Max-Planck-Schule Kiel
Interneteinsatz im Unterricht (1999)


A20   A20   A20   A20  A20   A20   A20   A20   A20      
die
Ostseeautobahn

Inhaltsübersicht:

1. "Ostseeautobahn" und ihre Anfänge
2. Planung und Bau der A20
3. Zur Bauwürdigkeit einer A20
4. Die verkehrs-und wirtschaftspolitische Bedeutung der A20
5. Hansestadt Lübeck und die A20
6. Auswirkung auf Umwelt und Natur
7. Quellen und Links

1. "Ostseeautobahn" und ihre Anfänge
-   1.1. Was genau ist die "Ostseeautobahn" ?
-   1.2. Was waren die ersten Planungen ?
-   1.3. Welche Umweltsverträglichkeitsprüfungen gab es ?
 
 

1.1. Was genau meint man mit BAB A 20 - "Ostseeautobahn" ?

Die Planung zur BAB A 20, landläufig bekannt als "Ostseeautobahn", ist das größte Infrastrukturprojekt im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit. Einmal fertiggestellt wird sie die BAB A 1 bei Lübeck in Schleswig-Holstein mit der BAB A 11 südlich Prenzlau in Brandenburg verbinden. Hierbei wird das gesamte Land Mecklenburg-Vorpommern küstennah auf einer Länge von über 300 km durchquert. In der Zukunft ist geplant, diese Autobahn sowohl nach Osten in Richtung der baltischen Staaten als auch nach Westen als westliche Hamburger Umgehung mit der sogenannten dritten Elbquerung und Anbindung an die BAB A 1 zwischen Bremen und Hamburg weiter zu bauen.

1.2. Was waren die ersten Planungen ?

Die ersten konkreten Planungen wurden 1990 begonnen. Zu dieser Zeit waren die neuen Länder in der besonders schwierigen Anfangsphase des wirtschaftlichen und sozialen Umbruches. Vielfach herrschte Rechtsunsicherheit, wie derartige Planungen anzugehen seien. Auch für die zuständigen Behörden (Straßenbauverwaltungen, Umweltbehörden, Ministerien) aus den alten Ländern, deren Aufgabe es war, als Partner und Berater in den neuen Ländern zu wirken, war es aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt einmaligen Größe des Projektes eine besondere Herausforderung fachlicher und logistischer Art mit entsprechenden Anlaufschwierigkeiten. Neben den damals relativ neuen Vorgaben durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) handelte es sich bei der Ostseeautobahn um eines der ersten Projekte die nach dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz geplant wurden. Das bedeutet unter anderem, daß die einzige rechtliche Instanz bei Klagen gegen eine Planfeststellung das Bundesverwaltungsgericht ist. Hiermit wird gegenüber dem sonst üblichen dreiinstanzlichen Verfahren eine erhebliche Beschleunigung erreicht. Es ist aber gleichzeitig auch mit besonderer Sorgfalt an die Erstellung der Planfeststellungsunterlagen heranzugehen.

Man einigte sich Mitte 1991 auf ein Verfahren, das innerhalb der kommenden Jahre auch weitgehend unverändert eingehalten werden konnte. Das Verfahren sah vor, den anfangs mehrere Tausend qkm großen Planungsraum zwischen Lübeck und Prenzlau durch geeignete Verfahren auf Korridore einzuengen, in denen Trassen plausibel erschienen.

In diesen Korridoren wurden dann die entsprechenden Linien bestimmt, die im Variantenvergleich im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) untersucht werden sollten. Im Juni 1991 erfolgte die erste Beauftragung zu diesem Projekt. Bis heute sind mehr als 20 Einzelprojekte durchgeführt worden, die sich mit fast allen Aspekten der Biologie innerhalb derartiger Planungsverfahren beschäftigen.

1.3. Welche Umweltsverträglichkeitsprüfungen gab es ?

1991: Bewertung der Empfindlichkeit zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur geplanten Bundesautobahn A 20 ("Ostseeautobahn") zwischen Lübeck bis Rehna

1992: Kartierung der Libellen in ausgewählten Biotopen zwischen Rehna und Rostock zur UVS zur geplanten Bundesautobahn 20

1992: Libellenkartierung in ausgewählten Flußtalmoorabschnitten zwischen Rostock, Stralsund und Neubrandenburg

1991-93: Botanische, mykologische und zoologische Kartierungen zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur geplanten Bundesautobahn 20 ("Ostseeautobahn") von Lübeck bis Rehna zwischen August 1991 und September 1992, 4 Bände

1993: Libellen-, Amphibien,- und Reptilienkartierung im Rahmen der UVS BAB A 20, Rostock bis Bundesgrenze

1993: Libellenkartierung im Rahmen der UVS BAB A 20, Rostock bis Bundesgrenze

1993: Bewertung der Trassenvarianten der BAB A 20 im Hinblick auf die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ("FFH-Richtlinie")

1992-94: Botanische, mykologische und zoologische Kartierungen zur Umweltverträglichkeitsstudie zur Verlegung der Bundesstraße 206 zwischen Geschendorf, Strukdorf, Hamfelde und Moisling (Abschnitt 3 der BAB A 20) zwischen August 1992 und September 1993, 5 Bände

1994: Vertiefende Untersuchung zu den botanischen, mykologischen und zoologischen Kartierungen zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur geplanten Bundesautobahn 20 ("Ostseeautobahn") von Lübeck bis Rehna zwischen August 1991 und September 1992 im Wakenitztal im Bereich der Trassen 4h, 5d und 5

1995: Nachkartierungen von § 15a-Flächen LNatSchG Schleswig-Holstein im Zuge des LBP zur BAB A 20 ("Ostseeautobahn") zwischen Hamberge und Kronsforder Allee

1995: Konzept für die Auswahl und weitere Entwicklung von Ausgleichsflächen innerhalb des LBP zur BAB A 20 ("Ostseeautobahn") zwischen Hamberge und Kronsforder Allee

1996: Aufarbeitung und Abgleich der Kartierungen zur BAB A 20 und Behandlung der Artenschutzproblematik gemäß internationaler und bundesdeutscher gesetzlicher Bestimmungen, BAB A 20 Lübeck-Rostock Teilstrecke 1: A 1 - L 92, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1997: Kartierung von Fledermäusen und Behandlung der Artenschutzproblematik gemäß FFH-Richtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 3: BAB A 1 - B 206, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1996-98: Aktualisierung der botanischen, mykologischen und zoologischen Kartierungen und Kartierung von Mollusken und Nachtfaltern, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2a: L 92 - B 207 und Teilstrecke 2b: B 207 - L 02 (Teil I: Schleswig-Holstein), Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1996-98: Aktualisierung der botanischen, mykologischen und zoologischen Kartierungen und Kartierung von Mollusken und Nachtfaltern, BAB A 20 Lübeck-Rostock, Teilstrecke 2b: B 207 - L 02 (Teil II: Mecklenburg-Vorpommern), Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1996-98: Kartierung von Fledermäusen und Behandlung der Artenschutzproblematik gemäß FFH-Richtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2a: L 92 - B 207 und Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1997-98: Kartierung von winterrastenden Vögeln, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2a: L 92 - B 207 und Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1997-98: Kartierung von Wiesenrallen (Crex crex), BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 1: BAB 1 - L 92, Teilstrecke 2a: L 92 - B 207, Teilstrecke 2b: B 207 - L 02 und Teilstrecke 3: BAB 1 - B 206, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1998: Ausweisung und Bewertung der Beeinträchtigung der potentiellen Lebensraumtypen gemäß Anhang I sowie der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie und der Anhang I - Arten der Vogelschutzrichtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2: L 92 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1998: Ausweisung und Bewertung der Beeinträchtigung des potentiellen Vorkommens der Art Fischotter (Lutra lutra L., Mustelidae) des Anhanges II der FFH-Richtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2: L 92 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1998-99: Pflanzensoziologische Kartierungen in Feuchtwaldbeständen in der Wakenitz-Niederung nach der Methode von BRAUN-BLANQUET (1964) und Bodenproben, BAB A 20 Lübeck - Rostock Teilstrecke 2: L 92 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1998-99: Ausweisung und Bewertung der potentiellen Lebensraumtypen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie im Bereich der NSG "Wakenitz" und "Wakenitzniederung und Herrnburger Binnendüne" außerhalb der Feuchtwälder der Wakenitz-Niederung sowie des Untersuchungsgebietes zum LBP, BAB A 20 Lübeck - Rostock Teilstrecke 2: L 92 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1998-99: Die Bedeutung der Wakenitzniederung als Lebensraum für gefährdete und europäisch relevante Fischarten - eine Bewertung anhand von Literaturdaten und Umfrageergebnissen, BAB A 20 Lübeck - Rostock Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage

1998-99: Die Bedeutung der Wakenitzniederung als Durchzugs- und Rastgebiet für Vögel - Untersuchung von Zug- und Rastvorkommen im Wakenitztal, BAB A 20 Lübeck - Rostock Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage


 
 

2. Planung und Bau der A20
-   2.1. Linienbestimmung
-   2.2. Planfestellung
-   2.3. Fortgang des Planungsverfahrens in den anschließenden Streckenabschnitten
-   2.4. Westlich der A1
 

2.1. Linienbestimmung

Linienbestimmung

                 Die geographische Lage Lübecks läßt
                 grundsätzlich nördliche und südliche
                 Trassenführungen mit einer Verknüpfung an das
                 vorhandene Fernstraßennetz zu. Die
                 Straßenbauverwaltung des Landes
                 Schleswig-Holstein hat im Rahmen der
                 Umweltverträglichkeitsstudie für die A 20 im
                 Raum Lübeck auf Grundlage von Fachbeiträgen
                 privater Büros eine Reihe von Trassenvarianten
                 entwickelt. Zur Linienfindung für eine A  20
                 wurden diese Varianten unter Einbeziehung
                 verschiedener planungsrelevanter
                 Gesichtspunkte miteinander verglichen und
                 bewertet. Für diesen Vergleich wurden
                 zahlreiche Gutachten erstellt, zu denen unter
                 anderem die Umweltverträglichkeitsstudie, die
                 Verkehrs-, Lärm- und
                 Schadstoffuntersuchungen gehören.

                 Die Gutachter der Umweltverträglichkeitsstudie kamen zu dem Ergebnis, daß
                 bei Berücksichtigung ausschließlich landschafts-ökologischer Gesichtspunkte
                 eine nördliche Trassenführung die günstigere Lösung darstellt. Sie verursacht
                 die deutlich geringeren Eingriffe in die Umwelt, in den Naturhaushalt und das
                 Landschaftsbild.

                 Die Gutachter der Verkehrsuntersuchung empfehlen aus verkehrlicher Sicht
                 den Bau der A  20 in einer südlichen Führung. Diese wird gegenüber einer
                 Nordtrasse höhere Verkehrsanteile von den Bundes- und Landesstraßen übernehmen
                 und bietet für Lübeck eindeutige Vorteile durch eine günstige Verteilung der Ziel- und
                 Quellverkehrsströme auf eine größere Anzahl von Anschlußstellen und zielgerichtete
                 Führung dieser Verkehrsströme. Die Lärmgutachter bevorzugen ebenfalls die
                 Südvarianten, da die Lärmbetroffenheit in der Summe der betroffenen
                 Anwohner am Tage und in der Nacht bei den Südvarianten unter derjenigen
                 der Nordvarianten liegt. Die Verkehrslärmprobleme im Raum Lübeck sind am
                 ehesten durch eine Südvariante der A 20 zu lösen.

                 Das Schadstoffgutachten stellt im Ergebnis fest, daß gerade im Norden der Stadt
                 Lübeck durch die zusätzlichen Immissionsbelastungen in Seeretz, Bad Schwartau,
                 Dänischburg, Siems und Herrenwyk die in diesen Gebieten wünschenswerten
                 Maßnahmen zur Luftqualitätsverbesserung mit einer Südvariante eher zu erreichen
                 sind.

                 Eine Südtrasse der A  20 wird darüber hinaus die stärkeren
                 Entwicklungsimpulse für Gewerbeansiedlungen und die
                 Hochschulerweiterung in Lübeck erbringen. Das gleiche gilt für die Qualität
                 Lübecks als Wohnstandort, der stadtverträglichen Erreichbarkeit und deren weitere
                 Entwicklung. Insbesondere die stadtnahe Südvariante kann zudem einen Beitrag zur
                 Verbindung der neuen und bestehenden Gewerbegebiete untereinander leisten.

                 Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat die von der Straßenbauverwaltung
                 zusammengestellten Untersuchungsergebnisse in ihre abschließende Bewertung
                 einbezogen. Sie hat dabei das Ziel verfolgt, daß die Belastung der betroffenen
                 Bürgerinnen und Bürger sowie Eingriffe in besonders empfindlich bewertete
                 Landschaftsbereiche so gering wie möglich gehalten werden.

                 Am 29. November 1993 hat die Landesregierung ein Votum zur Linienführung
                 der A  20 im Raum Lübeck gefaßt. Sie hat sich nach intensiver Abwägung aller
                 planungsrelevanten Gesichtspunkte insbesondere aus ökologischen,
                 raumordnerischen, wirtschaftlichen und verkehrlichen Gründen sowie unter
                 Einbeziehung städtebaulicher Entwicklungsmöglichkeiten für die Hansestadt Lübeck
                 dafür entschieden, dem Bundesministerium für Verkehr eine Kombination aus der
                 stadtnahen Variante (4H) von der A  1 bis zur L  92 und der stadtferneren Variante  5
                 von der L  92 bis zur Landesgrenze für das Linienbestimmungsverfahren nach §  2
                 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz vorzuschlagen.

                 Die erforderlichen weiteren Abstimmungen über die Linienführung mit
                 Mecklenburg-Vorpommern und dem Bundesministerium für Verkehr haben
                 Änderungen im östlichen Streckenabschnitt (Variante 5  B) und Auswirkungen auf den
                 Verlauf im Bereich der Landesgrenze ergeben. So wurde wegen der von
                 Mecklenburg-Vorpommern im Laufe des Planungsverfahrens betriebenen Ausweisung
                 des Naturschutzgebietes Kammerbruch zum FFH- und EU-Vogelschutzgebiet die
                 Variante 5D entwickelt.

                 Am 27.  April 1995 haben die beiden Länder die für die Linienbestimmung
                 erforderlichen Unterlagen gemeinsam unterschrieben und Anfang Mai 1995 dem
                 Bundesministerium für Verkehr zur Linienbestimmung vorgelegt.

                 Der Bundesminister für Verkehr ist dem Vorschlag der Länder
                 Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gefolgt und hat am 26.
                 Juli  1995 die Linie der A  20 im Süden der Hansestadt Lübeck von der A  1 bis
                 zur B  104 südlich von Schönberg bestimmt.

2.2. Planfeststellung

                 Die rechtliche Absicherung einer Straßenbaumaßnahme erfolgt durch eine
                 Planfeststellung. Im Planfeststellungsverfahren haben alle vom Bauvorhaben
                 Betroffenen die Möglichkeit, Anregungen und Bedenken vorzutragen. Dazu legt die
                 zuständige Anhörungsbehörde alle Planunterlagen mit den zugehörigen Erläuterungen
                 in den betroffenen Gemeinden öffentlich aus und gibt die Auslegungs- und
                 Erörterungstermine bekannt. In Schleswig-Holstein ist das Ministerium für Wirtschaft,
                 Technologie und Verkehr Anhörungsbehörde für die Straßenbaumaßnahmen im Land.

                 Den Trägern öffentlicher Belange werden die Planfeststellungsunterlagen zur
                 Stellungnahme zugeschickt. Innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist können die
                 Bürger und die Träger öffentlicher Belange ihre Bedenken und Anregungen bei der
                 Anhörungsbehörde vorbringen. Diese Einwendungen werden dann in der
                 anschließenden Erörterung behandelt. Nach Abschluß der Erörterung werden alle
                 Hinweise und Vorschläge der Betroffenen und der Fachbehörden in einer umfassenden
                 Abwägung aller Einwendungen und Forderungen bewertet und von der zuständigen
                 Planfeststellungsbehörde, die im Landesamt für Straßenbau und Straßenverkehr
                 Schleswig-Holstein angesiedelt ist, bei der Erstellung des
                 Planfeststellungsbeschlusses in die abschließende Abwägung einbezogen.

                 Die Planunterlagen für den 1. Planfeststellungsabschnitt der Ostseeautobahn
                 zwischen der A  1 und der Kronsforder Landstraße (L 92) lagen vom 5.  Januar 1996
                 öffentlich aus. Nachdem die Einspruchsfrist am 19. Februar 1996 endete, wurde am
                 6.  Mai 1996 mit der Erörterung der eingegangenen Einwendungen begonnen. Über
                 diesen 6,3  Kilometer langen Streckenabschnitt der A  20 ist bis zum Ende der
                 Erörterung am 19. November  1996 an 33  Tagen verhandelt worden. Damit handelt es
                 sich um das aufwendigste Anhörungsverfahren, das es bisher zu einem
                 Verkehrs-projekt in Schleswig-Holstein gegeben hat. In rund 300  Stunden sind die
                 Stellungnahmen von 28  Behörden, rund 800  Einzelschreiben und die von
                 rund 2.700 Bürgern listenmäßig erhobenen Einwendungen erörtert worden.
                 Die Erörterung mit den Behörden dauerte fünf  Tage, die mit den betroffenen 24
                 Grundeigentümern sechs Tage. An 22 Erörterungstagen haben in wechselnder
                 Zusammensetzung insgesamt circa 200 der 3.500 übrigen Einwender teilgenommen.
                 Die höchste Teilnehmerzahl an einem einzelnen Verhandlungstag lag bei 80
                 Einwendern. Während der letzten zwei Verhandlungstage nahmen jeweils unter 25
                 Einwender die Erörterungstermine wahr.

                 Nach der Beendigung der Anhörung und Abwägung der Anhörungsergebnisse wurde
                 der Planfeststellungsbeschluß am 28.  April 1997 für den ersten
                 Streckenabschnitt der A  20 von der A  1 bis zur L  92 veröffentlicht. Der
                 Planfeststellungsbeschluß für den ersten Streckenabschnitt beinhaltet aufgrund der
                 Gesetzeswirkung den automatischen Sofortvollzug der Maßnahme. Zur Verhinderung
                 dieses Sofortvollzuges hatten Betroffene beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin
                 einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5
                 Verwaltungsgerichtsordnung gestellt.

                 Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Beschluß vom 21.01.1998 die sofortige
                 Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses ausgesetzt und damit den Bau der
                 Ostseeautobahn auf dem Gebiet des Landes Schleswig-Holstein einstweilen
                 gestoppt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, daß die Planung zwar keine
                 Bestimmungen des nationalen Rechts verletze, jedoch die vorhandene unberührte
                 Natur der Wakenitz-Niederung und möglicherweise auch den Naturpark "Schaalsee"
                 beeinträchtige. Dabei seien die Richtlinie des Rates der Europäischen
                 Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten
                 (79/409/EWG) - Vogelschutzrichtlinie - und die Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1992
                 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen
                 (92/43/EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - nicht hinreichend beachtet worden.

                 Die Planfeststellungsbehörde hat in ihrem Schriftsatz vom 20. März 1998 hierzu
                 umfassend Stellung genommen. Zwischenzeitlich hatten interne Prüfungen des
                 Landesamtes für Naturschutz und Umwelt ergeben, daß die Wakenitzniederung auf
                 schleswig-holsteinischem Gebiet für sich gesehen nicht FFH-schutzwürdig erscheint
                 und auch eine Anmeldung als Vogelschutzgebiet nicht zwingend geboten sei.

                 Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat aufgrund der mündlichen Verhandlung
                 vom 7. Mai 1998 und nach durchgeführter Beweisaufnahme die Verbandsklagen
                 zweier Naturschutzverbände gegen den Planfeststellungsbeschluß für den 1.
                 Bauabschnitt abgewiesen. Damit war der am 21. Januar 1998 durch das Gericht
                 verhängte Baustopp hinfällig.

                 Seit dem am 6. Juni 1998 in Anwesenheit von Ministerpräsidentin Simonis und
                 Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann erfolgten ersten Spatenstich wird an
                 diversen Brückenbauwerken, einem Tunnel und an der Strecke gearbeitet. Die
                 Bauarbeiten kommen zwischen A 1 und L 92 gut voran und liegen im Zeitplan. Trotz
                 durch die Klageverfahren bedingter Bauzeitverzögerung von etwa einem Jahr soll
                 dieser erste Abschnitt wie vorgesehen Ende 2001 fertiggestellt sein.

2.3. Fortgang des Planungsverfahrens in den anschließenden Streckenabschnitten

                 Südlich von Lübeck

                 Der Abschnitt von der Kronsforder Landstraße (L 92) bis zur Landesgrenze ist in zwei
                 Bearbeitungsabschnitte unterteilt:

                    1.Abschnitt 2a von der L  92 bis zur B 207 (alt)
                    2.Abschnitt 2b von der B 207 (alt) bis zur L  2 in Mecklenburg-Vorpommern.

                 Die Wakenitzniederung stellt für den geplanten Verlauf der Teilstrecke 2b zwischen
                 der Bundesstraße 207 bei Groß Grönau (Schleswig-Holstein) und der Landesstraße 2
                 bei Neuleben (Mecklenburg-Vorpommern) aufgrund der ökologischen Bedeutung einen
                 nicht unproblematischen Punkt dar.

                 Bereits am 27.08.1992 hatte der schleswig-holsteinische Landtag mit den Stimmen
                 der SPD und des SSW beschlossen, daß er als Voraussetzung für den Bau der A 20
                 "einen Tunnel, eine Tieflage oder entsprechend ökologisch sinnvolle
                 baulich-technische Anlagen im Bereich der Wakenitzniederung" für erforderlich hält.
                 Dieser Beschluß ist vor dem Hintergrund gefaßt worden, daß die Variante 4H zur
                 Ausführung gelangen würde. Diese Linienführung hätte u.a. die Ortschaft Groß Grönau
                 zerschnitten und eine entsprechend geschützte Straßenführung durch die Ortschaft
                 bedingt.

                 Am 29.11.1993 hat die Landesregierung beschlossen, daß es "bei Realisierung der
                 A 20 eine Reihe von ökologisch-technisch verträglichen Lösungen für unbedingt
                 erforderlich" hält: z.B. "eine Unterfahrung (Tunnel) oder Brücke (je nach ökologischer
                 Vorteilhaftigkeit) der Wakenitz bis auf das Gebiet des Landes
                 Mecklenburg-Vorpommern." Mit diesem Beschluß erfolgte eine geänderte
                 Linienpräferenz der Landesregierung von Variante 4H zur Variante 5. Hier war die
                 grundsätzliche Möglichkeit der Realisierung einer Brückenlösung nicht mehr
                 ausgeschlossen. Dies trifft auch auf die nunmehr verfolgte und vom
                 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW) am 26.07.1995
                 bestimmte Linienführung im Zuge der Variante 5D zu.

                 Das MWTV hatte beide Bauwerksalternativen bereits in der Voruntersuchung im
                 Rahmen der Linienfindung grob geprüft und dem BMVBW zur Bestimmung der Linie
                 vorgelegt. Der BMVBW hat in seiner Linienbestimmung keine endgültige Festlegung
                 zur Frage Brücke oder Tunnel getroffen. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, daß bei
                 der Wakenitzquerung eine ökologisch und wirtschaftlich vertretbare Brückenlösung
                 erwartet würde, "da ein Tunnelbauwerk neben dem Eingriff in den geomorphologischen
                 und hydrologischen Haushalt auch unverhältnismäßig hohe einmalige und laufende
                 Kosten verursacht. Gleichwohl könnte alternativ im Rahmen des
                 Abwägungsprozesses ein Tunnelbauwerk mit Erhaltung der Biotopfunktion und
                 Einbeziehung von Maßnahmen zur Verminderung der Auswirkungen auf den
                 Wasserhaushalt zu prüfen sein".

                 Der gemeinsam von Verkehrs- und Umweltministerium gewählte Gutachter, Professor
                 Giselher Kaule, Leiter des Instituts für Ökologie und Landschaftspflege der Universität
                 Stuttgart, hatte Ende März 1999 das Ergebnis der vergleichenden Untersuchung der
                 Querungsalternativen vorgelegt. Dabei wurden ein Tunnel in offener Bauweise, ein
                 Tunnel im Schildvortrieb und eine Talraumbrücke geprüft. Das Gutachten kommt zu
                 dem Ergebnis, daß bei einer Gesamtbetrachtung eine Talraumbrücke die beste
                 Lösung ist. Die untersuchten Tunnelvarianten bieten keine so deutlichen ökologischen
                 Vorteile, daß die erheblichen Mehrkosten gegenüber einer Talraumbrücke
                 gerechtfertigt wären. Die Baukosten für die Talraumbrücke belaufen sich auf etwa 36
                 Millionen Mark gegenüber 151 Millionen Mark für einen Tunnel in offener Bauweise und
                 mindestens 350 Millionen Mark für einen gebohrten Tunnel. Zusätzlich ergäben sich
                 bei den Tunnelvarianten Mehrkosten für Betrieb und Unterhaltung von jährlich bis zu
                 730.000 Mark.

                 Darüber hinaus bescheinigen die Gutachter in einer "Als-ob-Prüfung", daß die
                 gewählte Brückenlösung auch unter Annahme potentieller FFH- und
                 Vogelschutzgebiete keine erheblichen Beeinträchtigungen erwarten läßt und
                 damit die Verträglichkeit mit europäischem Naturschutzrecht gegeben ist. In
                 der abschließenden Liste der schleswig-holsteinischen FFH- und Vogelschutzgebiete
                 ist die Wakenitzniederung nicht enthalten.

                 Für den Bau der Talraumbrücke sind zahlreiche Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen,
                 deren Umfang im Vergleich zur sonst üblichen Planungspraxis überdurchschnittlich
                 ist. So ist beispielsweise in unmittelbarer Nähe zur Talraumbrücke eine rund 50 Meter
                 lange "Grünbrücke" vorgesehen. Auf dieser Brücke sollen Magerrasen und
                 Gehölzstreifen entwickelt werden, so daß der Verbund zwischen den ökologisch
                 hochwertigen Bereichen, die durch die A 20 durchschnitten werden, erhalten bleibt
                 und der ungestörte Austausch von Tieren und Pflanzen ermöglicht wird.

                 Darüber hinaus wird zur Minimierung des Eingriffs die Talraumbrücke einen drei Meter
                 breiten Lichtschlitz zwischen den Richtungsfahrbahnen erhalten. Durch den möglichen
                 Licht- und Niederschlagseinfall kann sich unter der Brücke eine nahezu
                 geschlossenen Vegetationsdecke bilden.

                 Der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat den Bauentwurf für
                 den zweiten Streckenabschnitt der A 20, Lübeck - Stettin, von der Landesstraße 92
                 bis zur Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommern am 30. Juli 1999 genehmigt und
                 dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr Schleswig-Holstein wieder
                 zugeleitet. Die Entwurfsgenehmigung des zweiten Streckenabschnittes der A 20
                 südlich Lübecks bestätigt das Votum der Landesregierung zur Querung der
                 Wakenitzniederung mit einer Talraumbrücke, für die sich das Kabinett am 8.
                 Juni 1999 ausgesprochen hatte.

                 Die Aufstellung der parzellenscharfen Entwurfsunterlagen erfolgte für den
                 Streckenabschnitt 2b in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium des
                 Landes Mecklenburg-Vorpommern und der DEGES (Deutsche Einheit
                 Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH). Die DEGES betreibt die Planung und den
                 Bau der "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" für die neuen Bundesländer.

                 Die Straßenbauverwaltung des Landes wird die Planfeststellung für beide Abschnitte
                 in einem Verfahren durchführen. Die Bekanntmachung für die Einsichtnahme in die
                 Planunterlagen (8. September 1999 bis einschließlich 8. Oktober 1999) ist im August
                 1999 erfolgt. Die beiden Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
                 werden allerdings aus rechtlichen Gründen die jeweiligen Planfeststellungsverfahren
                 ausschließlich auf ihrem Hoheitsgebiet durchführen. Aus heutiger Sicht ist der
                 Planfeststellungsbeschluß für die beiden Teilstrecken Ende 2000 terminlich
                 eingeplant.

                 Der Abschnitt soll Ende 2003 dem Verkehr übergeben werden. Damit ist die A20 im
                 Jahre 2003 von der A1 bis Rostock durchgehend befahrbar.

2.4. Westlich der A 1

Ziel ist es, die A  20 möglichst durch einen Ausbau der vorhandenen B  206 in den Raum Segeberg zu führen und hier mit der B  404/A 21 zu verknüpfen. Des weiteren ist eine Anbindung an die A  7 und die A  23 sowie eine Querung der Elbe westlich von Hamburg beabsichtigt, bevor die A 20 in Niedersachsen an die A  1 einbindet. Die weitere planerische Bauvorbereitung der A  20 westlich der A  1 wird aus verfahrenstechnischen Gründen in Abschnitten vorgenommen.

Die Planung der A 20 im Streckenabschnitt 3 von der A  1 bei Lübeck bis zur B 206 bei Geschendorf wurde bereits im Jahre 1992 aufgenommen. Zwischenzeitlich haben die beauftragten Gutachter ihre Ergebnisse (Umweltverträglichkeitsstudie (UVS), Verkehrsuntersuchung und Straßenplanung) vorgelegt. Die förmliche Auslegung der UVS-Unterlage nach §  15 UVPG erfolgte vom 28.  April bis zum 28. Mai 1997. Die förmliche Linienbestimmung durch den Bundesverkehrsminister soll bis Ende 2000 erfolgen. Bei einem zügigen Planungs- und Verfahrensablauf könnte die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens voraussichtlich 2001/2002 erfolgen.

Für den Streckenabschnitt 4 von Geschendorf bis östlich von Bad Segeberg wird zur Zeit die Voruntersuchung erarbeitet. Da es sich hier um den Ausbau der vorhandenen B  206 von zwei auf vier Spuren handelt, ist zwar keine förmliche Linienbestimmung erforderlich. Aber im Rahmen der Voruntersuchung wird unter Berücksichtigung der vorhandenen Bebauung eine Entscheidung durch den Bundesverkehrsminister zu treffen sein, ob die B  206 auf der nördlichen oder südlichen Fahrbahnseite verbreitert wird. Die Vorlage der Voruntersuchung beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wird für 2000 angestrebt.

Im Streckenabschnitt 5 (Raum Segeberg) entwickeln sich die zu untersuchenden Varianten im wesentlichen zwischen den Gelenkpunkten mit der vorhandenen B 206; im Westen auf dem Gebiete der Gemeinde Wittenborn und im Osten im Bereich der Gemeinde Weede. Umfangreiche Untersuchungen (z.B. Umweltverträglichkeitsstudie, Verkehrsuntersuchung, städtebauliches Entwicklungsgutachten) sind durchgeführt worden. Neben südlichen Trassenverläufen ist auch die Ausbauvariante der B 206 zur A 20 in der Ortsdurchfahrt von Bad Segeberg geprüft worden. Die Voruntersuchung ist abgeschlossen und die Planungsunterlagen für den Raum Segeberg haben im Rahmen des Linienbestimmungsverfahrens gem. § 16 FStrG i.v.m. § 15 UVPG in der Zeit vom 7. Juni bis zum 7. Juli 1999 öffentlich ausgelegen. Die Äußerungen zur Maßnahme werden zusammengestellt, bewertet und finden Eingang in das Linienbestimmungsverfahren. Planerisches Ziel ist die Linienbestimmung durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahr 2000. Nach der Linienbestimmung kann mit der Aufstellung der parzellenscharfen Entwurfsunterlagen begonnen werden, die Grundlage für die Planfeststellung sind.

Die weitere Fortführung der A  20 von Bad Segeberg bis zur A  7 und A  23 und weiter mit einer Querung der Elbe nordwestlich von Hamburg ist ebenfalls im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf enthalten. Ziel dieses Projektes ist die Entlastung der Fernverkehrsachsen und der Metropolregion Hamburg von Kraftfahrzeugverkehren. Die A 20 bindet die Westküste Schleswig-Holsteins an die Fernverkehrsachsen in die nordöstlichen und südlichen Zentren der Europäischen Region leistungsfähig an und ist deshalb für die Wettbewerbsfähigkeit dieser Region von großer Bedeutung.

Im April 1995 hat der Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr eine verkehrswirtschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, die unter Federführung des Landes Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Bundesminister für Verkehr, dem Land Niedersachsen und der Freien und Hansestadt Hamburg administrativ begleitet wurde. Im Februar 1998 sind die Ergebnisse durch die Gutachter vorgelegt worden. Sie wurden dem kommunalpolitischen Raum, Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften und Verbänden vorgestellt und ergebnisoffen diskutiert.

Im März 1999 hat die Landesregierung in Übereinstimmung mit der Entschließung des Schleswig-Holsteinischen Landtages der Realisierung der A 20 im Raum Glückstadt politische Präferenz gegeben. Eine definitive Festlegung auf eine der Varianten konnte gleichwohl aus planungsrechtlichen Gründen nicht erfolgen. Sämtliche in der Verkehrswirtschaftlichen Untersuchung geprüften Trassenkorridore werden mit dem Ziel der Erarbeitung einer konkreten Linienführung detailliert untersucht, bevor eine abschließende Trassenfestlegung erfolgen kann. Planerisches Ziel ist der Abschluß der Voruntersuchung in 2001/2002. Im Anschluß wird das Linienbestimmungsverfahren durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen durchgeführt.

Ziel der Landesregierung ist, die A 20 so schnell wie möglich zu realisieren. Dies auf einem soliden fachlichen Fundament.
 


 
 
 

3. Zur Bauwürdigkeit einer A20
-   3.1. Ausgangssituation und Gründe für die Bauwürdigkeit
-   3.2. Kritik an den Gründen für die Bauwürdigkeit
-   3.3. Allgemeine Kritik am Bau der A20
 

3.1. Ausgangssituation und Gründe für die Bauwürdigkeit

Nach dem Bericht der Arbeitsgruppe (S. 68) ist die Bauwuerdigkeit nach dem Ergebnis der gesamtwirtschaftlichen Bewertung
der A20 zwischen Luebeck und Rostock mit einem DTV 2010 von 33.908 Kfz/24h und einem LKW Anteil von 10,5 %
bereits durch den Bund festgelegt worden.

Die Verkehrsuntersuchung von M + O (12. Nov. 1991) unterstreicht mit den Prognosevarianten deutlich die Bauwuerdigkeit
der geplanten Ostseeautobahn A20. Nach ihren Feststellungen waere eine heute vorhandene A20 mit rd. 19.000 - 25.000
Kfz/24h belastet, worin die Verkehrsanteile in der Relation Krs. Herzogtum Lauenburg/Ostholstein noch nicht enthalten seien
(ca. 6000 8000 Kfz/24h). Damit sei die Bauwuerdigkeit einer Ostseeautobahn schon durch die heutigen Verkehrsbelastungen
nachweisbar, eine ruecklaeufige Tendenz in der Entwicklung der Verkehrsnachfrage sei nicht abzusehen. Im Jahre 2010 seien
Belastungen zwischen 32.700 und 49.000 Kfz/24h (Prognosevariante B) bzw. 44.200 und 66.400 Kfz/24h (Prognosevariante
A) auf der A20 zu erwarten.

Das MWTV des Landes S-H hat die Plausibilitaet des M + O -Gutachtens durch das Aachener Ingenieurbuero IVV, das im
Auftrag des BMV auch am BVWP mitwirkt, ueberpruefen lassen. Nach Aussage von Herrn Richter, MWTV, habe IVV die
Plausibilitaet des Zahlenwerkes und der Ergebnisse bestaetigt.

Hamburg - Consult Gesellschaft fuer Verkehrsberatung und Verfahrenstechnik mbH hat im August 1990 eine Planungsstudie im
Auftrag der Hansestadt Luebeck ueber die verkehrlichen Auswirkungen der Grenzoeffnung in Luebeck vorgelegt.

ZurVorbereitung der Luebecker Position haben die Aemter fuer Verkehrsanlagen und Stadtplanung eine Expertengruppe aus
den beiden Gutachtern des Bundes und der Laender Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, Buero M + O und
Buero S + D, Vertretern der MWTV des Landes Schleswig-Holstein und des Strassenneubauamtes Ost (Eutin) sowie des
BSV Buero fuer Stadt- und Verkehrsplanung Dr. Ing. Reinhold Baier GmbH, Aachen, zusammengestellt, die in mehreren
ganztaegigen Kolloquien in Luebeck und in begleitenden Diskussionen im Buero BSV die wesentlichen Gesichtspunkte
zusammengetragen und einen begruendeten Vorschlag erarbeitet haben. Die Gutachterstudie ist im August 1991 fertiggestellt
worden.

Mit der M + O - Verkehrsuntersuchung setzen sich u.a. kritisch auseinander die

- Studie des Bundes fuer Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) "Ostseeautobahn A20 Oekologie - Verkehr -
Stadtentwicklung vom ....

- Stellungnahme des Landesnaturschutzverbandes Schleswig-Holstein e.V. (LNV) zum Neubau der Bundesbautobahn
Luebeck-Wismar-Rostock vom Januar1991,

- Stellungnahme des Umweltamtes der Stadt Luebeck vom Januar 1991,

- Gutachterliche Stellungnahme der Technigerman-Investra-Consult (TIC) - Prof. Dr. Harder, TU Hannover, zur Problematik
des Autobahnanschlusses der A20 an die A1 im Kreis Stormarn im Auftrag des Kreises Stormarn vom Januar 1991,

- Stellungnahme zum Ausbau der A20 ("Ostseeautobahn") des Planungsbueros Richter-Richard, Aachen, im Auftrag der
Gemeinde Gross Groenau vom Februar 1992,

- Gegenstudie zu den A2O-Verkehrsprognosen von Dipl. lng. Dietrich, Stempel, Januar 1992.

Im April 1992 (Stand 9.4.1992) hat der BMV den Referentenentwurf des BVWP '92 einschliesslich Bedarfsplan fuer
Bundesfernstrassen den Laenderverwaltungen und anderen zur Abstimmung vorgelegt.

Danach wird unter "vordringlicher Bedarf" im Strassenbau eingestuft:

- Projekt A20 Luebeck (A1) - Rostock (A 19) als "Projekt Deutsche Einheit" (120 km Laenge - 1320 Mio DM, davon in
Schleswig-Holstein 15 km - 165 Mio DM),

- Projekt A2O/B74 Nord-/Westumfahrung Hamburg als westliche Fortfuehrung der A20, die vom Anschlusspunkt der
geplanten A20 an die A1 im Raum Luebeck ueber die A7 und A23, ueber die Elbe bei Stade an die A1 im Raum Elsdorf und
Rylum (Nds.) anschliesst (109 km Laenge - 2300 Mio DM, davon in Schleswig-Holstein 69 km - 1200 Mio DM) und

- Projekte B 404, A1 - A24 und B 404 Bornhoeved - Bad Segeberg Ausbau von 2 auf 4 Fahrstreifen (insgesamt 26,1 km
Laenge - 67 Mio DM).

Dagegen wird das Projekt B 206 Bad-Bramstedt - Luebeck/W (A1), das auf 25 km Laenge 2 streifig aus- und neugebaut und
auf 29 km Laenge 4 streifig aus- und neugebaut werden sollte (Kosten 180 Mio DM) "wegen erkennbarer erheblicher
Umweltprobleme" in die Kategorie "Weiterer Bedarf" zurueckgestuft.

3.2. Kritik an den Gründen für die Bauwürdigkeit

Es kann nicht Aufgabe des Berichterstatters sein, den Inhalt der verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen
zusammenzufassen, gegenueberzustellen, zu gewichten und zu bewerten, zumal davon auszugehen ist, dass die genannten
Papiere der Landesregierung vorliegen und bekannt sind.

Die Frage der Bauwuerdigkeit der A20 steht jedoch im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Massive Kritik an der
Verkehrsuntersuchung wird von vielen Buergern und in vielen Gespraechen geaeussert. Diese orientiert sich an den Aussagen
der genannten Stellungnahmen und Gutachten. Daher werden die immer wieder vorgetragenen Argumente und Infragestellungen
hier dargestellt:

- Es fehle eine integrierte Gesamtverkehrsplanung fuer die Ostseeautobahn und den Personen- und Gueterverkehr unter
Beruecksichtigung einer Umweltvertraeglichkeitsstudie. Da die Untersuchung von vornherein auf die politisch gewuenschte
Loesung, naemlich die geplante Autobahn, fixiert gewesen sei, koenne sie ihren beiden Aufgaben,

_ "die verkehrlichen Grundlagen fuer die Bewerlung einer neuen Autobahn zu erarbeiten"

und

_ "einen wichtigen Bestandteil im Rahmen der fuer Trassenbeurteilung erforderlichen Urnweltvertraeglichkeitsuntersuchung" zu
bilden,

schon vom Ansatz nicht gerecht werden. Der BMV habe im September 1991 postuliert, dass "Investitionen in die
Verkehrsinfrastruktur einer strengen Umweltvertraeglichkeitspruefung standhalten" muessen.

Unverzichtbarer Bestandteil einer solchen Umweltvertraeglichkeitspruefung sei daher eine Verkehrsuntersuchung, die

_ alle Verkehrsmittel in angemessener Weise beruecksichtige, Aussagen zu Vermeidungs- und Verlagerungspotentialen im
Verkehrssektor mache und

_ damit die Grundlagen fuer ein integriertes Verkehrskonzept entwickle.

- Die Landesregierung Schleswig-Holstein habe sich stets fuer "integrierte Verkehrskonzepte" eingesetzt und versprochen,
solche zu entwickeln. Dieses Versprechen duerfe nicht durch die in dem Gutachten vorgenommene einseitige Betrachtungs- und
Interpretationsweise ins Gegenteil verkehrt werden.

- Das Untersuchungsgebiet sei so ausgewaehlt worden, um die potentiellen Autobahnbenutzer zu finden und damit die A20 zu
rechtfertigen. Dagegen waere angemessen gewesen,

_ das Oberzentrum Hamburg,

_ die Verkehrsverbindungen in die Raeume Berlin, Hamburg und Ruhrgebiet als die zu erwartenden Hauptachsen fuer Gueter-
und Personenverkehr und
_ die schleswig-holsteinischen Quell- und Zielgebiete eines Ost-West-Verkehrs
 

zusaetzlich mit einzubeziehen.

- Die Planungsunterlagen und die benutzten Quellen wuerden nicht angegeben bzw. seien zu vage, als das sie nachvollzogen
werden koennten oder nachpruefbar waeren. Behauptungen wuerden nicht belegt, Entwicklungen unterstellt, methodische
Schwaechen durch Allgemeinplaetze zu verdecken versucht. So raeume M + O zwar ein, dass fuer die Entwicklung der
Erwerbstaetigen fuer den Bereich M-V keine Prognosen vorlaegen, gleichwohl treffe er aber in den beiden Prognosevarianten
Aussagen ueber den zukuenftigen Strassenverkehr, die serioeserweise Kenntnisse ueber solche Entwicklungen voraussetzen
wuerden.

M + O behaupte z.B., Planungs- und Entwicklungsabsichten der Gemeinden im Trassenkorridor M-V hinterfragt und einige
Gemeindestrukturentwicklungsplaene einbezogen zu haben, verschweige sich aber ueber aussagekraeftige Angaben.

- Das Papier weise weitere eklatante Schwaechen auf u.a.:

_ die unreflektierte Auswahl der Erhebungsmethodik, die allein auf eine Rechtfertigung des Bedarfs dieser Autobahn
ausgerichtet sei (z.B. bei der Kennzeichenbeobachtung, der Kennzeichenverfolgung, der Verkehrsbefragung, der
Plausibilitaetskontrollen, der Zusammenstellung der Analyse-Verkehrsbelastungen und der Ermittlung der verlagerungsfaehigen
Verkehrsanteile,)

_ durch den Verzicht auf eine nachvollziehbare Fehlerbetrachtung, wodurch der Arbeit ihre Wissenschaftlichkeit abzusprechen
sei,

_ wegen vieler kleinerer und groesserer Rundungsfehler sowie durch nachtraegliche Retuschen, mit denen offensichtlich bewusst
eine Steigerung des Verkehrsvolumens in gewuenschte Groessenordnungen herbeigerechnet werden sollte,

_ mit der Argumentation, den maximal auf eine Ostseeautobahn verlagerungsfaehigen Anteil des Verkehrs zu beziffern, anstatt
eine Aussage ueber den tatsaechlichen Bedarf einer neuen Strasse zu treffen.

_ mit der unwahrscheinlichen Behauptung, 100% des Durchgangsverkehrs der Ortschaften beiderseits der Trassewuerde im
Ergebnis die A20 nutzen, das sei bislang nirgendwo in der BRD belegt.

- Mit den Prognoseansaetzen erwecke M + O den Eindruck, als ob mit den genannten Parametern die Verkehrsentwicklung
vorhergesagt werden koenne. Dabei wuerden folgende Aspekte voellig ausgeblendet:

_ die Entwicklung der Infrastruktur,

_ das zukuenftige Freizeitverhalten,

_ die Frage, inwieweit die oekologischen Kosten des Verkehrs in Zukunft dem Verkehrsteilnehmer persoenlich zugeordnet
(internalisiert) werden z. B. durch Oeko-Steuern,

_ eine Verkehrspolitik, die zukuenftig verstaerkt oekologische Ziele durch ordnungspolitische Massnahmen wie Tempolimit,
Parkraumbewirtschaftung oder temporaere und regionale Fahrverbote anstrebt.

- Die gewaehlte Prognosevariante A unterstelle mit einem durchschnittlichen Wachstum des BSP von real jaehrlich 4 % bis zum
Jahre 2010 einen beispiellosen wirtschaftlichen Boom und sei voellig unrealistisch, zumal gleichzeitig ein
Bevoelkerungsrueckgang von 78,7 auf 77,5 Mio Menschen unterstellt werde. Auch der Prognoseansatz B, der von einem
durchschnittlichen jaehrlichen Wachstum von 2,5 % BSP ausgehe, sei wenig wahrscheinlich. Zwar werde diese Variante als
"gedaempfte" Entwicklung bezeichnet, tatsaechlich sei sie aber "geschoent". So erwarte der Jahreswirtschaftsbericht der
Bundesregierung fuer 1992 ein Wachstum von 2 %, die Bundesbank zwischen 1,5 und 2 %. Selbst die von M + O genannten
Zahlen fuer die Vergangenheit (z. B. zwischen 1980 und 1990 mit Mittel 2,1 %/Jahr) wuerden belegen, dass eher mit einem
weiteren Fallen des realen Wirtschaftswachstums ueber laengere Zeitraeume gerechnet werden muesse.

- Es sei falsch, aus den angenommenen Zuwachsraten auf eine entsprechende lineare Zunahme des Motorisierungsgrades zu
schliessen. Bei einer weitgehenden Vollmotorisierung von 97 % aller "Norm"-Haushalte in Westdeutschland sei das
ausgeschlossen. Vielmehr sei eine Entwicklung aehnlich der Abkoppelung des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum
auch bei der Motorisierung sehr viel wahrscheinlicher.

- Nach Aussage von M + O basiere seine Untersuchung auf Zahlenwerten des Statistischen Landesamtes Schleswig-Holsteins
und der Shell-Prognose 1990. M + O verwende aus dieser aber lediglich den erwarteten PKw-Bestand fuer das Jahr 2010
und die Methode, eine von der Wirtschaftsentwicklung abhaengige Minimal- und Maximalprognose aufzustellen. Unterschiede
ergaeben sich dagegen in der Abschaetzung des Verkehrsaufkommens. Die Shell-Prognose unterstelle naemlich eine Abnahme
der Jahresfahrleistung pro PKW bei einer gleichzeitigen deutlichen Steigerung der PKW-Dichte.

- Dieser Ansatz entspreche den Erfahrungen der Vergangenheit und werde mit dem hoeheren Anteil an Zweit- und Drittwagen
begruendet. M + O gehe dagegen von einer Steigerung der Jahresfahrleistung aus und begruende diese pauschal mit einer
Erhoehung der Fahrten pro Tag infolge erweiterter beruflicher Moeglichkeiten und veraenderter Freizeitangebote.

- Diese Steigerung mit einem sogenannten Mobilitaetsfaktor von 1,1 bis 1,4, dessen Groesse nicht naeher erlaeutert werde, sei
offensichtlich willkuerlich, um das Gefaelligkeitsgutachten abzurunden. Tatsaechlich sei die Mobilitaet ("die Faehigkeit,
moeglichst viele verschiedene Ziele fuer bestimmte gewuenschte Zwecke in einer bestimmten Zeit zu erreichen") in der
Vergangenheit trotz steigenden PKw-Bestandes einigermassen konstant geblieben.

- Zwischen Mobilitaet und Fahrtenhaeufigkeit einerseits und PKW-Benutzung anderseits gebe es keinen zwangslaeufigen
Zusammenhang. So seien Mobilitaet und Fahrtenhaeufigkeit in der alten DDR und der frueheren BRD identisch gewesen -
jedoch mit einer voellig unterschiedlichen Wahl der Verkehrsmittel. Unbegruendet und willkuerlich wuerde M + O dagegen das
nach seiner Meinung im Jahre 2010 herrschende Beduerfnis nach Mobilitaet vollund ganz dem motorisierten Individualverkehr
zuschlagen, ohne moegliche Entlastungswirkungen oeffentlicher Transportmittel (Fahrrad, zu Fuss gehen) zu beachten. M + O
verwende gegenueber dem ueblichen Verfahren als Prognosegrundlage nur den Kfz-Bestand und die Mobilitaet,
beruecksichtige aber ausdruecklich nicht die Wegelaenge. Eine nachpruefbare Begruendung dafuer fehle.

- M + O mache einen methodischen Fehler, der zusaetzlich zu ueberhoehten Prognosewerten fuehren wuerde: Gerechnet
werde mit den Verkehrswerten aus 1991 (DTV 91) und dem Motorisierungsgrad, der 1989 fuer das Jahr 1990 geschaetzt
worden sei. In den neuen Bundeslaendern habe sich aber in 1990 der Motorisierungsgrad sprunghaft erhoeht. Da der erwartete
Wert fuer 2010 gleichbleiben falle die Steigerung von 1991 auf 2010 wesentlich geringer aus als von 1990 auf 2010.

- Zwischen den Prognosen von M + O und derjenigen der Shell wuerden sich somit Abweichungen von bis zu 100 % ergeben,
denn ersterer haette wesentliche Annahmen mit dem Ergebnis veraendert, dass unvorstellbare Verkehrszuwaechse den Bau der
A 20 erzwaengen.

- Es sei eine Ueberschaetzung der Wirtschaftskraft Luebecks,. wenn jetzt ein hoher Einpendlerstrom erwartet wuerde.
Tatsaechlich verfuege Luebeck nicht so zahlreich ueber Arbeitsplaetze (im Januar 1992 9,5 % Arbeitslose im Raum Luebeck
gegenueber einem Bundesdurchschnitt von 6,3 %), als dass sie in groesserem Umfang fuer die oestlich gelegene Region als
Pendlerziel fungieren koenne.

- Die Ergebnisse der M + O-Untersuchung vom 30. September 1991 wuerden erhebliche Abweichungen zu denen vom 12.
November 1991 aufweisen, ohne dass sich die Datenbasis erkennbar veraendert haette. Vielmehr wuerden unbegruendet die
Prognosewerte auf der A1 erheblich erhoeht und die Differenz zwischen einer Nord- und Suedanbindung vergroessert, um eine
Suedtrasse zu praeferieren. Auch die meisten weiteren Zahlen seien drastisch erhoeht worden (teilweise ueber 110 %).

- Es werde verschwiegen, dass bei den prognostizierten Zahlen selbst bei der Variante B in jedem Fall ein 8-streifiger Ausbau
der A1 zwischen Luebeck-Mitte und Autobahndreieck Bad-Schwartau notwendig werde, wenn die gueltigen Richtwerte
eingehalten wuerden. Gleichzeitig wuerde jedoch als besonderer Vorteil der A20 allgemein und der Suedtrasse insbesondere
die Entbehrlichkeit dieses Ausbaus hervorgehoben.

- M + O habe sich trotz gegenteiliger Behauptung mit dem moeglichen Ausbau der Schienenwege und einer damit verbundenen
evtl. staerkeren Nutzung der Bahn ueberhaupt nicht ernsthaft befasst. Seine Behauptung, dass 1990 81,4 % aller
Guetertransporte ueber die Strasse abgewickelt worden seien, sei schlicht falsch. Nach den offiziellen Zahlen des BMV seien
1990 in den alten Bundeslaendern 56,7 % und in den neuen Bundeslaendern 22 % der Guetertransporte ueber die Strasse
abgewickelt worden.


3.3. Allgemeine Kritik am Bau der A20

Die Gegnerschaft gegen die A20 wird u.a. immer wieder damit begruendet, dass ueber den Bau der Ostseeautobahn
schon zu einem sehr fruehen Zeitpunkt ohne Daten und Fakten politisch entschieden worden sei - als Prestigeobjekt und als
Symbol fuer den Aufschwung in Mecklenburg-Vorpommern. Im Nachhinein seien dann Verwaltung und Gutachter aufgefordert
worden, die Bauwuerdigkeit zu begruenden. Damit sei auch die Glaubwuerdigkeit der politischen Argumentation verloren
gegangen und habe zu gegenseitigem Misstrauen und auch zu Feindseligkeiten gefuehrt.

Am 4. Maerz 1991 teilte der BMV dem MWTV des Landes Schleswig-Holstein mit "dass die Bauwuerdigkeit einer Autobahn
zwischen Luebeck und Rostock aufgrund einer gesamtwirtschaftlichen Bewertung nachgewiesen ist, so dass von einer
vordringlichen Einstufung im gesamtdeutschen Verkehrswegeplan ausgegangen werden kann." Die Grundlage dieser
vorlaeufigen Bewertung (Stand 14.2.1991), die inzwischen durch den Entwurf des BVWP '92 (Stand 9.4.1992) aktualisiert
worden ist, wird entschieden in Frage gestellt:

- 1991 seien die Kosten zum Preisstand 1983 geschaetzt worden. Dadurch sei mindestens eine Halbierung der inzwischen zu
zahlenden Kosten und nur so ein Nutzen-Kosten-Faktor von ueber vier erreicht worden.

- Die fuer Schleswig-Holstein angesetzten 165 Mio DM seien voellig unrealistisch. Damit koenne vielleicht eines der von der
Landesregierung geforderten Tunnelbauwerke gebaut werden.

- Auch die jetzt von der M + O-Verkehrsuntersuchung (maximal 66.400 Kfz/24h) abweichenden Verkehrszahlen der
Kosten-Nutzen-Analyse (50.500 Kfz/24 h max 70.00 Kfz/24h) wuerden nicht stimmen. Wie fahrlaessig mit Zahlen operiert
wuerde, zeige sich schon daran, dass der Entwurf BVWP den LKW-Anteil mit 8 % (5 % an Urlaubswerktagen) beziffere,
waehrend der Bericht der Arbeitsgruppe noch die alte gesamtwirtschaftliche Bewertung mit einem LKW-Anteil von 10,5 %
(bezogen auf DTV 2010 von 33.908 Kfz/24h) zitiere. Oder dass er im Jahre 2010 50.000 Kfz/24h zwischen Luebeck und
Rostock prognostiziere, obwohl dort heute nur etwa 17.000 Kfz/24h fahren wuerden, dagegen im gleichen Jahr zwischen
Luebeck und Kiel nur 15.000 Kfz/24h - also 1.000 weniger als heute vorhersage.

- Der angegebene Projektnutzen (in Hoehe von 313,368 Mio DM) sei ueberhaupt nicht nachvollziehbar und habe innerhalb
eines Jahres kuriose Veraenderungen nach oben erfahren, um den Kosten-Nutzen-Faktor zu verbessern.

Waehrend in der Wirischaftlichkeitsbewertung vom 14.2.1991 die Kosten fuer die Strecke Luebeck-Stralsund mit1,9 Mrd
DM und der Umweltnutzen mit 10,9 Mio DM angegeben sei, sei der Umweltnutzen fuer die kuerzere Strecke
Luebeck-Rostock bei Gesamtkosten von 1,32 Mrd DM auf 24,1 am 9.4.1992 gestiegen.

- Die Bewertung stecke voller Ungereimtheiten: die Transportkosten wuerden auf 25 % des urspruenglichen Ansatzes sinken,
die Kosten der Wegehaltung wuerden sich halbieren. die besser Erreichbarkeit verdreifache sich die regionalen Effekte
wuerden mit 51 Mio DM/jaehrlich: Die Umwelteffekte, die sich In einem Jahr verdoppelt haetten, seien in einer Anhoerung so
begruendet worden:

_ ersparte Kosten fuer nicht mehr notwendige Schallschutzfenster in Haeusern, die an durch die A20 laermentlasteten Stassen
liegen,

_ weniger emittierte Abgase ersparen den Einbau von Katalysatoren in Kfz,

_ weniger Verkehr z.B. auf der B 105 baut die Trennwirkung ab, ermoeglicht ein schnelleres Ueberqueren und fuehrt zu
Zeiteinsparnis, die als Arbeitszeit bewertet wird,

_ steigende Wohnqualitaet in entlasteten Strassen fuehrt zu hoeheren Mieten = Umweltnutzen.

- Dagegen bleibe voellig offen, wie eigentlich die erheblichen Umweltlasten, die durch eine Ostseeautobahn verursacht wuerden
(BVWP '92 spreche von "erkennbaren erheblichen Problemhaeufungen mit besonderem Gewicht in grossraeumiger
Betrachtung") finanziell bewertet wuerden. Zu nennen seien Flaechenverbraeuche, Laerm, Luftschadstoffe, Klimaeffekte,
Zerstoerung von Naherholungsgebieten, Vernichtung wertvoller Biotope etc.). Mit den lnvestitionskosten, die als
Kostenpositionen baulichen Laermschutz und bauliche Massnahmen zur Minderung von Eingriffen in Natur und Landschaft
enthalten wuerden, seien diese volkswirtschaftlichen Kosten jedenfalls nicht abzudecken.

- Die Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von Verkehrsinfrastrukturmassnahmen wird angezweifelt. Diese wuerde
noch immer so betrieben wie vor 30/40 Jahren und neue Erkenntnisse in der Wissenschaft und Wirtschaft nicht mit einbeziehen.
Zu fordern sei eine Kosten-Nutzenbewertung, wie sie auch Anwendung fuer Wirtschaftsinvestitionen finde. Die
Investitionsgesamtsumme wuerde nicht ehrlich veranschlagt, das Pay-back sei viel zu gering, die Amortisation wuerde entweder
nicht beruecksichtigt oder ueber einen viel zu langen Zeitraum. Die Moeglichkeiten fuer errichtete Autobahnen
Wirtschaftslichkeitskontrollen (also eine Art nachtraeglicher Kosten-Controlling) durchzufuehren und aus den Differenzen zu
den seinerzeit unterstellten Wirtschaftlichkeitsannahmen neue Kriterien zu entwickeln - eine Selbstverstaendlichkeit fuer jedes
Unternehmen - werde nicht genutzt. Vor allen Dingen aber wuerden die zu erwartenden zwingenden Folgebaumassnahmen
weder in die Planung und gutachterliche Bewertung noch in die Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgenommen. Das gelte auch
fuer die geforderten und spaeter dann tatsaechlich durchgesetzten oekologischen Auflagen.

- Der BMV verweigere die Offenlegung seiner Grundlagedaten, die sowohl fuer seine eigenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen
als auch fuer die beauftragten Gutachter von erheblicher Relevanz seien. So sei z.B. derKosten-Nutzen-Faktor fuer die A20
von 4,3 (14.2.1991) auf 6,1 (9.4.1992) angestiegen.

- Die Autobahn werde scheibchenweise berechnet und bewertet. Zunaechst zoege man sich die verkehrstraechtigeren Bereiche
heraus. So sei erst einmal Luebeck-Rostock hochgerechnet worden. Dann wuerde die Strecke Luebeck-Rostock-Stralsund
bewertet., um die verkehrsaermere Region Rostock-Stralsund "im Huckepack" mitzunehmen. Als dritter Schritt wuerde unter
Zurhilfenahme der auf der Strecke Luebeck-Rostock-Stralsund produzierten und angezogenen Verkehre der Weiterbau
Richtung Al 1 (Stettin) begruendet. Dieser werde dann als zwingend notwendig bezeichnet, um die sonst durch den
prognostizierten Verkehr ueberlasteten Bundes-und Kreisstrassen zu entlasten. Offen werde auch zugegeben, dass z.B. die
Strecke Stralsund-Stettin durch nur sehr gering besiedeltes Gebiet fuehre und deswegen - so der BMV - die "Bewertung fuer
das Gesamtprojekt tendenziell niedriger" ausfallen wuerde.

- Der Gipfel der Manipulation werde erreicht, wenn die Bewertung der Strecke Luebeck-Rostock-Stralsund die Gesamtlaenge
bis Stettin begruenden solle, die sehr viel weiter suedlich geplant sei. Die Identitaet beider Strecken sei ueberhaupt nicht
gegeben, denn tatsaechlich sei nicht die Ostseeautobahn, sondern - was auch von Mitarbeitern des BMV zugegeben werde -
die B 105 von Luebeck bis Stralsund bewertet.

- Eine Autobahn koenne zwar in Abschnitten geplant werden, aber die Wirtschaftlichkeits- und Umweltbewertung muesse fuer
die gesamte Strecke erfolgen (das wuerden sicherlich auch die Vertragspartner verlangen, wenn der BMV seine
Leasing-Absichten fuer Autobahnen realisieren wolle).

- Die oekologischen Auswirkungen der prognostizierten Verkehrsentwicklungen, die die Autobahn begruenden, seien
apokalyptisch nicht nur fuer den Luebecker Raum, sondern europa- und weltweit. Sie wuerden nicht nur den letzten Anstoss
fuer die Zerstoerung unserer Lebensgrundlagen geben, sondern seien auch volkswirtschaftlich nicht zu verantworten, weil sie
u.a. vielen Wirtschaftsbetrieben die Grundlage entziehen wuerden.

- Eine Beschraenkung auf die drei Einflussparameter Motorisierungsgrad, Mobilitaet und Bevoelkerungsentwicklung sei
unzureichend angesichts des von allen Parteien proklamierten Umweltschutzes, der sogar als Staatsschutzziel ins Grundgesetz
aufgenommen werden solle. So werde beispielsweise der von der Bundesregierung beschlossenen Absicht, die
CO2-Emmissionen bis zum Jahre 2005 um 25 % zu senken, in keiner Weise Rechnung getragen. Veraltete Wachstumstheorien
stuenden zu dieser Zielsetzung im Widerspruch und wuerden daher auf ihnen beruhende Verkehrsprognosen wertlos machen.

- Mecklenburg-Vorpommern, das am duennsten besiedelte Land der Bundesrepublik Deutschland, werde in der
Verkehrsuntersuchung undifferenziert mit allen neuen Bundeslaendern gleichgesetzt.

- M + O erkenne nicht, dass die Verwirklichung der Prognosen ueberhaupt erst moeglich werde, wenn neue Strassen gebaut
wuerden. Denn ohne Strassenbau finde der in den Hochrechnungen vorhergesagte Verkehr ueberhaupt keinen Platz mehr auf
den Strassen. Mit anderen Worten: die A20 sei die Ursache dafuer, dass die prognostizierten Verkehrsmengen (mit den
weiteren zusaetzlichen Belastungen auf dem uebrigen Strassennetz) ueberhaupt eintreffen koennten. Insofern bestaetige das
Verkehrsgutachten, dass sich die A20 den Verkehr selbst schaffe (zumal auch der Anteil der auf der Strasse transportierten
Gueter weiter ansteigen werde), mit dem dann ihr Bedarf begruendet werde.

- Alternativen zur A20 wie z.B. der Ausbau vorhandener Strassen wuerden mit pauschalen und nicht begruendeten
Behauptungen (Unfallgefahr steigt, erhebliche zusaetzliche Verlaermung, oder zweispurige Strassen verstaerken Eingriffe in die
Natur) abqualifiziert oder in ihrer Wirkung immer nur vereinzelt betrachtet und nicht als integrierter Bestandteil einer alternativen
Gesamtloesung, zu der z.B. auch verkehrsordnungspolitische und planerische Massnahmen zur Laerm- und
Schadstoffminderung gehoeren wuerden.

- M + O wuerden mit ihrer Argumentation fuer eine A20 den Eindruck erwecken, dass Umgehungsstrassen im Bereich der
B105 und B104 in Mecklenburg-Vorpommern vermieden werden koennten. Dafuer gebe es keine Belege, das Gegenteil sei
eher der Fall, denn wegen der ortsfernen Trassierung der A20 in Mecklenburg-Vorpommern werde es nicht die erhofften
Entlastungseffekte in den Ortschaften geben.

- Die Folgen einer A20 besonders dann, wenn die gewuenschten komplementaeren Strassenausbau und -neubaumassnahmen
nicht oder erst sehr viel spaeter verwirklicht wuerden, wuerden systematisch verschwiegen oder heruntergespielt. Verschwiegen
wuerden auch die Belastungen der Folgeprojekte wie z. B. der jetzt geplanten westlichen Fortfuehrung der A20 mit der
Elbquerung bei Stade oder der von Wirtschafts- und Verkehrsminister Dr. Thomas favorisierten Elbquerung bei Brunsbuettel.

- Wie unsinnig die "Berechnungen" der Gutachter seien, sehe man an dem Ergebnis, dass ueber eine Suedvariante der
Ostseeautobahn im Jahre 2010 einige tausend Kraftfahrzeuge mehr Verkehr fliessen werde als auf der A24 zwischen den
beiden groessten deutschen Staedten Hamburg und Berlin. Nach ihren Prognosen koenne auch die von Nord nach Sued, von
Rostock nach Berlin, verlaufende A19 eine Kreisstrasse werden, denn die senkrecht dazu geplante A20 werde angeblich 2/3
des Nord-Sued-Verkehrs aufnehmen.

- Aus den Zahlen des Gutachtens koenne gefolgert werden, dass eine im Sueden Luebecks gefuehrte A20 im Jahre 2010
19.100 Kfz/24h von der A24 absaugen werde. Bei einem auf der A20 prognostizierten Verkehrsaufkommen von 32.700
Kfz/24h mache die abgezogene Verkehrsdichte einen Anteil von 58 % aus. Ohne diesen Absaugeffekt betruege somit die
Verkehrsdichte auf der A20-Sued 13.600 Kfz/24h. Dieses Verkehrsaufkommen koenne auf einer typischen Stadtstrasse
abgewickelt werden. Wer sich die Muehe mache, die absurde Groessenordnung der von M + O prognostizierten Verkehre
folgerichtig weiterzurechnen, kaeme z.B. zu der Notwendigkeit, wegen Ueberschreitung der Kapazitaetsgrenzen nicht nur die
A1, die A226 und die B75 zu verbreitern bzw. durch Parallelautobahnen zu ergaenzen, sondern auch das gesamte
nachgeordnete Strassennetz weiter auszubauen. Auch im uebrigen Schleswig-Holstein muessten kreuz und quer neue
Autobahnen gebaut werden.

- Die Untersuchung sei voll von tendenzioesen Annahmen und Unterstellungen. So wuerden Verkehrsalternativen wie eine
Attraktivitaetssteigerung der Bahn kurz und unsachlich diffamiert; die Nachteile der abgelehnten Loesungen (Null- und
Ausbauvarianten, Nordanbindung Luebecks) wuerden benannt und scheinbar objektiv mit Zahlen belegt, die Nachteile der
favorisierten Suedanbindung Luebecks an die beabsichtigte A20 aber konsequent verschwiegen oder heruntergespielt. Die
Gutachter wuerden ihrer Pflicht, Alternativen ernsthaft zu pruefen, nie gerecht.

- Im Hinblick auf die Glaubwuerdigkeit waere ein drittes Szenario notwendig gewesen, das von einer gestaltenden,
regulierenden Verkehrspolitik und einer Staerkung des oeffentlichen Verkehrs (Bahn und Bus) auf allen Ebenen ausgeht.

- Die geringe Ueberzeugungskraft von Prognosen und ihr oft vom Ergebnis bestimmter manipulativer Ansatz werde deutlich,
wenn man sich die unterschiedlichen Zahlen des gesamten Ost-West-Verkehrs in der Region Luebeck nach den vorliegenden
vier Studien und Untersuchungen vor Augen fuehre:

                                            Prognosen
 

A

Planungsstudie "Verkehrliche Auswirkungen der Grenzoeffnung in Luebeck", Hamburg Consult, September 1990

B

Gutachterstudie "Ostseeautobahn A 20", Dr. Ing. Baier GmbH, Aachen, August 1991
 

C

Verkehrsuntersuchung "Neubau der Bundesautobahn A20", Ingenieurgesellschaft Masuch und Olbrisch, Fassung 30.
September 1991

D

Verkehrsuntersuchung "Neubau der Bundesautobahn A20, Ingenieurgesellschaft Masuch und Olbrisch, Fassung 12. November
1991

Gesamter Ost-West-Verkehr in der Region Luebeck

(Kfz / 24h)
 1991A   2000B   2000C    2010D       2010
 22.800   85.000 110.000   41.100       60700
                                           55.500       82.400
               372 %      504% 180-243 %  226-375 %
100 %     100 %     135 %    48-65 %     71-97 %

- M + O habe in Hamburg im Zusammenhang mit einem anderen Strassenbauvorhaben ganz andere Verkehrsprognosen
gestellt. Danach sei im Jahr 2000 ein Plateau erreicht und dann wuerde der Verkehr langsam abnehmen. Bei diesem Gutachten
sei es aber darum gegangen, die Verkehrsentwicklung zu daempfen, um die Forderungen der Anlieger nach den gesetzlich
vorgesehenen Laermschutzmassnahmen zu unterlaufen bzw. zu reduzieren.

- Es werde zu wenig beruecksichtigt, dass die Reduzierung des Verkehrs auf einer Strasse zu sehr geringen Laermentlastungen
fuehre, der verlagerte Verkehr an einer anderen Stelle aber zu ungleich hoeheren, erheblichen Belastungen fuehre.

- Die Verkehrszaehlungen seien von M -+ O in einem Zeitraum, naemlich in den Monaten Juni und Juli 1991 durchgefuehrt
worden, in dem noch sehr grosse Unterschiede in den Konsum-, Freizeit- und Arbeitsangeboten vorhanden gewesen seien. In
diesen Monaten sei daher der Einkaufs-, Freizeit-, Versorgungs- und Berufsverkehr aus Mecklenburg-Vorpommern
unverhaeltnismaessig hoch gewesen. Es habe sich um eine verkehrliche Ausnahmesituation gehandelt, die nicht Grundlage einer
Verkehrsanalyse sein koenne.

- M + O unterstelle im Gegensatz zur allgemein anerkannten Fachmeinung bei der Betrachtung der Nullvariante, dass sich die
Verkehrszunahme - abgesehen von der Verlagerung - ebenso entwickeln werde wie bei dem Angebot einer leistungsfaehigen
Autobahn.

Die Bemuehungen, die Gutachter von M + O und deren Kritiker an einen Tisch zu bekommen, um zu versuchen, in einem
Gespraech moegliche Missverstaendnisse auszuraeumen und die verbleibenden kontraeren Positionen klar herauszuarbeiten,
bleiben leider wegen der nicht erfuellbaren Voraussetzungen, die beide Seiten fuer ein solches Treffen stellten, erfolglos.

In einer schriftlichen Stellungnahme, die sich gegen die Position des Umweltamtes Luebeck richtet, weist M + O darauf hin,
dass eine genaue Analyse etwaiger alternativer Loesungsmoeglichkeiten sowie des ruhenden Verkehrs nicht Gegenstand ihrer
Untersuchung sein konnte, da dieses bereits Gegenstand der Untersuchung des BMV bei der Ermittlung von Massnahmen im
Rahmen des Gesamtprojektes "Deutsche Einheit" gewesen sei.

- Zur Mobilitaet fuehren sie aus, dass diese als Anzahl der Fahrten pro Person pro Tag definiert werde. Die persoenliche
PKW-Verfuegbarkeit fuehre in aller Regel zu einem deutlichen Anstieg der Mobilitaet.

- Fuer die jaehrliche Fahrleistung sei keine Abminderung, sondern bezogen auf den Motorisierungsgrad allenfalls ein
gleichbleibendes Niveau implizit vorausgesetzt worden, weil die Shellvoraussagen einen Mittelwert angeben wuerden, der unter
den durch die Wechselbeziehungen zwischen alten und neuen Laendern sowie durch den gesteigerten Binnenverkehr der neuen
Laender zu erwartenden Werten liege. Auf dem Gebiet der neuen Laender seien aehnliche Steigerungen der jaehrlichen
Fahrleistungen wie in den alten Bundeslaendern zwischen 1975 und 1990 (120% auf Bundesautobahnen, 43 % auf
Bundesstrassen) zu erwarten, zumal ihr Mobilisierungsgrad 1991 dem der alten Laender von 1970 entspreche.

- Auch bei der Mobilitaet koenne nur ein Vergleich mit der Entwicklung der letzten Jahrzehnte in den alten Laendern die
Grundlage fuer die Prognose sein. Die Daten seien einer PROGNOS-Veroeffentlichung von 1990 entnommen. Aus den
tatsaechlichen Mobilitaetsanstiegen 1990 und den prognostizierten fuer 1990 bis 2010 sei danach von einem
Mobilitaetszuwachs in den neuen Laendern von 34% auszugehen. Der Durchschnitt der fuer die neuen Laender angesetzten
Mobilitaetsfaktoren (1,2 fuer Prognosefall B und 1,4 fuer Prognosefall A) liege mit 1,3 im Bereich dieser 34%.

- PROGNOS habe fuer die "zurueckgelegten Kilometer pro Person pro Tag" eine Steigerung von 41 % zwischen 1970 und
1990 festgestellt. Eine analoge Anwendung rechtfertige die Einschaetzung, dass in den neuen Bundeslaendern und in den von
ihnen stark beeinflussten ehemaligen Grenzbereichen nicht mit einem Rueckgang der jaehrlichen Fahrleistung gemaess
Shell-Mittelwerte zu rechnen sei.

In einem Gespraech beklagten sich die Verkehrsgutachter ueber die Einseitigkeit der Stellungnahme des Planungsbueros
Richter-Richards in der Bewertung von Pro- und Kontrapositionen. Dessen Verstaendnis und Kenntnis wurde in Frage gestellt
und ihm vorgeworfen, sich bei der Widerlegung der verschiedenen Verkehrsgutachten auf plakative Aussagen und nicht
beguendete Phrasen zu beschraenken. Es sei nicht fair, den Entwurf eines Gutachtens mit der Endfassung zu vergleichen und
Abweichungen dann zu interpretieren. Es gebe nur ein Gutachten von ihnen, naemlich das in der Endfassung vom 12.
November 1991. Die bekanntgewordene Fassung vom 30. September 1991 sei ein ueberarbeitungs- und
ergaenzungsbeduerftiges Manuskript gewesen und daher unerheblich.

Die angenommenen Steigerungen der Mobilitaet seien nur in dem Masse dem Individualverkehr zugeschlagen worden, wie
PROGNOS die Entwicklung der Individualverkehrsmobilitaet nachgewiesen habe. Schliesslich sei die Behauptung , dass die
Verkehre in der Region eine A20 nicht befahren wuerden, nur eine Einschaetzung des Bueros R-R, verkehrstechnische
Nachweise wuerden nicht gefuehrt. Die mehrfach zitierte Schwaechung des Wirtschaftsraumes Mecklenburg-Vorpommern
werde ausser durch einige Globalsaetze durch nichts untermauert. Tatsache sei aber, dass ohne eine funktionierende
Infrastruktur, zu der auch Fernstrassenverbindungen gehoeren wuerden, ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht moeglich sei.


 
 

4. Die verkehrs- und wirtschaftspolitische Bedeutung derA20
-   4.1. Auffassungen der Bundes- und Landesregierungen
-   4.2. Meinungen aus der Wirtschaft
-   4.3. Auswirkungen der A20 auf andere Verkehrstraeger und -wege
-   4.4. Verkehrspolitische Bedeutung der A20 fuer M-V
-   4.5. Bedeutung der A20 nach der Wiedervereinigung
 

4.1. Auffassungen der Bundes- und Landesregierungen

Die Verkehrs- und wirtschaftspolitische Bedeutung der A20 ist neben ihrer Bauwuerdigkeit und den Auswirkungen auf den
Naturhaushalt der dritte zentrale Streitpunkt. Die Position der LRe S-H findet sich u.a. in der Buergerinformation des MWTV,
im Bericht der Arbeitsgruppe der LReg zur A20 und in der Presseerklaerung der LReg vom 29.1.1992, die Auffassung der
Bundesregierung u.a. in der Veroeffentlichung ueber die "Projekte Deutsche Einheit" , in der Kosten-Nutzen-Bewertung vom
14.2.1991, im Entwurf des BVWP '92 mit Anlagen (Stand 9.4.1992) und in der Veroeffentlichung des BMV "Neue Wege
braucht das Land. Jetzt! Damit die Zukunft nicht auf der Strecke bleibt. Projekt 10 A2O/Luebeck-Stettin". Daneben gibt es
viele schriftliche und muendliche Aeusserungen von Politikerinnen und Politikern der Bundes- und Landesebene.

Obwohl Bundes- und Landesregierung den Bau einer Ostseeautobahn gleichermassen fuer notwendig halten, faellt die
verkehrs- und wirtschaftspolitische Einordnung in den oeffentlichen Aeusserungen unterschiedlich aus.

Sie haengt davon ab, wie die A20 definiert und welche Funktion ihr zugewiesen wird. So wird die A20 beguendet als
notwendige Verbindung zwischen

- Luebeck - Rostock,

- Luebeck - Rostock - Stralsund,

- Luebeck - Stettin.

- als Teilstueck

= einer A20, die westlich der Elbe an die A1 in Niedersachsen anschliesst,

= einer sog. Baltischen Magistrale, die ueber Gdynia, Kaliningrad, Riga, St. Petersburg nach Helsinki fuehrt
= einer transeuropaeischen Verbindung zwischen den Benelux-Laendern und dem Baltikum einerseits und zwischen dem
Baltikum und Skandinavien anderseits
und
als Luebecker Umgehungsstrasse.

Nach Auffassung der Landesregierung leistet die A20 u.a.

- einen wichtigen Beitrag zur noch dynamischeren Entwicklung des Ostseeraumes als einer der wichtigsten Wirtschaftsregionen
der Europaeischen Gemeinschaft,

- verhilft Schleswig-Hostein und dem gesamten Ostseeraum zu einer besseren Anbindung an das Verkehrsnetz der BRD und
der EG,

- gibt der wirtschaftlichen Entwicklung Ostholsteins wichtige Impulse,

- ist fuer die wirtschaftliche Entwicklung in der Hansestandt Luebeck und den umliegenden Regionen von grosser Bedeutung,

- verlagert die Durchgangsverkehre Luebecks auf die neue Strasse und ermoeglicht so, den Verkehr in der Stadt neu zu
organisieren,

- erschliesst die Ostseekueste regional, bindet sie ueberregional an, gibt der Wirtschaft in der Region M-V nicht zuletzt im
touristischen Bereich einen Anstoss fuer die Weiterentwicklung und
- macht den Lagevorteil der Ostseehaefen im Vorlandverkehr gemeinsam mit einer leistungsfaehigen Schienenverbindung im
Hinterland erst moeglich.

4.2. Meinungen aus der Wirtschaft

Fuer die Industrie- und Handelskammer zu Luebeck hat das "Ob" einer A20 nie zur Dispositon gestanden.

- Die Ostseeautobahn sei eine dringend notwendige Massnahme,

_ um die seit der Grenzoeffnung sprunghaft gestiegenen Verkehrsmengen und die zukuenftig noch zu erwartenden Zuwaechse in
Ost-West- und West-Ost-Richtung zu bewaeltigen,

_ da das vorhandene Strassennetz kapazitaetsmaessig nicht in der Lage sei, den Verkehr aufzunehmen und - auch unter
oekologischen Aspekten - nicht ausbaufaehig sei,

_ da der Ausbau des Schienenverkehrs, der fuer die Wirtschaft ebenfalls eine hohe Dringlichkeit habe, nicht als Alternative zur
A20 gesehen werden koenne,

_ denn sie wuerde die Wirtschaftsbeziehungen zwischen S-H und M-V verbessern und den Unternehmen helfen, sich neue
Maerkte zu erschliessen,

_ ein Verzicht wuerde fuer Luebeck und die umgebenden Gemeinden, gerade im Sueden der Stadt zu erheblichen
Verkehrsbelastungen fuehren und insgesamt die Wirtschaft Luebecks und Schleswig-Holsteins in den Windschatten der
Entwicklung geraten lassen.

- Dagegen habe es sowohl im Verkehrssauschuss als auch im Regionalbeirat der IHK zu Luebeck Diskussionen ueber die
Trassenfuehrung und zunaechst ein Votum fuer die Nordtrasse gegeben. Die Vollversammlung habe sich dann aber am
3.12.1991 fuer eine stadtnahe Suedtrasse ausgesprochen. Sie sei wirtschaftlich ' die interessantere, sichere mehr bestehende
und schaffe mehr neue Arbeitsplaetze in Luebeck und erschliesse neue Gebiete fuer das Wohnen und Arbeiten. Dabei
favorisiere die IHK Trasse Variante 4, akzeptiere aber auch eine etwas suedlicher verlaufende Fuehrung.

- Der Verkehrsausschuss macht in seiner Sitzung am 29.4.1991 deutlich, dass er die von der LReg geforderten und zum
BVWP angemeldeten Schienenprojekte zwar unterstuetze, aber seine eindeutige Prioritaet bei den Strassenprojekten und
insbesondere bei der A20 liege.

- Er bejaht oekologische Massnahmen bei der Realisierung dieses Bauwerkes im Rahmen der in der BRD ueblichen
Massstaebe. Vor ueberzogenen Forderungen muesse allerdings gewarnt werden, da sonst die Realisierung wegen zu hoher
Kosten in Frage gestellt werden koennte. Diese Befuerchtung wird wiederholt, als Herr Richter, MWTV, auf eine
entsprechende Frage antwortet, dass die im BVWP '92 fuer die A20 auf Schleswig-Holsteiner Gebiet veranschlagten 165 Mio
DM viel zu niedrig seien und ggbfs. nur die Kosten fuer eine Untertunnelung der Wakenitz abdecken wuerden.

- Die IHK fordert

_ die zeitgleiche Verlegung der B 207 aus Gross Groenau,

_ den zeitgleichen Ausbau der B 206 nach Bad Bramstedt ueber Bad Segeberg an die A7 und die Verlagerung der B 206 aus
Stockeisdorf und deren Anbindung an die Anschlussstelle Al/A20,

_ die Verlegung der B75 aus der Ortslage Hamberge und

_ den Bau von Park and Ride-Plaetzen an die beiden suedlichen Stadtzubringer Kronsforder Allee und die verlegte B 207.

- Zu den von der Landesregierung bzw. von der Arbeitsgruppe geforderten zeitgleich zu verwirklichenden
OePNV-Massnahmen aeussert sich der Verkehrsausschuss zurueckhaltender. Sie koennten zwar allgemein akzeptiert werden,
aber Bedenken bestuenden doch gegen eine zeitgleiche Realisierung. Da gebe es eine Reihe diskussionsbeduerftiger
Massnahmen so z. B. die Umfahrung des Luebecker Bahnhofs, der Ausbau des Faehr- und Schiffsverkehrs auf der Trave, der
Verkehrs- und Tarifverbund im Raum Luebeck, die Stadtbahn oder das Gueterverkehrszentrum. Ein Junktim der LReg von
A20 und diesen Massnahmen koenne.die IHK nicht gelten lassen. Dies sei nach den Worten von Herrn Richter auch nicht so
zu sehen. Die Darstellung auf den Seiten 21 - 31 des Berichts der Arbeitsgruppe sei eher als Ideensammlung, nicht aber als
sofort umzusetzende Konzepte anzusehen. Eine absolute Zeitgleichheit sehe er daher nicht. Im uebrigen liege ja auch die
Zustaendigkeit in erster Linie bei der Stadt Luebeck und im MWTV bei der Abtl. g. A5.

- Betont wird wiederholt die absolute Prioritaet der A20. Diese habe mit dem Schienenprojekt Luebeck - Bad Kleinen -
Rostock nichts zu tun. Die Verlagerungsfaehigkeit von Guetern von der Strasse auf die Schiene sei generell bescheiden, die
geplante Schienenverbindung wuerde keine Entlastung fuer die Strasse bringen. Wichtiger sei es, die (Schienen) Zu- und
Ablaufprobleme nach und von Luebeck zu loesen. Im uebrigen werde der Gueterverkehr auf der Strasse zu hoch bewertet, er
mache nur etwa 10 % aus, und das wuerde auch in Zukunft so bleiben. Bei der A20 sei der Gueterverkehr zu vernachlaessigen.

- Im Zusammenhang mit der A20 und den im BVWP `92 angekuendigten Absichten des BMV gibt der Verkehrsausschuss der
IHK dem Ausbau der B206 zwischen A2O/A1 bis zur A7 (Bad Bramstedt) den eindeutigen Vorzug gegenueber der
Fortfuehrung der A20 nach Westen. Denn er befuerchtet im letzten Fall, dass dann die A20 nicht mehr stadtnah an Luebeck
vorbei, sondern weiter suedlich gefuehrt werde. Dagegen befuerwortet er eine weitere Elbquerung moeglichst dicht an
Hamburg bei Stade zwischen der A1 in Niedersachsen und der A23 suedlich von Elmshorn als vordringlicher Bedarf mit der
Option einer Verlaengerung an die A1 in S-H ueber die A7 in spaeteren Jahren.

- Als ebenfalls vordringlicher Bedarf sieht der Verkehrsausschuss den vierspurigen Ausbau der B404 zwischen Kiel und
Bornhoeved. Mit dem weiteren vierspurigen Ausbau auf der ganzen Laenge bis Schwarzenbek wuerde sich der Druck auf eine
oestliche Elbquerung von selbst ergeben.

Die Bundesvereinigung Junger Unternehmer, Regionalverband Schleswig-Holstein, aeussert zu der offiziellen Bewertung der
Wirtschaft im Raum Luebeck Widerspruch.

- Die Bahn habe in der Wirtschaft eine grosse Sympathie, ein betraechtliches good will, aber die sachlichen Leistungen seien
katastrophal, weil die Bahn keine politische Lobby habe und seit Jahren straeflich vernachlaessigt werde. Nach einer Umfrage
der BJU seien viele Unternehmen grundsaetzlich bereit, auf die Bahn umzusteigen. Das setze aber hoehere Leistungsfaehigkeit
(Flexibilitaet und Geschwindigkeit) des Schienenverkehrs, besseres Management und vor allem eine Aufhebung der sehr
ungerecht zugeordneten Kostenlast von Strasse und Schiene voraus (im Gegensatz zum Guetertransport auf der Strasse muesse
die Bahn Bau und Unterhalt des Netzes mit der Folge dramatischer Verschuldung selbst bezahlen).

- Der BJU fordert daher einen verursachergerechten Preis fuer auf der Strasse transportierte Gueter. Hoehere Wegekosten
z.B. ueber den Benzinpreis und dem Gueterverkehr zugeordnete Strassenbeschaedigungs- und Umweltabgaben koennten
gleichzeitig zu einer Entlastung der Gewerbe- und Einkommensteuer fuehren, d.h. die Staatsquote bliebe gleich und die
Wirtschaft wuerde sogar noch entlastet, wenn sie die Schiene benutzen wuerde Der BJU haelt eine Umorientierung unseres
Steuersystems durch verstaerkte Einbeziehung von solchen Oekosteuern fuer notwendig-.

- Er befuerchtet, dass durch die Investition in die A20, also erneut in den PKW/LKW, ein zusaetzlicher Wettbewerbsnachteil
fuer die Bahn entstehe, der diese weiter zurueckwerfe.
- Die Frage nach den Alternativen sei nicht oder unbefriedigend beantwortet, die Forderung nach einem integrierten
Verkehrskonzept, das die Verkehre auf den Wasserwegen, der Schiene und der Strasse entsprechend der jeweiligen
Leistungsfaehigkeit zuordne, sei unerfuellt.

- Fuer die verkehrliche Erschliessung von Polen und des Baltikums seien gerade Autobahnen nicht geeignet, weil sie die
osteuropaeischen Laender zwaengen, in die Anschlussautobahnen zu investieren. Wegen deren Armut wuerde das
zwangslaeufig zu einer weiteren Vernachlaessigung ihrer Schienenwege und Eisenbahnen fuehren und damit wieder zu der
falschen, oekologisch nicht vertretbaren Weichenstellung zugunsten der Strasse und zulasten der Schiene.

- Zweifelos habe eine Autobahn Vorteile fuer die Wirtschaft, insbesondere neben dem Transportgewerbe fuer die
Bauwirtschaft und das Handwerk, weil der Durchdringungsgrad, der bei kleineren und mittleren Betrieben bei durchschnitlich
30 km liege, im Einzugsbereich der Autobahn auf 50 - 60 km steige. Damit gehe den ostdeutschen Betrieben ihre spezifische
Lokalitaet verloren - in der Regel wuerden sie wegen ihrer geringeren Produktivitaet und wegen des fehlenden Eigenkapitals
gegenueber westdeutschen Unternehmen - gleiche Loehne unterstellt (was ja nach Fertigstellung der Autobahn der Fall sein
werde) - nicht wettbewerbsfaehig sein (es sei denn, die Wegekosten wuerden betriebs- und volkswirtschaftlich korrekt
zugeordnet).

- Das gleiche Phaenomen - der Verlust der Lokalitaet/Regionalitaet fuer die heimische Wirtschaft - sei in der EG festzustellen:
nur durch die Vernachlaessigung vollkostendeckender Wegepreise, durch die Nichtberechnung der erheblichen oekologischen
Belastungen ("externe Kosten"), d.h. durch die Dauersubventionen der Transporte ueber die Strasse, sei die Ausweitung des
Marktes in Europa ("Milch aus Suedfrankreich in Luebeck") erklaerbar.

- Es sei falsch, den Aufschwung in M-V mit einer Autobahn bewirken zu wollen. Vielmehr muesse dort ein nach Prioritaeten
geordnetes Infrastrukturkonzept aufgestellt und umgesetzt werden.

- Angesichts der Verkehrsprobleme in der Welt sei es fuer die hochentwickelte Wirtschaft der BRD eine Notwendigkeit und
Herausforderung, neue, innovative, intelligente Verkehrssysteme zu entwickeln, die dann auch weltweit verkauft werden
koennten. Damit wuerden die vom Staat eingesetzten Mittel einen doppelten Zweck erfuellen. Investionen in Asphalt seien
dagegen ohne Zukunft und sinnlos.

- Eine ortsnah an Luebeck vorbeigefuehrte Trasse erfordere die Bereitstellung von erheblichen ortsnahen Ausgleichsflaechen.
Damit wuerde die weitere wirtschaftliche Entwicklung Luebecks im Sueden blockiert.


4.3. Auswirkungen der A20 auf andere Verkehrstraeger und -wege

Nach Auffassung der Kritiker der Ostseeautobahn fuehre das Engagement der Bundes- und Landesregierung fuer die A20
genau zum Gegenteil dessen, was in politischen Programmen und Reden immer wieder postuliert werde: den Verkehr so weit
wie moeglich auf umweltfreundliche Verkehrrstraeger zu verteilen und die Renaissance der Schiene zu betreiben.

Zwar sei das Schienenprojekt Luebeck-Rostock-Stralsund mit dem Abzweig Bad Kleinen - Schwerin - Hagenow Land als
Projekt "Deutsche Einheit" im BVWP '92 als vordringlicher Bedarf eingeordnet (251 km Laenge,Gesamtkosten 1, 1 5 Mrd,
davon 75 Mio DM auf Luebecker Stadtgebiet), aber tatsaechlich taete sich fuer die Umsetzung so gut wie gar nichts. Es gebe
keine Planungsunterlagen, keine Gutachten, keine erkennbaren Fortschritte. Die zustaendigen Verwaltungsbeamten wuerden
ohne politische Unterstuetzung und oeffentliche Rueckkoppelung vor sich hinplanen.

- der geplante Abzweig Bad Kleinen - Schwerin Hagenow Land sei fuer den Gueterverkehr in dieser Region sicherlich eine
sinnvolle Streckenfuehrung, dem Personenverkehr drohe allerdings gegen jede sachliche Grundlage, von Luebeck nach
Schwerin weggefuehrt zu werden. Folgerichtig solle danach der Streckenabschnitt Luebeck - Bad Kleinen eingleisig bleiben
und allein fuer den Personenverkehr genutzt werden. Diese Absichten wuerden sich aus grundlegend unterschiedlichen
Bewertungen des Verkehrsaufkommens durch die Planer der A20 und die Deutschen Bahnen ergeben, oder aber die
Deutschen Bahnen wuerden bereits die durch die A20 bewirkten Verluste an Fahrgastaufkommen antezipieren. Fakt sei
jedenfalls, dass es - obwohl der BMV fuer beide Bereiche zustaendig sei - keine verkehrswegeuebergreifenden Prognosen
gebe.

- Jeder rechne fuer sich-, oder aber die Zahlen wuerden der Oeffentlichkeit nicht bekannt gegeben. Folge: Bau einer neuen
Autobahn zur Bewaeltigung der prognostizierten Verkehrsstroeme und Festhalten an der ohnehin beschraenkten
Schienenkapazitaet.

- Im Ergebnis wuerde durch den Verzicht auf den zweispurigen Ausbau und auf die Elektrifizierung der Strecke Luebeck - Bad
Kleinen, deren Zustand als Regionalbahn festgeschrieben und die lnterregio-Verbindung an Luebeck vorbei von Hamburg
ueber die Strecke Buechen - Schwerin -Bad- Kleinen - Rostock- Stralsund gefuehrt. Damit werde die Absicht offensichtlich:
die parallel zur geplanten A20 verlaufende und schon vorhandene Schiene werde in ihren Moeglichkeiten blockiert, um die
Bauwuerdigkeit der Ostseeautobahn nicht ad absurdum zu fuehren.

- Notwendig sei es dagegen, die vier Ballungsgebiete an der deutschen Ostseekueste Luebeck, Wismar, Rostock und
Stralsund auf dem Schienenwege zu verbinden. Gegenwaertig sei Wismar voellig unzulaenglich angeschlossen, deswegen
wuerden die dort Lebenden auf die Strasse gezwungen. Vorrangig sei daher der Bau einer Schienenverbindung von
Grevesmuehlen nach Wismar (ca 20 km), um die Stadt aus ihrem "Eisenbahnabseits" herauszuholen, bei gleichzeitigem Ausbau
der Strecke Wismar - Bad Doberan - Rostock.

- Mit der Ergaenzung des Schienenprojektes "Deutsche Einheit" Luebeck-Hagenow Land - Rostock -Stralsund um

_ den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke Luebeck-Bad Kleinen,
_ die Schaffung einer Schienenverbindung Grevesmuehlen - Wismar und
_ den Ausbau der Strecke Wismar - Bad Doberan-Rostock

waere bereits ein wichtiger Teil eines Alternativprogramms zur A20 gegeben.

Die A20 hat nicht nur Auswirkungen auf die West-Ostverkehre, sondern auch auf die Ost-Sued- und Ost-Nord-Verkehre mit
dem Transitkreuz im Luebecker Raum. Daher bestehen enge Zusammenhaenge mit der Verkehrsentwicklung auf der A1 und
den Folgen einer festen Fehmarn-Belt-Querung.

Gegen diese Querung werden grosse Bedenken vorgetragen, auch wenn sie nur - wie dies von der LReg S-H und der
daenischen Regierung angestrebt wird - als Schienenverbindung realisiert werden sollte.

- Zunaechst wird die politische Durchsetzbarkeit einer solchen "Beschraenkung" sehr skeptisch gesehen. So sei bekannt, dass
die Unternehmensgruppe "Scandinavian Link" die die Verkehrsverbindung privat finanzieren will/soll, mit 3 Mio Kfz/a
(gegenwaertig 1,2 Mio KfZ/a) plane, um die Wirtschaftlichkeit der Investitionen sicherzustellen. Fuer eine
"Nur"-Schienenverbindung wuerde die Wirtschaft kein Geld aufbringen, was die Realisierung mangels Mittel der oeffentlichen
Hand gefaehrden wuerde. So sei zu befuerchten, dass die feste Fehmarn-Belt-Querung gemeinsam mit der A20 als
Transportstrecke zwischen den Benelux-Laendern und dem Baltikum neben ihrer Funktion als Nord-Sued-Teilstueck auch die
noch fehlende Transitverbindung nach West- und Osteuropa schaffen werde. Luebeck liege dann im Schnittpunkt zweier
Transitachsen, denen gleichermassen hohe Transportraten zugesprochen werden:

_ Nord-Sued wegen des EG-Marktes,

_ Ost-West wegen der neuen Maerkte in Osteuropa.

- Der achtstreifige Ausbau der A1 sei dann zwangslaeufig. Auch der weitere Ausbau der A20 von 4 auf 6 Streifen sei dann nur
noch eine Frage der Zeit.

- Gleich, ob nur als Schiene oder als Schiene und Strasse: die feste Fehmarn-Belt-Querung werde den Ostseefaehren "das
Wasser abgraben" und damit fuer diesen Verkehrstraeger zu schweren Einbussen fuehren. Gemeinsam mit der A20 und der
geplanten weiteren festen Verbindung zwischen Skandinavien und dem Festland durch die Fortfuehrung der Autobahn A7
ueber Flensburg-Grossen Belt - Oeresund werde ein Autobahnring um die Ostsee gelegt, der die Ostsee selbst als
Verkehrsweg weitgehend bedeutungslos machen und schwere Einbussen auch fuer die Kuestenschiffahrt bringen werde.

- Die natuerliche "Baltische Magistrale" sei die Ostsee. Deren Moeglichkeiten wuerden durch die volkswirtschaftlich sinnlose
und oekologisch unverantwortliche A20 und andere Strassenbaumassnahmen verspielt. Hinzu komme, dass es
Schleswig-Holstein seit Jahren versaeumt habe, ein Landeshafenkonzept zu erstellen, das eine vernuenftige Aufgaben- und
Arbeitsteilung der Haefen herbeifuehre, um so den Schiffahrtsweg und die vorhandenen Hafeninfrastrukturen optimal zu nutzen.
Die osteuropaeische Oeffnung boete die Jahrhundertchance, den Ostseeraum ueber die jetzt wieder jedermann zugaengliche
Ostsee zu erschliessen und den Ostseehaefen eine neue wirtschaftliche Basis zu verschaffen. In diesem Zusammenhang wurde
auf das Beispiel Japan hingewiesen, wo in Teilen des Landes der gesamte Wirtschaftsverkehr mit dem Schiff durchgefuehrt
werde.

- Wenn es der LReg ernst sei, mit einer Nur-Schienenquerung ueber den Fehmarn-Belt, muesse sie sich fuer den zweigleisigen
Ausbau der Eisenbahnstrecke Bad Schwartau - Puttgarden einsetzen (der hoehere Prioritaet als die Elektrifizierung habe), statt
den Weiterbau der A1 von Oldenburg nach Heiligenhafen zu betreiben (was im uebrigen den Stau lediglich von Oldenburg nach
Heiligenhafen verlagern werde, die Weiterfuehrung nach Puttgarden indiziere und Zweifel an der Position der LReg - nur eine
Eisenbahnquerung ueber den Fehmarn-Belt zuzulassen - wecke).

- Die A20 sei ein Teil einer bestimmten Verkehrspolitik, die dadurch gekennzeichnet sei, dass Verkehrsprobleme mit immer
neuen Strassen geloest wuerden, wodurch neue Verkehre entstaenden. Die A20 sei daher auch ein Negativsymbol fuer falsche
Verkehrspolitik generell und dafuer, dass die verantwortlichen Politiker nichts gelernt und nichts verstanden haetten. Dem BMV
koenne man das ja nicht uebelnehmen, aber wenn MP Engholm davon spreche, die A20 sei "der letzte Suendenfall" und
notwendig, um "den real existierenden Verkehr zu bewaeltigen", dann sei das erschuetternd.

- Gleichzeitig zeige der Versuch, die A20 zu realisieren, auch, dass die von einigen Parteien erkannte Notwendigkeit einer
Trendwende in der Verkehrspolitik mit dem entschuldigenden Hinweis auf die Wiedervereinigung ignoriert werde, man
zurueckfalle in die Zeit des Wirtschaftswunders und der "VW-Kaefer-Verkehrspolitik" - Der Fortschritt 2000 werde dem
Opportunismus der Gegenwart geopfert, aufmuepfige Politiker zurueckgepfiffen und unter Druck gesetzt.

- Die A20 richte nicht nur Unheil in der Region an, die sie quere, sondern wuerde eine Reihe weiterer Strassenbauprojekte in
Ost- und Westeuropa - von Zubringer-, Verteiler- und Ablaufstrassen abgesehen - anstossen. Insofern sei die A20 nur die
Speerspitze fuer eine Fuelle neuer Strassenbauvorhaben, die alle - wegen der knappen oeffentlichen Kassen - mittel- und
unmittelbar zu Lasten umweltfreundlicherer Verkehrssysteme gehen wuerde. So sei der Bau der A20 auch Beleg dafuer, dass
bei den verantwortlichen Politikern in den zustaendigen Behoerden ueberhaupt nicht konzeptionell und uebergreifend gedacht
und gehandelt, sondern lediglich mit alten Instrumenten Stueckwerk realisiert werde.

- Von den Politikern werde erwartet, dass sie nicht von Dritten auf der Basis heutiger und in die Zukunft fortgeschriebener
Verhaltsweisen prognostizierte Bedarfe durch Strassenbaumassnahmen befriedigen, sondern durch aktive Gestaltung an
Verhaltensveraenderung mitwirken. So sei durchaus denkbar, ein Szenario "Umweltbewusstsein" anzunehmen, das davon
ausgehe, dass

_ das Umweltbewusstsein weiter wachse,

_ das Autofahren von einem Stau zum naechsten keine Freude mache,

_ die Bahn und der OePNV attraktiver wuerden,

_ das Autofahren teurer werde und die Energiepreise steigen wuerden,

_ die jaehrliche Fahrleistung pro PKW gleich bleibe.

Damit sinke das Verkehrsaufkommen cum grano salis gegenueber den Prognosen von M + O im Fall A auf 50% (halbiere sich
also) und im Fall B auf 66,6 % (reduziere sich um 1/3).

- Denkbar sei auch ein Szenario "Umweltschock" (spuerbare Gesundheitsschaeden, mess- und erfahrbare
Klimaveraenderungen, drastische Einschraenkungen der PKW- und LKW-Nutzung durch ordnungsrechtliche Massnahmen
etc.), das zu weiteren erheblichen Absenkungen im Jahre 2010 gegenueber dem heutigen Verkehrsaufkommen fuehren wuerde.
Eine Diskussion um eine A20 wuerde sich dann eruebrigen.

- Trendprognosen seien generell ungeeignet als Grundlage fuer verkehrspolitische Entscheidungen. Die blosse Fortschreibung
eines Trends sei keine Politik, vielmehr sei es notwendig, die Folgen einer Entwicklung mit allen Konsequenzen zu pruefen und
danach zu entscheiden, ob diese weiter gefoerdert werden solle oder ob eine Gegensteuerung erfolgen muesse.

- Wenn MP Engholm eine Vision habe fuer die Zukunft des Ostseeraumes und gleichzeitig die oekologische Wende postuliere,
dann sei das nur vereinbar mit einer visionaeren Verkehrspolitik, die ein umweltvertraegliches, zukunftsorientiertes
Verkehrssystem anstrebe. Oder er muesse sich verantwortlich bekennen zu der apokalyptischen Vision von oekologischen
Belastungen und Zerstoerungen unserer Lebensgrundlagen, die eine auf wachsenden Autoverkehr und dessen Befriedigung
durch Autobahnbau im Ostseeraum angelegte Verkehrspolitik anrichten wuerden.


4.4. Verkehrspolitische Bedeutung der A20 fuer M-V

Offiziell wird die A20 immer wieder mit der deutschen Wiedervereinigung und den Interessen der in M-V lebenden Menschen
begruendet. So wird davon gesprochen, dass
 

_ "die Schaffung leistungsfaehiger Verkehrsverbindungen fuer das Zusammenwachsen der neuen und alten Bundeslaender
unverzichtbar" sei (BMV Krause im Nov. 1991),

_ "es eine neue Lage gibt, die notwendige Anbindung der ostdeutschen Gebiete. Wir koennen doch nicht verlangen, dass
unsere neuen Mitbuerger sich mit einem geringeren Lebensstandard zufrieden geben als wir. Sie wollen ebenso Auto fahren -
ob es vernuenftig ist, sei dahingestellt."(MWTV Dr. Froschmeier, Okt. 1991),

_ "die A20 notwendig ist, weil durch die Wiedervereinigung ein Strassennetz des Jahres 1990 auf ein solches des Jahres 1938
stoesst. Im uebrigen verstehe ich, dass in diesem Jahrzehnt der Autobahnbau nicht mehr als geeignetes Mittel angesehen wird,
um Verkehrsprobleme zu loesen." (Luebecker Verkehrssenator Dr. Brock, Mai 1992) oder

_ "auch wenn berechtigterweise Zweifel an einer Prognose angebracht sind, die von einem fortdauernden Wachstum des
Verkehrs ausgeht, ist die Annahme einer Angleichung der Lebensverhaeltnisse im vereinigten Deutschland an den Stand der
alten Bundesrepublik nicht nur plausibel, sondern auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Mobilitaet auf Strasse und
Schiene, die in der alten Bundesrepublik als Selbstverstaendlichkeit betrachtet wird, kann den Menschen in den neuen
Laendern nicht vorenthalten werden." (Bericht der Arbeitsgruppe S. 20, Januar 1992).

Die Gegner der Ostseeautobahn stellen diese Gruende in Frage.

- Mit den genannten Motiven fuer die A20 wuerden sie in die Rolle derer gedraengt, die egoistisch seien, westdeutsche
Besitzstaende gegenueber den oestlichen Nachbarn bewahren, Hilfe verweigern wuerden.

- Wenn man sich aber naeher mit der Argumentation der Befuerworter befasse, trete der Aspekt der Naechstenliebe schnell
zurueck hinter die knallharten wirtschaftlichen Interessen u.a. der Stadt Luebeck, der regionalen und ueberregionalen
Wirtschaft, der Verkehrsverbaende, der Nutzniesser eines weitlaeufigen Autobahnnetzes in europaeischer Nord-Sued und
Ost-West-Ausrichtung. Mit der vom BMV verfolgten Westfortfuehrung der A20, die nun wirklich ueberhaupt nichts mit der
Wiedervereinigung zu tun habe, sei die "Katze aus dem Sack" gelassen.

- Urspruenglich sei ein Verkehrsvorhaben in M-V gar nicht vorgesehen gewesen. Nachdem es dann aufgrund besonderen
politischen Drucks des BMV aufgenommen worden sei, habe man die Bahnstrecke als optische Nachbesserung schnell
nachgeschoben, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wegen der Interessen S-H und der Stadt Luebeck sei
dann die Absicht, die Autobahn etwa bei Zarrentin an die A24 anzubinden, aufgegeben und ein Anschluss an die A1 im
Luebecker Raum in Aussicht genommen worden.

- Sicherlich sei es richtig, dass fuer den Aufbau eines Landes eine gute Verkehrsinfrastruktur erforderlich sei. Aber eine
Transitautobahn mache noch keine gute Verkehrsinfrastruktur aus, zumal dann, wenn mit einer Fertigstellung nicht vor 2000
gerechnet werden koenne und der wirtschaftliche Aufschwung schnell erfolgen solle. Deswegen wuerden die Menschen in M-V
die Instandsetzung der Strassen, der Bahnstrecken, der oeffentlichen Verkehrsmittel und - massvoll - den Bau von
Umgehungsstrassen benoetigen. In diese Massnahmen muesse das Geld vorrangig investiert werden.

- M-V habe die geringste Bevoelkerungsdichte in der in der BRD. In den Staedten und im Norden wohnen die meistens Bürger
deises Landes, in den weiter südlich liegenden landschaftlich besonders wertvollen Regionen wohnen am wenigsten Menschen.
In der Logik der Befuerworter der A20 muesste also im Norden zunaechst etwas getan werden, tatsaechlich aber laufe die
Ostseeautobahn durch die wenig bewohneten Gebiete; sie habe ja auch nicht - wie suggeriert werde - Rostock, sondern Stettin
zum Ziel.

- Von den 4 Ballungsgebieten Mecklenburgs seien Schwerin und Rostock bereits ans Autobahnnetz angeschlossen.. Fuer
Wismar und Stralsund muessten andere Loesungens der Verkehrsanbindung gefunden werden als durch den Bau einer
Autobahn (die fuer Stralsund ohnehin nur mit einem zusaetzlichen, bislang finanziell nicht abgesicherten "Zubringer" moeglich
waere).

- Rostock sei nur zu Beginn der Wiedervereinigung Konsummagnet fuer M -V gewesen. Bis zur Fertigstellung einer A20
haetten sich genuegend gleichwertige Einkaufsmoeglichkeiten in M-V ergeben. Dies sei auch im Sinne der regionalen
Wirtschaftsentwicklung der Verkehrsvermeidung erwuenscht. Die krampfhafte Aufrechterhaltung der Luebecksks als Einkaufs-
und Oberzentrum mit Hilfe einer A20 sei gerade das Gegenteil einer vorgegebenen Naechstenliebe fuer die oestlichen
Nachbarn.

- Luebeck stehe in Konkurrenz zu den mecklenburg-vorpommerschen Faehrhaefen Sassnitz, Rostock und Wismar und
versuche weiterhin eine Hauptrolle im skandinavischen Transitverkehr zu spielen. Mit der A20 erhoffe man sich einen weiteren
Wettbewerbsvorteil. Tatsaechlich wuerden aber die Faehrhaefen M-V mit leistungs- bzw. ausbaufaehigen Strassen und
Schienen ueber attraktive Nord-Suedverbindung verfuegen. Diese Standortvorteile sollten genuetzt werden - sie wuerden zu
einer sinnvollen Verteilung der Transitverkehrsstroeme ueber den deutschen Ostseeraum von West bis Ost fuehren. Nach dem
Bau einer A20 zum (vermeintlichen) Vorteil Luebecks wuerden die Nutzen fuer M-V vertan werden.

- Die Grenzoeffnung erfordere zunaechst die Wiederherstellung aller Verkehrsverbindungen und in Zusammenhang damit die
Entwicklung zukunftsweisender Verkehrsperspektiven wie z.B. eines Regionalbahnkonzepts, d.h. Herausloesung des
Schienenregionalverkehrs aus der zentralen Verantwortung der Deutschen Bahnen und Organisation in einer neuen
Traegerschaft z.B. der beiden Laender S-H und M-V sowie der betroffenen Kreise unter Einbeziehung von
Stadtbahnsystemen.

- Die Interessenlage Mecklenburg-Vorpommerns sei insbesondere von den westdeutschen Befuerwortern der A20 im Hinblick
auf die eigenen Wuensche nie ernsthaft untersucht bzw. verfolgt worden. So habe z.B. die Bundesforschungsanstalt fuer
Landeskunde und Raumordnung nach einer Raumwirksamkeitsanalyse des Fernstrassenbaus erkannt, dass sich durch
Fernstrassenbau in peripheren, laendlichen Regionen keine grossraeumigen Beschaeftigungseffekte ergeben. Obertragen auf
den Bau der geplanten Autobahn heisst das, durch den Bau der A20 werde sich in den Gebieten, die sie in M -V quere, kaum
ein Industrie- oder Gewerbebetrieb ansiedeln zusaetzlich zu denen, die aus anderen Gruenden diese Region bevorzugen
wuerden. Eine Ausnahme gelte fuer die Strassentransportbetriebe wie Speditionen (die die eigentlichen Nutzniesser des
Fernstrassenbaus seien), Lagereien, Umschlagsplaetze, Werkstaetten und Tankstellen. Zu befuerchten sei vielmehr - so die
genannte Analyse - dass die verbesserte Anbindung die Sogwirkung auf die laendlichen Arbeitsmaerkte, d.h. die Abwanderung
qualifizierter Arbeitskraefte steigere und dadurch eher negative Effekte des Fernstrassenbaus eintreten wuerden.

- Weiter wird hingewiesen auf die Untersuchung des Instituts fuer Regionalforschung der Universitaet Kiel ueber
Wirischaftsstruktur und Entwicklungsperspektiven des Landes M-V im Auftrag der Staatskanzlei der LReg S-H. Diese vertritt
zwar auch die Auffassung, eine suedlich der Kueste verlaufende Autobahn mit dem ersten Teilstueck
LuebeckSchwerin(!)-Rostock solle ins Auge gefasst werden, sieht jedoch die absolute Prioritaet in der Verbesserung des
Telekommunikationssystems, der Schaffung voll erschlossener Industrie- und Gewerbeflaechen und in dem Ausbau des
Schienenweges Luebeck - Bad Kleinen - Rostock - Stralsund sowie in der schnellen Strassenverbindung Rostock - Schwerin
als den beiden wirtschaftlichen Zentren des Landes.

- Die jetzige Trassenfuehrung laufe viel zu weit suedlich, um die erhofften Entlastungen vom Durchgangsverkehr fuer die an der
B 105 liegenden Ortschaften zu bringen. In einer Modelluntersuchung des Deutschen Instituts fuer Urbanistik zur Ortsumgehung
Wismar vom Januar 1992 (Zwischenbericht) sei belegt, dass die Effekte gegenueber einer engen Umgehung ("sehr positiv") und
einer Umgehung als Ring ("positiv") bei einer Autobahn und Tangente nur "durchschnittlich " seien. Mit der Entfernnung nehme
dieser "durchschnittliche" Entlastungseff ekt weiter ab.

- Ausweislich der Dokumentation des 1. Kongresses der Denkfabrik S-H vom 24. Nov. 1989 in Kiel komme der
Abteilungsleiter im lfo-Institut, Muenchen, Dr. G. Nerb, zu dem Ergebnis, dass 95 % des grenzueberschreitenden
Strassengueterverkehrs zwischen der BRD und Skandivavien durch S-H fliessen, ohne dass dadurch besondere Gewinne fuer
den Wirtschaftsraum entstaenden. Daraus leite er die Forderung ab, dass sich die LReg fuer eine Vedagerung des
Strassenverkehrs auf die Schiene einsetze. Die A20 werde in M-V ebenfalls nur die Funktion eines Transitweges zwischen
Ost- und Westeuropa haben, der dem Land keine Gewinne, aber die gesamten Umweltlasten bringen werde. Die
wirtschaftlichen Vorteile wuerden jeweils an den Endpunkten dieses Verkehrsweges entstehen. Festzustellen sei, dass sich die
A20 den Sonderstatus eines Verkehrsprojektes "Deutsche Einheit" erschlichen habe. Tatsaechlich sei sie der Anfang einer
neuen Phase europaeischer Autobahnbaus wider alle Vernunft und oekologischen Erkenntnisse, um die Marktdurchdringung
mit Hilfe subventionierter Transportkosten abzusichern und zu verbessern. Schon im Hinblick auf die einseitige Lasten- und
Nutzenverteilung sei die Ostseeautobahn fuer M-V daher sozialunvertraeglich. Deswegen sei es ein Gebot der sozialen
Gerechtigkeit sie "zu verhindern", nicht aber, sie zu bauen.


 
 

4.5. Bedeutung der A20 nach der Wiedervereinigung

Nach der staatlichen Einheit Deutschlands müssen auch die wirtschaftliche und soziale Einheit voran gebracht und die Lebensbedingungen in Ost und West einander angeglichen werden. Eine entscheidende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern sind leistungsfähige und umweltgerechte Verkehrswege. Der Ausbau der bis Ende der 80‘er Jahre vernachlässigten Infrastruktur schafft Arbeitsplätze und macht die neuen Länder für Investoren aus dem In - und Ausland interessant. Die Verknüpfung mit dem vorhandenen Straßennetz im Westen ist zwingend.

Die verkehrspolitischen Entscheidungen in Schleswig-Holstein waren bis zur Öffnung der Grenzen auf eine Nord-Süd-Anbindung ausgerichtet. Eine Erschließung nach Osten war durch die Grenze nicht möglich. Das gilt im wesentlichen für alle alten Bundesländer. Deshalb hat die Bundesregierung mit ihrem Programm "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit", zu dem auch die Bundesautobahn A  20 als "VDE-Projekt Nummer 10" gehört, den prioritären Ausbau der Ost-West-Verbindungen beschlossen. Hinzu kommt, daß sich im Zuge der EU-Erweiterung rund um die Ostsee eine bedeutende maritim orientierte Wirtschaftsregion entwickelt, die mit der Öffnung zu Polen, den baltischen Staaten und Rußland zusätzliche Impulse erfährt.

Die Hansestadt Lübeck besitzt den bedeutendsten Ostseehafen der Bundesrepublik. Sie hat in ihrer geographischen Lage mit der Ostseeregion einen zusammenwachsenden europäischen Wirtschaftsraum als riesiges Entwicklungspotential vor der Haustür, das es zu gewinnen gilt. Gerade an einer Schnittstelle zwischen Wasser und Land kommt den Hinterlandverbindungen eine besondere Bedeutung zu. Die geplante A  20 bietet als "Baltische Magistrale" eine verbesserte Anbindung des Ostseeraumes und großer Bereiche des Landes Mecklenburg-Vorpommern an das westdeutsche und das europäische Verkehrsnetz.

Für das Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern bedeutet die A 20 eine wichtige Voraussetzung, um Investitionsentscheidungen im Hinblick auf den erwünschten wirtschaftlichen Aufschwung günstig beeinflussen zu können. Die A 20 wird die Erschließung strukturell schwacher Bereiche Mecklenburg-Vorpommerns durch eine Anbindung/Verbindung an die regionalen und überregionalen Wirtschaftszentren fördern.

Der Raum Lübeck hat nach der Vereinigung einen starken Anstieg der Verkehrsmengen insbesondere auf den Durchgangsstraßen zu verzeichnen. Diese Belastungen können im vorhandenen Straßennetz nicht verträglich abgewickelt werden. Die geplante A  20 soll diese Verkehrsströme bündeln, damit die heute von Lärm- und Schadstoffimmissionen stark beeinträchtigten Anwohner künftig verträglichere Wohnumfeldbedingungen erhalten. Die A 20 soll darüber hinaus mit der Entwicklung des Hochschulstandortes und von Gewerbegebieten im Süden der Hansestadt der Stadtentwicklung entgegenkommen.

 zur zur zur Quelle

 
 

5. Hansestadt Lübeck und die A20
-  5.1. Die Lübecker Bürgerschaft
-  5.2. Die Meinung der Stadt
5.3. Die Meinung der Bürger
-  5.4. "Grünes Licht für Bauarbeiten im Raum Lübeck" (Zeitungsbericht vom 02.02.01)
-  5.5. Karte: Lübeck und die Ostseeautobahn

5.1. Die Lübecker Bürgerschaft

Viele Beitraege in der Eroerterung haben sich mit den besonderen Beziehungen zwischen der geplanten A20 und der Stadt
Luebeck befasst. Fuer die Begruendung dieser Autobahn in der oeffentlichen Diskussion spielen die Interessenlage der Stadt
und insbesondere die Auswirkungen auf die Innerstaedtische Verkehrssituation wichtige Rollen. Am 26.3.1992 hat die
Luebecker Buergerschaft mit den Stimmen der CDU und SPD beschlossen:

"1. Die Buergerschaft der Hansestadt Luebeck fordert den Anschluss Luebecks an die Ostseeautobahn A20.

2. Die Verkehrsfuehrung und Anbindung an die A1 hat im Sueden der Stadt zu erfolgen. Dabei sind die Interessen der
Menschen sowie der Oekologie zu beruecksichtigen.

3. Bei der Festlegung der Trasse muessen gewachsene Siedlungen und Doerfer erhalten bleiben. Es wird deshalb gefordert,
einen deutlichen Abstand von besiedelten Gebieten einzuhalten und - falls erforderlich - Tunnelloesungen vorzusehen."

Es liegen zwei von der Verwaltung der Stadt Luebeck in Auftrag gegebene Studien/Gutachten (siehe Seite 1 von Ziff 31) vor -

"Verkehrliche Auswirkungen der Grenzoeffnung in Luebeck" von Hamburg-Consult, Aug. 1990 (veroeffentlicht in "Luebeck
plant und baut", Heft 25) und

"Ostseeautobahn A20 - Anbindung Luebeck", BSV, Aachen, Aug. 1991 (veroeffentlicht in "Luebeck plant und baut", Heft 34)
-

sowie Stellungnahmen von drei Senatsaemtern - Gruenflaechenamt vom Oktober 1991, Stadtforstamt vom Oktober 1991 und
Umweltamt vom Januar 1992 - vor.

Eine Stellungnahme des Luebecker Senats gibt es nicht, bzw. sie ist dem Berichterstatter nicht bekannt. Daher werden in
diesem Bericht nur Positionen und Argumente aufgenommen, die die Herren Senatoren Dr. Zahn, Dr. Brock (zugleich
Vorsitzender der Luebecker CDU-Fraktion) und Szameit (zugleich Vorsitzender der SPD-Fraktion) im Rahmen der
Eroerterung geaeussert haben. Auf die o.g. Papiere wird verwiesen.


5.2. Die Meinung der Stadt

Durch den Zeitdruck, mit dem die Entscheidung fuer die A20 vorangetrieben werde, sei die Hansestadt Luebeck in
erhebliche Schwierigkeiten geraten. Der Senat und der von ihm beauftragte Gutachter BSV-Dr. Baier haetten daher auch nur
wenige Monate Zeit gehabt, um sich in die Diskussion um die Trassenfuehrung einzuschalten.

Die Stadt selbst haette von sich aus nie den Bau einer Autobahnumgehung zugunsten Luebecks gefordert oder betrieben. Aber
als deutlich geworden sei, dass sich die Landesregierung fuer eine Anbindung der A20 im Raum Luebeck an die A1 einsetze
und es dazu auch eine grundsaetzliche Zustimmung des BVM und aus Mecklenburg-Vorpommern gebe, sei es
selbstverstaendlich gewesen, sich in die Diskussion um eine fuer Luebeck moeglichst guenstige Trassenfuehrung einzuschalten.

D.h. Luebeck habe in dieser Sache weder Handlungsmacht noch Entscheidungsbefugnis, sondern muesse versuchen, das Beste
daraus zu machen. Dabei stehe die Stadt vor der Entscheidung, auf eine nicht genau abzuschaetzende Verkehrsentwicklung, die
durch die regionalen Wirtschaftsverkehre zwischen Mecklenburg-Vorpommern und dem Luebecker Wirlschaftsraum (Bad
Segeberg/Kiel) verursacht wuerden. zu reagieren oder die zusaetzlichen Durchgangsverkehre tatenlos zu akzeptieren. Bei ihren
Ueberlegungen habe sich die Stadt an den bereits beschlossenen Entwicklungsgrundlagen fuer

                                             Wohnen,
                                           Verkehr und
                                             Gewerbe

orientiert und die Vereinbarkeit bzw. Foerderung der dort festgelegten Ziele mit den verschiedenen Trassenfuehrungen
abgeglichen. Die Bedarfe Wohnen, Verkehr und Gewerbe seien auch in den Flaechennutzungsplan, der drei Monate vor der
Grenzoeffnung fertiggestellt worden sei, eingegangen. Er sei sicherlich durch die Wiedervereinigung ueberarbeitungsbeduerftig.
Fest stuende aber, dass Luebeck bis zum Jahre 2000

                              7-8.000 Wohnungen mit einem Flaechenbedart
                                        von 130 - 145 ha und
                                     etwa 150 ha Gewerbeflaechen
                            - davon decke das jetzt gerade beschlossene Gewer-
                                  begebiet Roggenhorst ca. 60 ha ab -

benoetige. Rechne man dazu etwa das zwei- bis dreifache an Ausgleichsflaechen, bestuende ein Flaechenbedarf von 800 -
1000 ha. Es muesse dahingestellt bleiben, ob sich diese Flaechen ueberhaupt innerhalb des Stadtgebietes finden lassen
wuerden, aber sicher sei, dass im Norden der Stadt - bis auf vereinzelte Wohnbauflaechen - ueberhaupt keine
Entwicklungsmoeglichkeiten mehr bestuenden. Ausschliesslich im Sueden und Westen der Stadt boeten sich Loesungen an.

[ Auslassungen wegen schlechter Vorlage ! ]

Man muesse im uebrigen damit rechnen, dass fuer zukuenftigen Wohnungsbau Entfernungen von 1.500 m und mehr von
Autobahnen gefordert werden wuerden. Schon aus diesem Grund duerfe sich Luebeck nicht die Zukunft durch zwei sie wie
Zangen einengende Autobahnen verbauen. Auf entsprechenden Einwand problematisiert er den Anschluss der von ihm
favorisierten "Eymer-Linie" an die A1. Bei Reecke sei dies wegen grosser technischer Schwierigkeiten wohl kaum
durchfuehrbar. Die Anbindung muesse daher geringfuegig weiter nach Sueden verschoben werden.

Auf die Ablehnung der suedlichen Trasse durch das Umweltgutachten S + D hingewiesen, antwortet Senator Dr. Brock, dass
"man heute Gutachten fuer jede Meinung bekommen" koenne. Gutachten seien Hilfen fuer die politische Meinungsbildung, sie
koennten lediglich Bandbreiten definieren, die Entscheidung muessten dann - mit allen Risiken und in Uebernahme der
Verantwortung - die politischen Gremien treffen.

Offen sei nach seiner Auffassung, wie sich Mecklenburg-Vorpommern zu den diskutierten Trassenvarianten stelle und ob die
dortige Landesregierung im Hinblick auf die Konkurrenzsituation zwischen Luebeck und Wismar ihre wirtschaftlichen
Interessen nicht besser durch eine Anbindung an die A24 gewahrt sehe. Sicher sei jedenfalls, dass Mecklenburg-Vorpommern
eine weniger widerstandsbelastete Trassenfuehrung ausserhalb des Luebecker Raumes fordern werde, wenn Planung und
Genehmigung nicht zuegig durch ein Massnahmengesetz zum unanfechtbaren Abschluss gebracht wuerden.

Bezogen auf die Luebecker Situation hat der damalige Staatssekretaer und jetzige Minister fuer Wirtschaft, Technik und
Verkehr, Dr. Uwe Thomas, auf dem Parteitag der Luebecker SPD und auf einer oeffentlichen Veranstaltung auf die
gruendlichen Bewertungen und Abwaegungen im Arbeitsbericht verwiesen und insbesondere hervorgehoben:

- Ein Massnahmengesetz schraenke Buergerbeteiligung und die UVP ein. Die Landesregierung werde diese Einschraenkungen
nicht akzeptieren, sondern eine "als ob" Buergerbeteiligung und eine UVP gewaehrleisten. Die Buergerbeteiligung werde ernst
genommen, Erfahrungen und Kenntnisse vor Ort sollten genutzt werden.

- Luebeck wachse in die Rolle eines Oberzentrums. Das erfordere infrastukturelle Massnahmen, um die Chancen,
Arbeitsplaetze zu erhalten und neue zu schaffen, nutzen zu koennen. Fuer zusaetzliche Entwicklungen biete der Sueden
Luebecks die einzige Moeglichkeit und muesse entsprechend erschlossen werden.

- Notwendig sei eine verkehrliche Gesamtkonzeption fuer Luebeck, fuer die die Arbeitsgruppe Grundlagen erarbeitet habe (S.
21-31 des Berichts) - die A20 sei aber ein unverzichtbarer Baustein in diesem Loesungsansatz.

- Die Fehmarnbeltquerung werde nach den Vorstellungen der Landesregierung als reiner Schienentunnel gebaut. Nur so koenne
man die Gueterverkehre der Vogelfluglinie auf die Schiene bringen und damit Entlastungen auf der A1 und fuer Luebeck
erreichen. Die Nutzung von LKW und PKW muessten veraendert, drastisch reduziert werden, das aber ginge nicht von heute
auf morgen.

- Eine Nullvariante bringe keine Loesung der anstehenden Probleme und werde daher verworfen.

- Zunaechst sei auch von ihm und der Landesregierung die Nordtrasse praeferiert worden. Aber das Verkehrsgutachten und
weitere Ueberlegungen haetten die Erkenntnis gebracht, dass die Verkehre im Sueden bleiben wuerden - dem muesse die
Trassenfuehrung neben anderen Ueberlegungen Rechnung tragen.

- Die Suedtrasse fuehre zu schwerwiegenden oekologischen Belastungen, aber ueber die Frage, wie man das vermeiden bzw.
mildern koenne, muesse man sich sachlich unterhalten. Ohne Suedtrasse waere im Sueden eine Sued-West-Tangente
notwendig. Diese und die sonst erforderliche Ratzeburger Umgehung koennten jetzt entfallen. Es sei ein Gebot, die
Autoverkehre zu buendeln, um einer flaechenhaften Belastung durch die Verkehrsemissionen entgegenzuwirken.

- Es gebe keine Idealloesungen - auch der Schienenbau stelle einen schweren Eingriff in den Naturhaushalt dar und wuerde die
Proteste der Betroffenen ausloesen. Die Herausnahme der B207 aus Gross Groenau, kombiniert mit einer Verlegung der A20
in Tunnellage wuerde vor Ort insgesamt zu Verbesserungen fuehren. Wegen der Tunnelbauwerke werde es sicherlich noch
Auseinandersetzungen mit dem BMV geben, aber die werde man bestehen.

- Die Verkehrspolitik der Landesregierung sei auf das Zusammenwachsen des Ostseeraumes gerichtet. Dabei sollten die
Verkehre gebuendelt werden, um die Menschen vor den Belastungen so gut wie moeglich zu schuetzen. Die Landesregierung
sei aber in ihren Moeglichkeiten weitgehend von der Bundesregierung abhaengig.


5.3. Die Meinung der Bürger

Die Buerger, die eine Ostseeautobahn generell oder in einer stadtnahen suedlichen Fuehrung ablehnen, sehen die
behaupteten wirtschaftlichen, verkehrsentlastenden und entwicklungsfoerdernden Vorteile fuer Luebeck nicht. Sie halten auch
eine Autobahn mit Tunnelfuehrung und Abdeckung in den sensiblen Bereichen fuer oekologisch nicht vertretbar und den
betroffenen Menschen nicht zumutbar:

- DieVerkehrsprobleme in der Region Luebeck seien nicht durch die Grenzoeffnung bedingt, sondern Folge jahrzehntelanger
Versaeumnisse in der Verkehrspolitik und -planung. Zwar sei es richtig, dass Luebeck unmittelbar nach der Oeffnung nahezu
"ueberflutet" worden sei von den PKWs der damals noch DDR-Buerger und der westdeutschen Schaulustigen, die nach Osten
gereist seien. Diese Situation habe sich aber nach einigen turbulenten Monaten normalisiert.

- Im Luebecker Stadtgebiet seien die Staus hausgemacht. Vor dem November 1989 seien waehrend der Zeit von 15.30 -
18.30 Uhr, in der die taeglichen Staus in der Friedenstrasse, der Schwartauer Allee, der Fackenburger Allee, der Ratzeburger
Allee, am Lindenplatz oder dem Berliner Platz Normalitaet seien, 96 % innerstaedtischer und Umlandverkehr und nur 4 %
Durchgangsverkehr gewesen. Gegenueber 375.000 Kfz/24h, die in Luebeck vor der Grenzoeffnung ermittelt worden seien,
seien danach durch den zusaetzlichen Ost-West-Verkehr ca. 9.100 Fahrzeuge dazugekommen, die sich auf die Wesloer
Landstrasse, die Ratzeburger Allee und die Autobahnanschlussstellen verteilen wuerden. Diese Steigerungsrate von 2.4 % sei in
den alten Bundeslaendern vor dem November 1989 als allgemeine Verkehrssteigerung oft schon in weniger als einem Jahr
erreicht worden.

- Die A20 werde die behaupteten Verkehrsentlastungen des innerstaedtischen Strassennetzes nicht bringen. Das Gegenteil sei
der Fall. Eine ortsnah gefuehrte Umgehung koenne nur dann Entlastungsfunktion wahrnehmen, wenn sie auf lokale und regionale
Verkehre ausgerichtet sei.

- lmmer wieder vorgetragen wird die Argumentation aus den Stellungnahmen des BUND und des Luebecker Umweltamtes,
wonach es - die von M + O fuer die Variante A prognostizierten Verkehre im Jahre 2010 unterstellt - keine Entlastungen,
sondern zusaetzliche Belastungen ergeben werde. Dies werde in der Gegenueberstellung der zu erwartenden Zuwachsraten fuer
das bestehende innerstaedtische Strassennetz ausserhalb der jeweiligen Autobahnabschnitte fuer verschiedene Netzvarianten
deutlich:

      Strasse              Nullnetz            Nord            Suedvariante
 Ratzeburger A.          120%            120%                 120%
 Schlutuper Str.           210%            190%                 180%
 Arnimstrasse              210%            190%                 180%
 Umgehung Schlut.      220%            160%                 140%
 Wesloer Weg            210%            160%                 180%
 Travemuender A.       210%            200%                 160%
(Hoehe Karlshof)
 Brandenbaumer Lstr. 210%            210%                  210%
(Hoehe Stadtgr.)

(Verhaeltnis der Verkehrsmengen 1991 und 2010 in % Bezugsbasis 1991 100 %)

Es seien also in jedem Fall starke Verkehrszunahmen festzustellen und damit wuerden sich starke zusaetzliche Laerm- und
Luftbelastungen ergeben. Die vom Buerger empfundenen Belastungsunterschiede durch Laerm und Schadstoffe z.B. 160 %
und 210 % seien gering. Diese Wahrheit werde den Buergern verschwiegen und nicht erfuellbare Hoffungen durch den Bau der
A20 erweckt. Das vorhandene staedtische Strassennetz koenne die prognostizierten Verkehrsmengen auch bei Realisierung der
A20 nicht aufnehmen, besonders kritisch seien die Belastungen an den Knotenpunkten.

- Sollten sich die prognostizierten hohen Zuwachsraten bestaetigen (weil man ihnen nicht entgegenwirkt, sondern sie durch
bauliche Massnahmen unterstuetzt habe), dann waere der Autobahnbau allein deshalb in Frage zu stellen, weil dann nur noch
auf der Trasse selbst der Verkehr staufrei fliessen koennte, nicht aber auf den Zubringern und Stadtstrassen.

- Im Verkehrsgutachten werde das Problem des ruhenden Verkehrs ausgeblendet. Wenn sich der Verkehr wie vorhergesagt
entwickeln sollte, wo solle dann der erforderliche Parkraum geschaffen werden?

- Die A20 sei keine auf das regionale Verkehrsaufkommen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
ausgerichtete Strasse, sondern sie diene als grossraeumige Verbindungsstrasse des ueberregionalen Verkehrs und werde zu
einer erheblichen Steigerung im Personen- und Gueterverkehr beitragen.

- Damit wuerden zusaetzliche Verkehre herangefuehrl, von denen ein Teil als innerstaedtischer Durchgangsverkehr Luebeck
zusaetzlich belasten werde.

- Damit werde auch der Verzicht auf die West-Sued-Tangente in Frage gestellt. Wahrscheinlicher sei, dass sie wegen der
eintretenden zusaetzlichen innerstaedtischen Belastung auch noch gebaut werden muesse.

Schon wegen des Heranfuehr- und Sogeffektes der A20 und der fehlenden Regional- und Lokalfunktion stimme die
Behauptung, durch die Ostseeautobahn werde die autofreie Innenstadt Luebeck gefoerdert, nicht. Tatsaechlich wuerde der
Buerger mangels Alternativen gezwungen, die autofreie Innenstadt mit dem Auto anzufahren. Um den Schein eines
oekologisches Innenstadtverkehrskonzeptes zu wahren, wuerden die Autos dann auf riesigen P + R-Plaetzen mit weiteren
Umweltbelastungen und Flaechenversiegelungen abgestellt. (So wehren sich insbesondere die Doerfer Wulfsdorf/Vorrade
dagegen, der zukuenftige Parkplatz fuer Luebecks Innenstadt zu werden und mit der A20 auch noch die Zufahrt fuer diesen
Parkplatz aufgezwungen zu bekommen. (Buergermeister Bouteiller wird die Aeusserung zugeschrieben, "die A20 sei der
Stauraum fuer die Luebecker Innenstadt." Mit Kfz-Verkehrsvermeidung, Kfz-Verkehrsreduzierung, Veraenderung des
Modal-Split zugunsten Radverkehr, Fusswege und OePNV habe das alles nichts zu tun.

- Vereinzelt wird in der Diskussion auch verwiesen auf die Planungstudie von Hamburg-Consult, die sieben Ergaenzungen im
Strassennetz und fuenf Projekte zur Verbesserung des OePNV-Angebots vorschlaegt. Zwar enthalten die dem
Individualverkehr

- zugeordneten Projekte auch eine Ost-West-Autobahn Rostock-Wismar-Luebeck (-Hamburg/Unterelbe) mit Anbindung an
die A1 noerdlich von Reinfeld, aber in der Prioritaet erst nach den sechs anderen Projekten. Daraus ergebe sich die Forderung,
erst einmal die Machbarkeit und Durchsetzbarkeit dieser Massnahmen sowie deren Effektivitaet zu pruefen, bevor ein
Autobahnbau propagiert werde.

- Die Luebecker Buerger wuerden den Sueden als Naherholungsgebiet brauchen, um in der Naehe zu bleiben und sich auch
ohne Auto erholen zu koennen. Mit der Zerstoerung dieser Gebiete durch die Ostseeautobahn zwinge man sie, mit dem Auto
entfernt liegende Erholungsgebiete aufzusuchen und produziere damit neue Autoverkehre.

- Die Menschenvertraeglichkeit der geplanten Autobahn trete viel zu stark in den Hintergrund. Die sozialen, lokalen und
stadtentwicklungspolitischen Folgen der Trennfunktion blieben unberuecksichtigt. Die ohnehin mit vielen sozialen Problemen
belasteten Stadtteile Niendorf und Moisling wuerden von ihrem einzigen und hoechsten Wohnwert, dem Freizeit- und
Naherholungsgebiet abgeschnitten.

- Die als Stein der Weisen verkaufte Buendelung von Schiene und Strasse (im Hinblick auf die Verlagerung der B207 an die
Eisenbahnstrecke Luebeck-Buechen) sei nicht nur positiv zu bewerten, sondern fuehre auch zu einer Buendelung der Belastung
fuer die an der Strecke lebenden Bewohner.

- Die geplante A20 mache ein planungsreifes Baugebiet in Niendorf-Moisling (Legan) mit 400 Wohneinheiten zunichte.

- Wenn eine Tunnelloesung einen so hohen Stellenwert habe, wie das von vielen Schleswig-Holsteiner Politikern und der
Landesregierung immer wieder beschworen werde, dann haette doch deren technische und oekologische Machbarkeit vor
einer Grundsatzentscheidung naeher untersucht werden muessen. Fuer die Tunnelloesungen aber wuerden klare Beschlusslagen
- Tiefe, Laenge, oekologische Folgewirkung, Reinigung der konzentrierten Kfz-Abgase, Kosten - fehlen. Auf entsprechende
Fragen stosse man auf Achselzucken oder erhalte vage Antworten.

- Tatsache sei dagegen, dass weder die eingeplanten noch zusaetzliche Mittel ausreichen wuerden, solche Tunnelloesungen zu
finanzieren. Vielmehr sei zu befuerchten, dass die Bundesregierung wegen ihrer Kassenflaute einen "Schlicht"-Autobahnbau
durchsetzen wolle.

- Fuer Niendorf-Moisling wird geltend gemacht, dass durchaus Bereitschaft bestehe, fuer das Allgemeinwohl die Belastungen
der Eisenbahn zu tragen und auch deren Elektrifizierung und zweispurigen Ausbau zu akzeptieren. Aber eine zusaetzliche
Autobahnbelastung werde auf einhelligen Widerstand stossen. Im Vergleich zu den Schlutupern und Kuecknitzern, deren
Situation sich in den letzten Jahren wesentlich gebessert habe und die in der Fuersorge der Stadtvaeter immer noch ganz oben
staenden, fuehle man sich schlecht behandelt. Es gebe viele Verkehrsbelastungen in Luebeck, die sich in Jahren und Jahrzehnten
aufgebaut haetten und sehr viel schwerwiegender seien als die sprunghafte Zunahme der Belastung in Schlutup nach dem
November 1989. Trotzdem sei Abhilfe oder Minderung nicht erfolgt.

- Die Stadtteile Niendorf/Moisling seien nicht nur durch die Eisenbahnstrecke, sondern auch durch die A1 belastet. Die
geplante dritte Achse A20 fuehre mit den anderen beiden zu lnterferenzwellen, d.h. zu erheblichen verstaerkten
Laermemissionen. Auch eine fuenfjaehrige Bauphase wuerde - selbst wenn sich der Tunnel als so harmlos wie dargestellt
erweisen wuerde - unertraegliche Belastungen mit sich bringen.

- Die Interessen der Stadt Luebeck an einer stadtnahen Trassenfuehrung seien stark gepraegt durch die Tatsache, dass zwei
Drittel der Grundstuecke der Stadt gehoeren wuerden, die durch den lukrativen Verkauf die Moeglichkeit haette, ihren
chronischen Finanzmangel zu beheben.


 
 

5.4. "Grünes Licht für Bauarbeiten im Raum Lübeck"
         (Zeitungsbericht der "Lübecker Nachrichten" vom 02.02.01)
 

                 Schwerin/Lübeck (dpa/lno) - Auf der Ostseeautobahn
                 A 20 sollen die Autofahrer ab Ende 2003 freie Fahrt
                 von Lübeck bis Rostock haben. Die
                 Landesregierungen von Schleswig-Holstein und
                 Mecklenburg-Vorpommern schlossen jetzt das
                 Planfeststellungsverfahren für den Lückenschluss
                 zwischen beiden Ländern ab, so dass die Bauarbeiten
                 für die Anbindung von der A 1 bei Lübeck nach
                 Schönberg in Nordwestmecklenburg beginnen können.

                 "Der beschlossene Trassenverlauf berücksichtigt die privaten
                 Belange von Grundstückseigentümern so weit wie möglich
                 und geht zugleich möglichst schonend mit der Natur um",
                 erklärte am Freitag der schleswig-holsteinische
                 Verkehrsminister Bernd Rohwer (SPD). Im Frühjahr werde
                 mit den Bauarbeiten begonnen. Die Gesamtkosten für den
                 Bau der rund 10,5 Kilometer langen Strecke auf
                 schleswig-holsteinischem Gebiet betragen etwa 166
                 Millionen Mark. Aufwendigstes Bauwerk wird die
                 Talraumbrücke zur Querung der Wakenitz sein. Wenn der
                 Teilabschnitt fertig sei, bringe dies auch eine Entlastung für
                 das Lübecker Stadtgebiet, betonte Rohwer. Er sprach von
                 einem Quantensprung für die gesamte A 20.

                 Erst durch die Anbindung an die Autobahn 1 werde der
                 ganze Verkehrswert der Ostseeautobahn von Lübeck nach
                 Stettin (Szczecin) mit den damit verbundenen
                 wirtschaftlichen Auswirkungen erreicht, betonte
                 Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Rolf Eggert
                 (SPD). Bislang können 92 Kilometer der A 20 durchgängig
                 von der Landesgrenze
                 Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern bei
                 Schönberg bis Rostock befahren werden. Ende vorigen
                 Jahres war ein rund 50 Kilometer langes Teilstück zwischen
                 Wismar und Rostock eröffnet worden.

                 Insgesamt soll die Küsten-Schnellstraße 323 Kilometer lang
                 werden. Sie soll ab 2005 durchgängig die Ostseeküste
                 zwischen den Hansestädten Lübeck in Schleswig-Holstein
                 und Stettin in Polen für den Fernverkehr erschließen. Die A
                 20 ist eines der 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit.

                 dpa/lno vom 02.02.01 13:51:00


 
 

5.5. Karte: Lübeck und die Ostseeautobahn


 
 
 
 
 
 

 6. Auswirkungen auf Umwelt und Natur - landschaftsoekologische Bewertung
-   6.1. Die Landesregierung
-   6.2. Gutachten
-   6.3. Die Naturschutzverbände
-   6.4. Die Gegner der A20
-   6.5. Die Auswirkungen auf den Menschen
-   6.6. Der Umweltminister
 

6.1. Die Landesregierung

Die Arbeitsgruppe der Landesregierung sieht, dass die von ihr empfohlene suedliche Variante (4) ueber die
Maurineniederung, durch die Wakenitzniederung, zwischen Gross Groenau und Klein Groenau, am Flughafen vorbei, ueber
Moisling die Trave querend an die A1 bei Hamberge im Hinblick auf die zusaetzliche Beeintraechtigung der Menschen und auf
Natur und Landschaft einige besondere Konfliktbereiche aufweist. In ihrer Presseerklaerung vom 29.1.1992 fuehrt die
Landesregierung aus:

"Wir sehen im Augenblick die Vorzuege einer suedlichen Trassenfuehrung, die allerdings erhebliche oekologische
Probleme aufwirft."

In der Projektbeurteilung des BVMP '92 (Entwurf) wird unter der Umweltrisikoeinschaetzung festgestellt, dass es sich in
grossraeumiger Betrachtung um erkennbare erhebliche Problemhaeufungen mit besonderem Gewicht handele und in der
zusammenfassenden Ergebnisdarstellung (Beiblatt zu Anlage 2) heisst es:

"Die vielschichtige und ueberaus hohe Empfindlichkeit des Untersuchungskorridors suedlich Luebeck laesst eine
Abgrenzung eines relativ konfliktarmen Korridors nicht zu. Als besonders kritisch ist die Aneinanderreihung von
wertvollen Niederungsgebieten und Flusslandschaften (zum Teil geschuetzt) einzustufen. Im Luebecker Umland
bewirkt die Trasse die Zerschneidung dieser saemtlich auf den Ballungsraum gerichteten Landschaftsstrukturen und
ihrer Ausgleichsfunktionen. Hinzu kommt das Risiko zusaetzlicher unerwuenschter Sekundaereffekte.

Gleichzeitig sind die bestehenden Umweltkonflikte infolge des Ost-West-Verkehrs fuer bestimmte Siedlungsbereiche
hoch und muessen entschaerft werden."

Ein tiefgreifender Eingriff in die Landschaft und den Naturhaushalt durch die praeferierte Trassenfuehrung der A20, der zum
groessten Teil nicht ausgleichbar ist, kann daher grundsaetzlich als unstrittig unterstellt werden.


6.2. Gutachten

Mit dem Umfang und den Folgen dieses Eingriffes befassen sich u.a. die oben genannten Gutachten/Stellungnahmen des
BUND und der Luebecker Aemter fuer Umwelt, Gruenflaechen und Stadtforsten sowie die Stellungnahmen des
Landesnaturschutzverbandes, die sich kritisch mit der Umweltvertraeglichkeitsuntersuchung von S + M auseinandersetzen. Auf
diese Papiere ist im Rahmen der Eroerterung immer wieder Bezug genommen worden, was hiermit auch geschieht. Im einzelnen
wird vorgetragen:

Zur Wakenitzniederung

- Die Wakenitzniederung bestehe aus vielfaeltigen Einzelnaturraeumen, die insgesamt wie ein Mosaik eines der wertvollsten
Landschaftsgebiete Deutschlands bilden wuerden.

- Die Landesregierung erkenne diesen hohen Wert, wenn sie es fuer notwendig halte, das Wakenitzgebiet im Rahmen des
Naturverbundsystems "Lauenburgische Seen" unter Naturschutz zu stellen. Dann koenne doch nicht gleichzeitig eine Autobahn
durch dieses Gebiet gelegt werden.

- Wegen des Ausnahmecharakters dieses Gebietes sei ein Ausgleich insbesondere der oestlichen Flaechen nicht moeglich.

- Die Wakenitz sei ein wichtiges Naherholungsgebiet fuer Luebeck und bilde eine gruene Lunge, die Luebeck bei trockenem,
staubigem Wetter mit Frischluft versorge. Deswegen sei weder eine dieses Potential zerstoerende Autobahn noch eine
Schnellstrasse verantwortbar.

- Auch ein Tunnel wuerde den Eingriff nicht mindern, sondern zusaetzliche Belastungen schaffen. So sei zu befuerchten, dass

- der Grundwasserleiter, der Luebeck mit Trinkwasser versorge und ohnehin schon durch Sickerwaesser aus der Deponie
Schoenberg gefaehrdet sei, zerschnitten werde,

- Schadstoffkonzentrationen hohen Ausmasses am Ein- und Ausgang des Tunnels entstuenden,

- durch Bauarbeiten grosse Belastungen des Umfeldes eintreten wuerden,

- die Unterbringung des anfallenden Erdaushubes zu weiteren Landschaftseingriffen fuehre,

- notwendige Grundwasserabsenkungen waehrend der Arbeiten mit dem Schildvortrieb die angrenzenden Feuchtgebiete
zerstoeren wuerden.

Wulfsdorter Heide (siehe auch Anhang):

- Die Wulfsdorfer Heide sei weitgehend als Uebungsgelaende des BGS Sperrgebiet gewesen. Dadurch habe sich ein einmaliger
von Menschen ungestoerter Naturraum fuer Pflanzen und Tiere entwickelt.

- Dort gebe es Trockenrasengebiete der Qualitaetsstufe 1, Erlenbruchwald, Niedermoore, Heide- und Feuchtbiotope, die sich
auch wegen des geringen Duengereintrages (Flugplatz als Pufferzone) so einmalig haetten entwickeln koennen.

- Es gebe dort neun Kaeferarten, die nur noch dort in Schleswig-Holstein zu finden seien, fuer die anderen noch nicht kartierten
Arten werde vermutlich aehnliches gelten.

- 1991 sei ein Antrag auf Unterschutzstellung gestellt worden - vom Umweltminister habe es allerdings nur eine allgemeine
good-will-Antwort gegeben.

- Der Autobahnbau wuerde dieses Artendorado weitergehend zerstoeren, die Fuehrung in Tieflage die Niedermoore
vernichten.

- Die Absicht der Landesregierung, bei der Ausweisung von Ausgleichs- bzw. Ersatzflaechen die naturschutzwuerdige
Wulfsdorfer Heide zu einem grossflaechigen Naturerlebnisraum zu entwickeln und ein neues Naherholungsgebiet fuer Luebeck
zu schaffen, wuerde gerade das Gegenteil einer schuetzenden Massnahme bewirken. Es handele sich bereits jetzt um den
hoechsten, nicht mehr verbesserungsfaehigen Stand im Sinne des Naturschutzes und die Ausweisung als Naherholungsgebiet
wuerde einen weiteren zerstoerenden Eingriff darstellen.

Naturerlebnisraeume zwischen Wakenitz und Trave im Sueden Luebecks (siehe auch Anhang)

In der Eroerterung werden genannt

- das Krummesser und Klempauer Moor,

- die Niemarker Landgrabenniederung,

- das Stecknitztal (Elbe-Luebeck-Kanal) zwischen Kronsforde und Krummesse,

- der Kannenbruch und der Bliestorfer Wald,

- der Trenthorster Wald,

- das Grinau- und Quadebektal bei Gut Rothenhausen,

- der Moorgartener Wald,

- das Uebertravetal zwischen Reecke und Klein Wesenberg,

- das Uebertravetal zwischen Luebeck-Moisling und Hamberge.

- Die eiszeitlich gebildeten Talmulden der genannten Graeben und Moore wuerden wichtige Frischluftschneisen fuer den
Luebecker Raum darstellen.

- Eine Autobahn wuerde das wichtige Vernetzungselement durchbrechen und zu einer Vereinzelung der dies- und jenseits der
Trasse liegenden Gebiete fuehren. Damit wuerden wertvolle Naturlebensraeume fuer seltene Pflanzen und Tiere zerstoert oder
wesentlich beeintraechtigt werden.

- Diese Gebiete seien weitgehend auch Naherholungsraeume, deren Funktion an Bedeutung zunehme, je mehr sich die Stadt
Luebeck nach Sueden ausdehne. Wenn diese Funktion verlorenginge - was durch eine Autobahn mit Sicherheit der Fall sei
("Sind Sie schon mal an einer Autobahn spazieren gegangen?") - sei der Buerger auf weiter entfernt liegende Erholungsraeume
und damit auf sein Auto angewiesen. So werde Mobilitaet erzwungen und Verkehr provoziert.

6.3. Die Naturschutzverbände

Insbesondere von den Naturschutzverbaenden wird geltend gemacht, dass die sogenannte
"Umweltvertraeglichkeitsuntersuchung" gegen die Vorschriften des UVPG verstosse. Angesichts der Beteuerung des BMV,
"Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur muessen einer strengen Umweltvertraeglichkeitspruefung standhalten", sei es
natuerlich in hoechstem Masse widerspruechlich, wenn der Gutachter, Herr Smeets, immer wieder Wert darauf lege, dass
dieses Gutachten keine Umweltvertraeglichkeitsstudie (UVS) sei, und es in dem Gutachten selbst heisse:

"Die Groesse des Untersuchungsgebietes und der relativ knapp bemessene Zeitraum von ca. acht Monaten erfor

dern eine besondere Untersuchungsmethodik, die von den Leistungsbildern einer Umweltvertraeglichkeitssstudie nach
den HNL-STB 87 sowie derm MUVS abweicht."

Die Naturschutzverbaende halten es fuer nicht akzeptabel, dass unnoetige Sachzwaenge, wie der viel zu kurze
Bearbeitszeitraum, eine Rechtfertigung dieser ungewoehnlichen und zweifelhaften Vorgehensweise darstellen sollen.

Die von den Gutachtern vorgetragene Begruendung, sie koennten sich an die MUVS auch deswegen nicht halten, weil das
Merkblatt so grosse Strassen nicht im Auge gehabt habe, sei nicht nachvollziehbar. Zwei Beispiele koennten die unzulaengliche
Arbeitsweise belegen:

     a.) Klima und Luft seien zusammengefasst und nicht getrennt untersucht worden mit der Folge, dass die
     Auswirkungen der durch den Strassenverkehr verursachten Emissionen ausgeblendet worden seien.

     b.) Es seien nur die Laubwaelder untersucht worden, alle andern Waldgesellschaften dagegen unberuecksichtigt
     geblieben.

Vor diesem Hintergrund wuerden die von der Bundesregierung und der Landesregierung postulierten hohen Anspruechen an
den Umweltschutz im Strassenbau Luegen gestraft werden.

Fuer die Bundesregierung stehe der Umweltschutz und die Erhaltung des Naturhaushaltes nur zur Disposition, um aus anderen
Gruenden erwuenschte Entscheidungen abzusichern. Wie sonst sei erklaerbar, dass der Ausbau der Grundlagen B206 Bad
Bramstedt - Luebeck, also einer schon bestehenden Strasse im BVMP '92 (Entwurf) "wegen erkennbarer erheblicher
Umweltprobleme" zurueckgestuft, waehrend die A20 trotz der gravierenden Umweltzerstoerung als "vordringlicher Bedarf"
bewertet werde.

Auch die Arbeitsgruppe der Landesregierung habe das Gutachten nicht mehr als UVU einordnen moegen, sondern sprechen
von einer "landschaftsoekologischen" oder "landschaftspflegerischen" Untersuchung.

Bei deren Bewertung habe die Arbeitsgruppe nicht die ueblichen einigermassen objektivierten Massstaebe angelegt, sondern
kraeftig manipuliert, um das bereits vorher feststehende Ergebnis einer Suedtrasse (fuer das sich Vertreter der Landesregierung
und Abgeordnete schon vorher stark gemacht haetten) zu begruenden.

Einige Beispiele koennten das belegen:

- Aus der UVU gehe hervor, dass die Ergebnisse der raumbezogenen Empfindlichkeitsuntersuchung keine konfliktarmen
Korridore in Ost-West-Richtung aufweisen. Nach dem Merkblatt zur Umweltvertraeglichkeitsstudie in der Strassenplanung
(MUVS) sei in diesem Fall zu entscheiden zwischen Aufgabe des Vorhabens, Ausbauvariante und Weiterfuehrung mit
erheblichen Konflikten. Die Verwaltung habe sich in einem der Oeffentlichkeit nicht bekannten Abwaegungsprozess gegen die
Oekologie zur Weiterfuehrung der Planung entschieden, ohne die Ausbauvariante zu pruefen.

- Die Verkehrsuntersuchung und die UVU wuerden zu unterschiedlichen Trassenempfehlungen fuer eine A20 im Raum
Luebeck kommen. Das Verkehrsgutachten empfehle eine Suedtrasse, waehrend das oekologische Gutachten eine ,eindeutige
Praeferenz fuer die Variante 2 im Norden" sehe. Damit sei eine zweite Entscheidung: Verkehr contra Oekologie zu treffen. Die
Arbeitsgruppe versuche durch verschiedene Manipulationen diesen Konflikt zu tarnen, um so dem Verkehr wieder den Vorzug
geben zu koennen. Dadurch komme es zu einem doppelten Abwaegungsfehler gegen die Oekologie. Schon im
Inhaltsverzeichnis werde die Manipulation sichtbar, in dem die Umweltvertraeglichkeitsuntersuchung zur
,Landschaftsoekologischen Untersuchung" abgewertet werde. Durch diese bewusst falsch gewaehlte Bezeichnung werde
unterschlagen, dass gerade die Auswirkungen auf den Menschen einen herausragenden Stellenwert in der Untersuchung
einnehme. So werde ein Gegensatz zwischen der sogenannten Landschaftsoekologie und der Stadtoekologie
(Humanoekologie) konstruiert, der fachlich falsch sei.

- Um ein scheinbares Uebergewicht an Fakten fuer eine bestimmte Trasse zu erhalten, werde zu den untersuchten Bereichen
Verkehr und Umwelt voellig willkuerlich eine Liste von Bewertungskriterien erstellt, fuer die keine Ausgangsdaten
veroeffentlicht worden seien. Damit sei eine Ueberpruefung der Grundlagen unmoeglich, lediglich Plausibilitaetskontrollen seien
durch Aussenstehende leistbar.
 

        Bewertung durch die Arbeitsgruppe
 a) Raumordnung und Stadtentwicklung                pro Suedtrasse
 b) Strassenbau                                                    pro Suedtrasse
 c) Verkehr                                                          pro Suedtrasse
 d) Landschaftsoekologie                                      pro Nordtrasse
 e) Verkehrssicherheit und Stadtoekologie             pro Suedtrasse
 
 

       Mit derselben Berechtigung koennte die Liste auch lauten:
 a)   Verkehr (inkl. Strassenbau, Verkehrssicherheit,                    pro Suedtrasse
       Raumordnung, Stadtentwicklung
 b)  Stadtoekologie                                                                     pro Nordtrasse
 c)  Fauna pro Nordtrasse                                                          pro Nordtrasse
 d)  Flora pro Nordtrasse                                                           pro Nordtrasse
 e)  Hydrologie und pro Nordtrasse                                            pro Nordtrasse
      Geomorphologie
 

Im Ergebnis wuerde sich eine voellig andere Gewichtung ergeben. Die Methode sei geeignet, jedes vorgegebene Ergebnis zu
begruenden.
 

- Bei der Bewertung des Kriteriums "Beeintraechtigung durch Laerm- und Abgasemissionen" fuehre die Arbeitsgruppe aus:
"Die Interpretation der tendenziellen Ergebnisse der Schadstoffbetrachtungen fuehrt letztendlich zur Praeferenz einer Suedtrasse
der A20, weil allgemein formuliert davon auszugehen ist, dass sich ueber die groessere Verteilung des Verkehrs auch der
Schadstoffausstoss besser verteilt" (S.83). Dieser geschraubte Satz versuche darueber hinweg zu formulieren, dass das
Gutachten von S + D in Abb. 27 "Schadstoffmengen uebersetzt in kg/d" zu dem Ergebnis komme, dass bei den Schadstoffen
Russ, Schwefeldioxyd und Stickoxyd der Ausstoss im Jahre 2010 bei einer Suedtrasse hoeher sei als bei einer Nordtrasse (und
der Nullvariante). Was die bessere Verteilung angehe: Im Umweltschutz sei die Verteilung von Schadstoffen und die
Verduennung von Schadstoffkonzentrationen generell verboten.

- Obwohl sich das Stadtforstamt Luebeck gegen die Suedtrasse gewehrt und deren negative Folgen auf die staedtischen
Forsten beschrieben habe, gelange die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis, die forstwirtschaftlichen Gesichtspunkte wuerden fuer
die Suedtrasse sprechen.

- Unter "Kriterien der Raumordnung und Stadtentwicklungsplanung" erhalte die Suedtrasse einen Pluspunkt wegen der
Buendelung der regionalen und ueberregionalen Verkehrsbeziehungen (Gesamtverkehrsplan) und einen weiteren Pluspunkt
wegen der gleichmaessigen Verkehrsverteilung (Querschnittsbelastung) unter dem Kriterium "Verkehr", obwohl dies
offensichtlich ein Widerspruch sei.

- Unbegreiflich sei, wie "Verkehrssicherheit" und "Stadtoekologie" in einer Kriteriengruppe zusammengefasst werden koennten.
Das sei willkuerlich. Unter Stadtoekologie wuerden dann die Unterkriterien "Wohnen" und "Erholen" auftauchen - diese
Zuordnung sei zwar richtig, die Differenzierung aber fuehre zu einer Bevorteilung der Suedtrasse.

- Waehrend Ministerpraesident Engholm bei der Vorstellung seiner Bilanz "3 Jahre SPD-Regierung in Schleswig-Holstein"
verkuendet habe, die Umwelt habe beim Verkehr hoechste Prioritaet, ginge die Arbeitsgruppe formell von der Gleichwertigkeit
von Umwelt und Verkehr aus (Seite 1), tatsaechlich aber zeige die Art und Weise der Bewertung, dass der Verkehr
eindeutigen Vorrang habe.

- Die Buerger und Verbaende wuerden die Manipulation der Zahlen durchschauen. In den ersten Gespraechen seien ihnen von
der Landesregierung die gleichwertige Untersuchung von Schiene und Strasse versprochen worden. Herausgekommen sei nur
die fehlerhafte Untersuchung von M + O, das unzulaengliche Gutachten von S + D und die durchschaubaren Bemuehungen der
Arbeitsgruppe, aus beiden Papieren das gewuenschte Ergebnis "herbeizubewerten".

6.4. Die Gegner der A20

Die Gegner der A20 begruenden ihre Ablehnung der Ostseeautobahn nicht nur damit, dass wertvolle Naturgebiete
zerstoert wuerden und der verkehrspolitische Nutzen zweifelhaft sei, sondern auch mit uebergeordneten, globalen
oekologischen Aspekten.

- Der Club of Rome habe kuerzlich festgestellt, in den letzten 20 Jahren habe sich die Umwelt nicht verbessert, eher
verschlechtert.

- Die Buerger seien bereit, etwas fuer die Umwelt durch veraendertes Verkehrsverhalten zu tun. Die Politiker muessten diese
sowohl offen als auch latent vorhandene Bereitschaft offensiv aufgreifen, entsprechende Konzepte entwickeln und eindeutige
Massnahmen durchsetzen.

- Die Ostseeautobahn sei Bestandteil einer ueberkommenen Verkehrspolitik. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass
Engpaesse im Strassensystem verursacht durch erhoehtes Verkehrsaufkommen, dadurch beseitigt werden sollten, indem neue
Strassen gebaut wuerden. Die oekologischen Auswirkungen dieser Verkehrspolitik seien erschreckend, die herkoemmliche
Verkehrspolitik sei daher aus Umweltgruenden nicht mehr verantwortbar. Die Ostseeautobahn stuende symbolhaft fuer eine
derartige Verkehrspolitik. Ihr Bau wuerde nicht nur den ohnehin schon uebermaessigen Kfz-Verkehr bewahren, er wuerde
auch zu einer weiteren Steigerung beitragen. Die Verwirklichung der A20 wuerde deutlich machen, dass eine Wende hin zu
einer oekologisch verantwortbaren Verkehrspolitik nicht stattfinde.

- Umweltauswirkungen der Verkehrspolitik, fuer die auch die A20 Mitverursacher und mitverantwortlich sein werde:

_ Belastung der unmittelbar und mittelbar Betroffenen durch Laerm und Abgase,

_ Flaechenverbrauch (5 % der Bundesflaeche fuer Strassen),

_ Landschaftszerschneidung und Verinselung,

_ Bodenvergiftung in einem Streifen beidseitig 200 m zur Strasse,

_ mehr als 11.000 Verkehrstote im Jahr.

- Weitaus uebergreifender seien die Abgase: Ein Auto verbrauche soviel Sauerstoff wie neun Menschen; hinzu wuerden
Kohlenmonoxide, Kohlenwasserstoffe, Stickoxide, Schwefeldioxid, schwermetallhaltige Staeube kommen.

Folgen:

- z.B. Waldsterben - jeder zweite Baum sei krank.

- z.B. Gewaesserbelastung - 25 % des Stickstoffeintrags in die Meere wuerden aus dem Verkehr kornmen.

- Z.B. Smog/Ozonbelastung

- Hinzu kaemen Umweltprobleme im Zuge der Herstellung von Kraftfahrzeugen.

- Im Bereich der C02-Emissionen habe der Autoverkehr weltweit gravierende Auswirkungen: Ozonloch und
Klimaverschiebung seien Tatsachen, ein wesentlicher Verursacher sei der Autoverkehr in den lndustrienationen. Die Folgen
aber wuerden alle, vornehmlich die Menschen in der sogenannten Dritten Welt, zu spueren bekommen.

- Solange die westlichen Industrienationen nicht bereit seien, die globalen Umweltverschmutzungen durch den Autoverkehr zu
reduzieren, solange haetten sie auch kein Recht, von den Menschen in Suedamerika und Afrika zu verlangen, sie sollten auf das
Abholzen der Tropenwaelder verzichten.

- Klimafachleute seien sich einig: Die Rettung der Erdatmosphaere sei nur realistisch, wenn in den naechsten 30 Jahren der
Autoverkehr halbiert wuerde. Bundes- und Landesregierung haetten sich als Ziel eine 25 %ige Reduktion von CO2 gesetzt.
Ohne eine drastische Reduzierung des Autoverkehrs liessen sich diese Ziele nicht erreichen. Wenn der Kfz-Verkehrstrend so
weiter gehe, wuerden wir im Jahre 2005 25% mehr CO2-Emissionen haben, auch wenn die Autos weniger Benzin verbrauchen
wuerden. Die Enquete-Kommission des Landtages von Schleswig-Holstein fordere deshalb eine konsequente Wende in der
Verkehrspolitik mit dem Ziel einer drastischen Reduzierung des Kfz-Verkehrs. Die Entscheidung der Landesregierung fuer den
Bau der A20 stehe diesen Forderungen diametral gegenueber.

- Die A20 sei nicht die letzte Massnahme und das Ende einer veralteten Verkehrspolitik, sie sei der Anfang eines
verkehrspolitischen Amoklaufes. Mehrere Strassenbau-Grossprojekte sollten der A20 folgen: der Ausbau der B206 als
Ost-West-Achse, eine neue Elbquerung, der Ausbau der B404 nach Kiel und nun sogar eine ganze neue Autobahn durch den
Kreis Segeberg als Umfahrung Hamburgs.

- Die A20 sei somit Bestandteil einer Verkehrspolitik, die sich selbst immer neue Sachzwaenge auferlege und dadurch nicht aus
dem Teufelskreis herauskomme.

6.5. Die Auswirkungen auf den Menschen

Aus medizinischer Sicht werden die vielschichtigen und bisher nur zum geringsten Teil durchschaubaren
Schaedigungsmoeglichkeiten der menschlichen Gesundheit durch den bereits vorhandenen und kuenftig noch gesteigerten
Kfz-Verkehr herausgestellt.

- Ein Beispiel seien allergische Erkrankungen wie Asthma, Heuschnupfen und Neurodermitis infolge direkter Schaedigung der
Atemwege des Menschen durch Reizgase (z.B. Ozon, Stickoxyde) sowie durch Schaedigungen von Pflanzen durch
Luftschadstoffe mit nachfolgender Verstaeubung von strukturell veraenderten Pollen, die eine hoehere allergene Potenz haetten
als Pollen gesunder Pflanzen.

- Unter fuenf- bis sechsjaehrigen Kindern seien 20% Allergiker mit zunehmender Tendenz, so dass zu befuerchen sei, dass,
wenn nichts geschehe, allergische Erkrankungen zum "Normalzustand" der Bevoelkerung werden. Daher sei erforderlich, in
Zukunft fuer alle schadstoffemittierende Technologien im Rahmen einer UVP eine Gesundheitsvertraeglichkeitspruefung aehnlich
wie bei der Pruefung eines neuen Medikaments vorzunehmen.

- In diesem Zusammenhang wird hingewiesen auf die "Europaeische Charta Umwelt und Gesundheit", die von der 1.
Europaeischen Konfenz "Umwelt und Gesundheit" in Frankfurt, Dezember 1989, verabschiedet worden ist und u.a. festlegt:
,Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Umwelt, die ein hoechstmoegliches Mass an Gesundheit und Wohlbefinden
ermoeglicht." und gefragt, wer die Landesregierung eigentlich in gesundheitlichen Fragen berate und ueber die vielfaeltigen
durch einen Autobahnbau verursachten gesundheitlichen Schaeden unterrichte. Wie ernst nehme die Landesregierung die oben
zitierte Charta und welchen Stellenwert habe die Gesundheit bei ihren Entscheidungen?

6.6. Der Umweltminister

Umweltminister Professor Dr. Heydemann plaediert dafuer, in der anstehenden Diskussion die Gruende und Gedanken
des Andersdenkenden aufzunehmen, ihren Wert zu begreifen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und Verstaendnis zu
entwickeln. Es gebe keine absolut richtige Entscheidung, sondern immer nur ein Ueberwiegen von Gruenden gegenueber den
vorhandenen Gegengruenden nach einem subjektiven Bewertungsprozess. Dadurch wuerden die Gegengruende nicht falsch,
der Versuch, alle Einwaende zu widerlegen, fuehre nur zu einer Blockade des Dialogs. In diesem Sinne habe er sich seine
Entscheidung sehr schwer gemacht, viele der gegen den Bau der Autobahn sprechenden Gruende teile er. Dafuer, dass er doch
fuer den Bau der Ostseeautobahn in der Variante einer Suedfuehrung votiere, seien u.a. folgende Ueberlegungen
ausschlaggebend:

- mehr Schiene koenne die Strasse nur teilweise ersetzen, da sie eine andere Funktion habe.

- nicht der Autobesitz schaffe das Problem, sondern der Gebrauch des Autos und die Zeit, in der das geschehe
(Geschwindigkeit und Zeitpunkt); daher werde nur mit Verhaltensveraenderungen etwas erreicht,

- die Qualitaet des Verkehrs muesse sich veraendern - dies setze voraus, dass jeder sein eigenes Erholungsbeduerfnis neu
definiere und neu konzipiere,

- diese Gesellschaft brauche Wirtschaft und mit der Wirtschaft auch die Verkehre - die Entblockierung von Ost und West
praktisch ueber Nacht ohne jegliche Vorbereitung zwinge zum Rueckgriff auf konventionelle Instrumente d.h. Autobahnen, weil
die Zeit fehle, auf Verhaltsveraenderungen aufbauende, qualitativ andere, umweltvertraeglichere Loesungen zu entwickeln,

- daher muesse die Umweltpolitik sich bemuehen, die konventionellen Loesungen mit Auflagen zu verbessern, die die
schaedigende Wirkung, aber auch die Notwendigkeit der Massnahme selbst wenigstens zum Teil wieder aufhebe,

- da eine umweltpolitische Verkehrsvorsorge nicht stattgefunden habe, sei jetzt bei der Wahl zwischen einer zentralen und
mehreren dezentralen Loesungen erstere vorzuziehen,

- die Nordtrasse biete keine Moeglichkeit fuer ein oekologisches Konzept,

- das Konzept einer Verminderung oekologischer Schaeden lasse sich im Sueden eher realisieren: mit einer insgesamt etwa 4,5
km langen Tunnelstrecke koennten die oekologischen Werte der Niederungen an den Gewaessern geschuetzt werden,

- nicht die Strasse, sondern der Verkehr selbst und die Geschwindigkeit wuerden die eigentliche Zerschneidung bewirken und
die anliegend lebenden Organismen toeten, die Nutzung, nicht die Strasse sei die eigentliche Ursache fuer die Umweltbelastung,

- Laermschutzwaelle wuerden die Eingriffe und Trennwirkungen nur verschaerfen, daher seien zum Schutz der Umwelt
Untertunnelungen und Abdeckungen, die eine Regeneration der betroffenen Flaechen z.B. durch die Anlage von Trockenrasen
ermoeglichen wuerden, zu realisieren,

- die Ausgleichsmassnahmen fuer Autobahnbauten - bislang etwa 1 v.H. der Investitionssumme - muessten auf 10 v.H. steigen
und damit in etwa dem entsprechen, was heute bei lndustrieanlagen, Geraeten, Ver- und Entsorgungsanlagen als Mindestmass
ueblich sei, der Staat muesse endlich bereit sein, bei seinen Infrastrukturmassnahmen einen beim sonstigen Umweltschutz
ueblichen Massstab anzulegen,

- der Verzicht auf andere Strassenbaumassnahmen seien Einsparungen, die die Landesregierung als Kostendeckungsvorschlag
fuer ihre kostenerhoehenden Umweltauflagen anbieten wuerde,

- in Bonn koenne unter Nutzung des Investitionsmassnahmengesetzes und des Bundesverkehrswegebeschleunigungsgesetzes
auch ohne Schleswig-Holstein entschieden werden.

Professor Heydemann erklaert, er wolle versuchen, neue Kriterien fuer den Strassenbau zu entwickeln, die gleichzeitig fuer
andere Grossbauvorhaben bezueglich der oekologischen Ausgleichsmassnahmen praejudizierend wirken.


 

7. Quellen und Links
 

1.Quelle:
Ergebnisse der Erörterung des Berichts der Arbeitsgruppe der Landesregierung von Schleswig-Holstein
 zur Verkehrsfuehrung der A 20 im Raum Luebeckmit Gemeinden, Buergerinitiativen, Verbaenden und Einzelpersonen
zwischen dem 1. Februar 1992 und dem 13. Mai 1992 im Auftrag des Ministers fuer Wirtschaft, Technik und Verkehr
des Landes Schleswig Holstein
Hamburg, den 9. Juni 1992
( http://www.ipa.it/penelope/cases/german/kuhbier.html)


 
 

2. Quelle
http://www.schleswig-holstein.de/landsh/mwtv/verkehr/mwtv_a20_01.html
 


 
 

3. Quelle
http://www.ln-online.de/Meldungen/Show.asp?ID=69262

weitere Zeitungsberichte der Lübecker Nachrichten zu diesem Thema unter:
http://www.ln-online.de/Meldungen/default.asp?Search=Ostseeautobahn&RequestedService=&AlleRessorts=1
 
 
 


 
 

4. Quelle
http://www.leguan.com/projekte_sets/ostsee.html

weitere Seiten zum Thema "Ostseeautobahn" unter:
http://de.google.yahoo.com/bin/query_de?p=Ostseeautobahn&hc=0&hs=0


 
 

Autor: Christoph L. Kuttig (1999)