend notwendigen der besseren Kontrolle der Nahrungsmittelkette und dem erhöhten Verbraucherschutz. Weil man in Bonn bis jetzt noch nicht zu Stuhle gekommen ist, schlagen einige Länder eigene Wege ein. Sachsen-Anhalt z.B. baut seit dem 25. Januar 2001 eine Gendatenbank auf. Sachsen will folgen. Außerdem steckt das Land in den kommenden fünf Jahren fünf Millionen Mark in die BSE-Ursachenforschung. Forschungszentrum wird die veterinärmedizinische Fakultät der Uni Leipzig. Sachsen-Anhalt und Thüringen können sich an dem Projekt beteiligen. Thüringen stockte die Mittel für die Verbraucherzentrale und ihre 19 Ableger für die 2001/2002 um je eine Million Mark. Außerdem will der Freistaat ein Landesamt für Verbraucherschutz einrichten und das Tierseuchengesetz ändern. siehe auch: Experten warnen vor BSE-Hysterie



Sonstiges

Können BSE-Erreger im Boden überleben und so Rinder und Pflanzen infizieren?

Für eine Infizierbarkeit von Pflanzen durch Erreger transmissibler spongiformer Enzephalopathien gibt es keine Hinweise. Nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Kenntnisstand scheiden BSE-infizierte Rinder anders als Scrapie-infizierte Schafe keine mittels herkömmlichen Nachweisverfahren feststellbaren Erreger aus. Zur weiteren wissenschaftlichen Abklärung offener Fragen soll ein Forschungsvorhaben durchgeführt werden.


Ist die Verwendung von Bioabfällen oder Klärschlämmen unbedenklich?

Klärschlämme und Bioabfälle (mit Komposte) können, je nach Herkunft dieser Materialien, auch tierische Reststoffe enthalten. Mit geeigneten Aufbereitungsmethoden (Prozesse in den Kläranlagen und Kompostwerken) soll sichergestellt werden, dass eine Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt ausgeschlossen wird.
Ein Restrisiko kann im Zusammenhang mit der aktuellen BSE-Diskussion dennoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Deswegen wird, gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium, geprüft, wie künftig mit Düngemitteln verfahren werden soll, die Klärschlamm oder Bioabfälle in Verbindung mit tierischen Reststoffen enthalten.
Die Verwertung der meisten Bioabfälle, in denen tierische Reste enthalten sein könnten, sowie die Verwertung von Klärschlämmen auf Dauergrünlandflächen sind ohnehin schon verboten.

© 2001 Arne Rohkohl