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1.
"Ostseeautobahn" und ihre Anfänge
- 1.1. Was genau ist die
"Ostseeautobahn" ?
- 1.2. Was waren die ersten Planungen
?
- 1.3. Welche
Umweltsverträglichkeitsprüfungen gab es ?
1.1. Was genau meint man mit BAB A 20 - "Ostseeautobahn"
?
Die Planung zur
BAB A 20, landläufig bekannt als "Ostseeautobahn", ist das größte
Infrastrukturprojekt im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit. Einmal fertiggestellt
wird sie die BAB A 1 bei Lübeck in Schleswig-Holstein mit der BAB A 11 südlich
Prenzlau in Brandenburg verbinden. Hierbei wird das gesamte Land Mecklenburg-Vorpommern
küstennah auf einer Länge von über 300 km durchquert. In der Zukunft ist
geplant, diese Autobahn sowohl nach Osten in Richtung der baltischen Staaten als auch
nach Westen als westliche Hamburger Umgehung mit der sogenannten dritten Elbquerung und
Anbindung an die BAB A 1 zwischen Bremen und Hamburg weiter zu
bauen.
1.2. Was waren die ersten Planungen
?
Die ersten
konkreten Planungen wurden 1990 begonnen. Zu dieser Zeit waren die neuen Länder in
der besonders schwierigen Anfangsphase des wirtschaftlichen und sozialen Umbruches.
Vielfach herrschte Rechtsunsicherheit, wie derartige Planungen anzugehen seien. Auch
für die zuständigen Behörden (Straßenbauverwaltungen,
Umweltbehörden, Ministerien) aus den alten Ländern, deren Aufgabe es war, als
Partner und Berater in den neuen Ländern zu wirken, war es aufgrund der bis zu
diesem Zeitpunkt einmaligen Größe des Projektes eine besondere Herausforderung
fachlicher und logistischer Art mit entsprechenden Anlaufschwierigkeiten. Neben den
damals relativ neuen Vorgaben durch das Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) handelte es sich bei der Ostseeautobahn um
eines der ersten Projekte die nach dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz geplant
wurden. Das bedeutet unter anderem, daß die einzige rechtliche Instanz bei Klagen
gegen eine Planfeststellung das Bundesverwaltungsgericht ist. Hiermit wird gegenüber
dem sonst üblichen dreiinstanzlichen Verfahren eine erhebliche Beschleunigung
erreicht. Es ist aber gleichzeitig auch mit besonderer Sorgfalt an die Erstellung der
Planfeststellungsunterlagen heranzugehen.
Man einigte sich
Mitte 1991 auf ein Verfahren, das innerhalb der kommenden Jahre auch weitgehend
unverändert eingehalten werden konnte. Das Verfahren sah vor, den anfangs mehrere
Tausend qkm großen Planungsraum zwischen Lübeck und Prenzlau durch geeignete
Verfahren auf Korridore einzuengen, in denen Trassen plausibel
erschienen.
In diesen
Korridoren wurden dann die entsprechenden Linien bestimmt, die im Variantenvergleich im
Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) untersucht werden sollten. Im Juni
1991 erfolgte die erste Beauftragung zu diesem Projekt. Bis heute sind mehr als 20
Einzelprojekte durchgeführt worden, die sich mit fast allen Aspekten der Biologie
innerhalb derartiger Planungsverfahren beschäftigen.
1.3. Welche
Umweltsverträglichkeitsprüfungen gab es ?
1991: Bewertung
der Empfindlichkeit zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur geplanten
Bundesautobahn A 20 ("Ostseeautobahn") zwischen Lübeck bis
Rehna
1992: Kartierung
der Libellen in ausgewählten Biotopen zwischen Rehna und Rostock zur UVS zur
geplanten Bundesautobahn 20
1992:
Libellenkartierung in ausgewählten Flußtalmoorabschnitten zwischen Rostock,
Stralsund und Neubrandenburg
1991-93:
Botanische, mykologische und zoologische Kartierungen zur
Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur geplanten Bundesautobahn 20
("Ostseeautobahn") von Lübeck bis Rehna zwischen August 1991 und September 1992, 4
Bände
1993: Libellen-,
Amphibien,- und Reptilienkartierung im Rahmen der UVS BAB A 20, Rostock bis
Bundesgrenze
1993:
Libellenkartierung im Rahmen der UVS BAB A 20, Rostock bis
Bundesgrenze
1993: Bewertung
der Trassenvarianten der BAB A 20 im Hinblick auf die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden
Tiere und Pflanzen ("FFH-Richtlinie")
1992-94:
Botanische, mykologische und zoologische Kartierungen zur
Umweltverträglichkeitsstudie zur Verlegung der Bundesstraße 206 zwischen
Geschendorf, Strukdorf, Hamfelde und Moisling (Abschnitt 3 der BAB A 20) zwischen August
1992 und September 1993, 5 Bände
1994: Vertiefende
Untersuchung zu den botanischen, mykologischen und zoologischen Kartierungen zur
Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur geplanten Bundesautobahn 20
("Ostseeautobahn") von Lübeck bis Rehna zwischen August 1991 und September 1992 im
Wakenitztal im Bereich der Trassen 4h, 5d und 5
1995:
Nachkartierungen von § 15a-Flächen LNatSchG Schleswig-Holstein im Zuge des LBP
zur BAB A 20 ("Ostseeautobahn") zwischen Hamberge und Kronsforder
Allee
1995: Konzept
für die Auswahl und weitere Entwicklung von Ausgleichsflächen innerhalb des LBP
zur BAB A 20 ("Ostseeautobahn") zwischen Hamberge und Kronsforder
Allee
1996:
Aufarbeitung und Abgleich der Kartierungen zur BAB A 20 und Behandlung der
Artenschutzproblematik gemäß internationaler und bundesdeutscher gesetzlicher
Bestimmungen, BAB A 20 Lübeck-Rostock Teilstrecke 1: A 1 - L 92, Ergänzung zum
LBP als Planfeststellungsunterlage
1997: Kartierung
von Fledermäusen und Behandlung der Artenschutzproblematik gemäß
FFH-Richtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 3: BAB A 1 - B 206,
Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage
1996-98:
Aktualisierung der botanischen, mykologischen und zoologischen Kartierungen und
Kartierung von Mollusken und Nachtfaltern, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke
2a: L 92 - B 207 und Teilstrecke 2b: B 207 - L 02 (Teil I: Schleswig-Holstein),
Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage
1996-98:
Aktualisierung der botanischen, mykologischen und zoologischen Kartierungen und
Kartierung von Mollusken und Nachtfaltern, BAB A 20 Lübeck-Rostock, Teilstrecke 2b:
B 207 - L 02 (Teil II: Mecklenburg-Vorpommern), Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
1996-98:
Kartierung von Fledermäusen und Behandlung der Artenschutzproblematik
gemäß FFH-Richtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2a: L 92 - B
207 und Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
1997-98:
Kartierung von winterrastenden Vögeln, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke
2a: L 92 - B 207 und Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
1997-98:
Kartierung von Wiesenrallen (Crex crex), BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 1:
BAB 1 - L 92, Teilstrecke 2a: L 92 - B 207, Teilstrecke 2b: B 207 - L 02 und Teilstrecke
3: BAB 1 - B 206, Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
1998: Ausweisung
und Bewertung der Beeinträchtigung der potentiellen Lebensraumtypen gemäß
Anhang I sowie der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie und der Anhang I - Arten der
Vogelschutzrichtlinie, BAB A 20 Lübeck - Rostock, Teilstrecke 2: L 92 - L 02,
Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage
1998: Ausweisung
und Bewertung der Beeinträchtigung des potentiellen Vorkommens der Art Fischotter
(Lutra lutra L., Mustelidae) des Anhanges II der FFH-Richtlinie, BAB A 20 Lübeck -
Rostock, Teilstrecke 2: L 92 - L 02, Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
1998-99:
Pflanzensoziologische Kartierungen in Feuchtwaldbeständen in der Wakenitz-Niederung
nach der Methode von BRAUN-BLANQUET (1964) und Bodenproben, BAB A 20 Lübeck -
Rostock Teilstrecke 2: L 92 - L 02, Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
1998-99:
Ausweisung und Bewertung der potentiellen Lebensraumtypen gemäß Anhang I der
FFH-Richtlinie im Bereich der NSG "Wakenitz" und "Wakenitzniederung und Herrnburger
Binnendüne" außerhalb der Feuchtwälder der Wakenitz-Niederung sowie des
Untersuchungsgebietes zum LBP, BAB A 20 Lübeck - Rostock Teilstrecke 2: L 92 - L 02,
Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage
1998-99: Die
Bedeutung der Wakenitzniederung als Lebensraum für gefährdete und
europäisch relevante Fischarten - eine Bewertung anhand von Literaturdaten und
Umfrageergebnissen, BAB A 20 Lübeck - Rostock Teilstrecke 2b: B 207 - L 02,
Ergänzung zum LBP als Planfeststellungsunterlage
1998-99: Die
Bedeutung der Wakenitzniederung als Durchzugs- und Rastgebiet für Vögel -
Untersuchung von Zug- und Rastvorkommen im Wakenitztal, BAB A 20 Lübeck - Rostock
Teilstrecke 2b: B 207 - L 02, Ergänzung zum LBP als
Planfeststellungsunterlage
2. Planung und Bau der A20
- 2.1.
Linienbestimmung
- 2.2.
Planfestellung
- 2.3. Fortgang des
Planungsverfahrens in den anschließenden Streckenabschnitten
- 2.4. Westlich der
A1
2.1. Linienbestimmung
Linienbestimmung
Die geographische Lage Lübecks läßt
grundsätzlich nördliche und südliche
Trassenführungen mit einer Verknüpfung an das
vorhandene Fernstraßennetz zu. Die
Straßenbauverwaltung des Landes
Schleswig-Holstein hat im Rahmen der
Umweltverträglichkeitsstudie für die A 20 im
Raum Lübeck auf Grundlage von Fachbeiträgen
privater Büros eine Reihe von Trassenvarianten
entwickelt. Zur Linienfindung für eine A 20
wurden diese Varianten unter Einbeziehung
verschiedener planungsrelevanter
Gesichtspunkte miteinander verglichen und
bewertet. Für diesen Vergleich wurden
zahlreiche Gutachten erstellt, zu denen unter
anderem die Umweltverträglichkeitsstudie, die
Verkehrs-, Lärm- und
Schadstoffuntersuchungen gehören.
Die Gutachter der Umweltverträglichkeitsstudie kamen zu dem Ergebnis,
daß
bei Berücksichtigung ausschließlich landschafts-ökologischer
Gesichtspunkte
eine nördliche Trassenführung die günstigere Lösung darstellt. Sie
verursacht
die deutlich geringeren Eingriffe in die Umwelt, in den Naturhaushalt und das
Landschaftsbild.
Die Gutachter der Verkehrsuntersuchung empfehlen aus verkehrlicher Sicht
den Bau der A 20 in einer südlichen Führung. Diese wird gegenüber
einer
Nordtrasse höhere Verkehrsanteile von den Bundes- und Landesstraßen
übernehmen
und bietet für Lübeck eindeutige Vorteile durch eine günstige Verteilung
der Ziel- und
Quellverkehrsströme auf eine größere Anzahl von Anschlußstellen und
zielgerichtete
Führung dieser Verkehrsströme. Die Lärmgutachter bevorzugen ebenfalls
die
Südvarianten, da die Lärmbetroffenheit in der Summe der betroffenen
Anwohner am Tage und in der Nacht bei den Südvarianten unter derjenigen
der Nordvarianten liegt. Die Verkehrslärmprobleme im Raum Lübeck sind
am
ehesten durch eine Südvariante der A 20 zu lösen.
Das Schadstoffgutachten stellt im Ergebnis fest, daß gerade im Norden der
Stadt
Lübeck durch die zusätzlichen Immissionsbelastungen in Seeretz, Bad
Schwartau,
Dänischburg, Siems und Herrenwyk die in diesen Gebieten
wünschenswerten
Maßnahmen zur Luftqualitätsverbesserung mit einer Südvariante eher zu
erreichen
sind.
Eine Südtrasse der A 20 wird darüber hinaus die stärkeren
Entwicklungsimpulse für Gewerbeansiedlungen und die
Hochschulerweiterung in Lübeck erbringen. Das gleiche gilt für die
Qualität
Lübecks als Wohnstandort, der stadtverträglichen Erreichbarkeit und deren
weitere
Entwicklung. Insbesondere die stadtnahe Südvariante kann zudem einen Beitrag
zur
Verbindung der neuen und bestehenden Gewerbegebiete untereinander leisten.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat die von der
Straßenbauverwaltung
zusammengestellten Untersuchungsergebnisse in ihre abschließende
Bewertung
einbezogen. Sie hat dabei das Ziel verfolgt, daß die Belastung der
betroffenen
Bürgerinnen und Bürger sowie Eingriffe in besonders empfindlich
bewertete
Landschaftsbereiche so gering wie möglich gehalten werden.
Am 29. November 1993 hat die Landesregierung ein Votum zur Linienführung
der A 20 im Raum Lübeck gefaßt. Sie hat sich nach intensiver
Abwägung aller
planungsrelevanten Gesichtspunkte insbesondere aus ökologischen,
raumordnerischen, wirtschaftlichen und verkehrlichen Gründen sowie unter
Einbeziehung städtebaulicher Entwicklungsmöglichkeiten für die Hansestadt
Lübeck
dafür entschieden, dem Bundesministerium für Verkehr eine Kombination aus
der
stadtnahen Variante (4H) von der A 1 bis zur L 92 und der stadtferneren
Variante 5
von der L 92 bis zur Landesgrenze für das Linienbestimmungsverfahren nach
§ 2
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz vorzuschlagen.
Die erforderlichen weiteren Abstimmungen über die Linienführung mit
Mecklenburg-Vorpommern und dem Bundesministerium für Verkehr haben
Änderungen im östlichen Streckenabschnitt (Variante 5 B) und Auswirkungen
auf den
Verlauf im Bereich der Landesgrenze ergeben. So wurde wegen der von
Mecklenburg-Vorpommern im Laufe des Planungsverfahrens betriebenen Ausweisung
des Naturschutzgebietes Kammerbruch zum FFH- und EU-Vogelschutzgebiet die
Variante 5D entwickelt.
Am 27. April 1995 haben die beiden Länder die für die
Linienbestimmung
erforderlichen Unterlagen gemeinsam unterschrieben und Anfang Mai 1995 dem
Bundesministerium für Verkehr zur Linienbestimmung vorgelegt.
Der Bundesminister für Verkehr ist dem Vorschlag der Länder
Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gefolgt und hat am 26.
Juli 1995 die Linie der A 20 im Süden der Hansestadt Lübeck von der
A 1 bis
zur B 104 südlich von Schönberg bestimmt.
2.2. Planfeststellung
Die rechtliche Absicherung einer Straßenbaumaßnahme erfolgt durch
eine
Planfeststellung. Im Planfeststellungsverfahren haben alle vom Bauvorhaben
Betroffenen die Möglichkeit, Anregungen und Bedenken vorzutragen. Dazu legt
die
zuständige Anhörungsbehörde alle Planunterlagen mit den zugehörigen
Erläuterungen
in den betroffenen Gemeinden öffentlich aus und gibt die Auslegungs- und
Erörterungstermine bekannt. In Schleswig-Holstein ist das Ministerium für
Wirtschaft,
Technologie und Verkehr Anhörungsbehörde für die
Straßenbaumaßnahmen im Land.
Den Trägern öffentlicher Belange werden die Planfeststellungsunterlagen
zur
Stellungnahme zugeschickt. Innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist können
die
Bürger und die Träger öffentlicher Belange ihre Bedenken und Anregungen
bei der
Anhörungsbehörde vorbringen. Diese Einwendungen werden dann in der
anschließenden Erörterung behandelt. Nach Abschluß der Erörterung
werden alle
Hinweise und Vorschläge der Betroffenen und der Fachbehörden in einer
umfassenden
Abwägung aller Einwendungen und Forderungen bewertet und von der
zuständigen
Planfeststellungsbehörde, die im Landesamt für Straßenbau und
Straßenverkehr
Schleswig-Holstein angesiedelt ist, bei der Erstellung des
Planfeststellungsbeschlusses in die abschließende Abwägung
einbezogen.
Die Planunterlagen für den 1. Planfeststellungsabschnitt der
Ostseeautobahn
zwischen der A 1 und der Kronsforder Landstraße (L 92) lagen vom 5.
Januar 1996
öffentlich aus. Nachdem die Einspruchsfrist am 19. Februar 1996 endete, wurde
am
6. Mai 1996 mit der Erörterung der eingegangenen Einwendungen begonnen.
Über
diesen 6,3 Kilometer langen Streckenabschnitt der A 20 ist bis zum Ende
der
Erörterung am 19. November 1996 an 33 Tagen verhandelt worden. Damit
handelt es
sich um das aufwendigste Anhörungsverfahren, das es bisher zu einem
Verkehrs-projekt in Schleswig-Holstein gegeben hat. In rund 300 Stunden sind
die
Stellungnahmen von 28 Behörden, rund 800 Einzelschreiben und die
von
rund 2.700 Bürgern listenmäßig erhobenen Einwendungen erörtert
worden.
Die Erörterung mit den Behörden dauerte fünf Tage, die mit den
betroffenen 24
Grundeigentümern sechs Tage. An 22 Erörterungstagen haben in
wechselnder
Zusammensetzung insgesamt circa 200 der 3.500 übrigen Einwender
teilgenommen.
Die höchste Teilnehmerzahl an einem einzelnen Verhandlungstag lag bei 80
Einwendern. Während der letzten zwei Verhandlungstage nahmen jeweils unter
25
Einwender die Erörterungstermine wahr.
Nach der Beendigung der Anhörung und Abwägung der Anhörungsergebnisse
wurde
der Planfeststellungsbeschluß am 28. April 1997 für den ersten
Streckenabschnitt der A 20 von der A 1 bis zur L 92
veröffentlicht. Der
Planfeststellungsbeschluß für den ersten Streckenabschnitt beinhaltet aufgrund
der
Gesetzeswirkung den automatischen Sofortvollzug der Maßnahme. Zur
Verhinderung
dieses Sofortvollzuges hatten Betroffene beim Bundesverwaltungsgericht in
Berlin
einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80
Abs. 5
Verwaltungsgerichtsordnung gestellt.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Beschluß vom 21.01.1998 die
sofortige
Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses ausgesetzt und damit den Bau der
Ostseeautobahn auf dem Gebiet des Landes Schleswig-Holstein einstweilen
gestoppt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, daß die Planung zwar
keine
Bestimmungen des nationalen Rechts verletze, jedoch die vorhandene
unberührte
Natur der Wakenitz-Niederung und möglicherweise auch den Naturpark
"Schaalsee"
beeinträchtige. Dabei seien die Richtlinie des Rates der
Europäischen
Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden
Vogelarten
(79/409/EWG) - Vogelschutzrichtlinie - und die Richtlinie des Rates vom 21. Mai
1992
zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und
Pflanzen
(92/43/EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - nicht hinreichend beachtet
worden.
Die Planfeststellungsbehörde hat in ihrem Schriftsatz vom 20. März 1998
hierzu
umfassend Stellung genommen. Zwischenzeitlich hatten interne Prüfungen
des
Landesamtes für Naturschutz und Umwelt ergeben, daß die Wakenitzniederung
auf
schleswig-holsteinischem Gebiet für sich gesehen nicht FFH-schutzwürdig
erscheint
und auch eine Anmeldung als Vogelschutzgebiet nicht zwingend geboten sei.
Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat aufgrund der mündlichen
Verhandlung
vom 7. Mai 1998 und nach durchgeführter Beweisaufnahme die Verbandsklagen
zweier Naturschutzverbände gegen den Planfeststellungsbeschluß für den
1.
Bauabschnitt abgewiesen. Damit war der am 21. Januar 1998 durch das Gericht
verhängte Baustopp hinfällig.
Seit dem am 6. Juni 1998 in Anwesenheit von Ministerpräsidentin Simonis
und
Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann erfolgten ersten Spatenstich wird an
diversen Brückenbauwerken, einem Tunnel und an der Strecke gearbeitet.
Die
Bauarbeiten kommen zwischen A 1 und L 92 gut voran und liegen im Zeitplan.
Trotz
durch die Klageverfahren bedingter Bauzeitverzögerung von etwa einem Jahr
soll
dieser erste Abschnitt wie vorgesehen Ende 2001 fertiggestellt sein.
2.3. Fortgang des
Planungsverfahrens in den anschließenden Streckenabschnitten
Südlich von Lübeck
Der Abschnitt von der Kronsforder Landstraße (L 92) bis zur Landesgrenze ist in
zwei
Bearbeitungsabschnitte unterteilt:
1.Abschnitt 2a von der L 92 bis zur B 207 (alt)
2.Abschnitt 2b von der B 207 (alt) bis zur L 2 in
Mecklenburg-Vorpommern.
Die Wakenitzniederung stellt für den geplanten Verlauf der Teilstrecke 2b
zwischen
der Bundesstraße 207 bei Groß Grönau (Schleswig-Holstein) und der
Landesstraße 2
bei Neuleben (Mecklenburg-Vorpommern) aufgrund der ökologischen Bedeutung
einen
nicht unproblematischen Punkt dar.
Bereits am 27.08.1992 hatte der schleswig-holsteinische Landtag mit den
Stimmen
der SPD und des SSW beschlossen, daß er als Voraussetzung für den Bau der A
20
"einen Tunnel, eine Tieflage oder entsprechend ökologisch sinnvolle
baulich-technische Anlagen im Bereich der Wakenitzniederung" für erforderlich
hält.
Dieser Beschluß ist vor dem Hintergrund gefaßt worden, daß die Variante 4H
zur
Ausführung gelangen würde. Diese Linienführung hätte u.a. die
Ortschaft Groß Grönau
zerschnitten und eine entsprechend geschützte Straßenführung durch die
Ortschaft
bedingt.
Am 29.11.1993 hat die Landesregierung beschlossen, daß es "bei Realisierung
der
A 20 eine Reihe von ökologisch-technisch verträglichen Lösungen für
unbedingt
erforderlich" hält: z.B. "eine Unterfahrung (Tunnel) oder Brücke (je nach
ökologischer
Vorteilhaftigkeit) der Wakenitz bis auf das Gebiet des Landes
Mecklenburg-Vorpommern." Mit diesem Beschluß erfolgte eine geänderte
Linienpräferenz der Landesregierung von Variante 4H zur Variante 5. Hier war
die
grundsätzliche Möglichkeit der Realisierung einer Brückenlösung nicht
mehr
ausgeschlossen. Dies trifft auch auf die nunmehr verfolgte und vom
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW) am
26.07.1995
bestimmte Linienführung im Zuge der Variante 5D zu.
Das MWTV hatte beide Bauwerksalternativen bereits in der Voruntersuchung im
Rahmen der Linienfindung grob geprüft und dem BMVBW zur Bestimmung der
Linie
vorgelegt. Der BMVBW hat in seiner Linienbestimmung keine endgültige
Festlegung
zur Frage Brücke oder Tunnel getroffen. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, daß
bei
der Wakenitzquerung eine ökologisch und wirtschaftlich vertretbare
Brückenlösung
erwartet würde, "da ein Tunnelbauwerk neben dem Eingriff in den
geomorphologischen
und hydrologischen Haushalt auch unverhältnismäßig hohe einmalige und
laufende
Kosten verursacht. Gleichwohl könnte alternativ im Rahmen des
Abwägungsprozesses ein Tunnelbauwerk mit Erhaltung der Biotopfunktion und
Einbeziehung von Maßnahmen zur Verminderung der Auswirkungen auf den
Wasserhaushalt zu prüfen sein".
Der gemeinsam von Verkehrs- und Umweltministerium gewählte Gutachter,
Professor
Giselher Kaule, Leiter des Instituts für Ökologie und Landschaftspflege der
Universität
Stuttgart, hatte Ende März 1999 das Ergebnis der vergleichenden Untersuchung
der
Querungsalternativen vorgelegt. Dabei wurden ein Tunnel in offener Bauweise,
ein
Tunnel im Schildvortrieb und eine Talraumbrücke geprüft. Das Gutachten kommt
zu
dem Ergebnis, daß bei einer Gesamtbetrachtung eine Talraumbrücke die
beste
Lösung ist. Die untersuchten Tunnelvarianten bieten keine so deutlichen
ökologischen
Vorteile, daß die erheblichen Mehrkosten gegenüber einer
Talraumbrücke
gerechtfertigt wären. Die Baukosten für die Talraumbrücke belaufen sich
auf etwa 36
Millionen Mark gegenüber 151 Millionen Mark für einen Tunnel in offener
Bauweise und
mindestens 350 Millionen Mark für einen gebohrten Tunnel. Zusätzlich
ergäben sich
bei den Tunnelvarianten Mehrkosten für Betrieb und Unterhaltung von jährlich
bis zu
730.000 Mark.
Darüber hinaus bescheinigen die Gutachter in einer "Als-ob-Prüfung", daß
die
gewählte Brückenlösung auch unter Annahme potentieller FFH- und
Vogelschutzgebiete keine erheblichen Beeinträchtigungen erwarten läßt
und
damit die Verträglichkeit mit europäischem Naturschutzrecht gegeben ist.
In
der abschließenden Liste der schleswig-holsteinischen FFH- und
Vogelschutzgebiete
ist die Wakenitzniederung nicht enthalten.
Für den Bau der Talraumbrücke sind zahlreiche Ausgleichsmaßnahmen
vorgesehen,
deren Umfang im Vergleich zur sonst üblichen Planungspraxis
überdurchschnittlich
ist. So ist beispielsweise in unmittelbarer Nähe zur Talraumbrücke eine rund 50
Meter
lange "Grünbrücke" vorgesehen. Auf dieser Brücke sollen Magerrasen
und
Gehölzstreifen entwickelt werden, so daß der Verbund zwischen den
ökologisch
hochwertigen Bereichen, die durch die A 20 durchschnitten werden, erhalten
bleibt
und der ungestörte Austausch von Tieren und Pflanzen ermöglicht
wird.
Darüber hinaus wird zur Minimierung des Eingriffs die Talraumbrücke einen drei
Meter
breiten Lichtschlitz zwischen den Richtungsfahrbahnen erhalten. Durch den
möglichen
Licht- und Niederschlagseinfall kann sich unter der Brücke eine nahezu
geschlossenen Vegetationsdecke bilden.
Der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat den Bauentwurf
für
den zweiten Streckenabschnitt der A 20, Lübeck - Stettin, von der Landesstraße
92
bis zur Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommern am 30. Juli 1999 genehmigt und
dem Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr Schleswig-Holstein
wieder
zugeleitet. Die Entwurfsgenehmigung des zweiten Streckenabschnittes der A 20
südlich Lübecks bestätigt das Votum der Landesregierung zur Querung
der
Wakenitzniederung mit einer Talraumbrücke, für die sich das Kabinett am
8.
Juni 1999 ausgesprochen hatte.
Die Aufstellung der parzellenscharfen Entwurfsunterlagen erfolgte für den
Streckenabschnitt 2b in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium des
Landes Mecklenburg-Vorpommern und der DEGES (Deutsche Einheit
Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH). Die DEGES betreibt die Planung und
den
Bau der "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" für die neuen
Bundesländer.
Die Straßenbauverwaltung des Landes wird die Planfeststellung für beide
Abschnitte
in einem Verfahren durchführen. Die Bekanntmachung für die Einsichtnahme in
die
Planunterlagen (8. September 1999 bis einschließlich 8. Oktober 1999) ist im
August
1999 erfolgt. Die beiden Länder Schleswig-Holstein und
Mecklenburg-Vorpommern
werden allerdings aus rechtlichen Gründen die jeweiligen
Planfeststellungsverfahren
ausschließlich auf ihrem Hoheitsgebiet durchführen. Aus heutiger Sicht ist
der
Planfeststellungsbeschluß für die beiden Teilstrecken Ende 2000
terminlich
eingeplant.
Der Abschnitt soll Ende 2003 dem Verkehr übergeben werden. Damit ist die A20
im
Jahre 2003 von der A1 bis Rostock durchgehend befahrbar.
2.4. Westlich der A 1
Ziel ist
es, die A 20 möglichst durch einen Ausbau der vorhandenen B 206 in den
Raum Segeberg zu führen und hier mit der B 404/A 21 zu verknüpfen. Des
weiteren ist eine Anbindung an die A 7 und die A 23 sowie eine Querung der
Elbe westlich von Hamburg beabsichtigt, bevor die A 20 in Niedersachsen an die
A 1 einbindet. Die weitere planerische Bauvorbereitung der A 20 westlich der
A 1 wird aus verfahrenstechnischen Gründen in Abschnitten
vorgenommen.
Die Planung
der A 20 im Streckenabschnitt 3 von der A 1 bei Lübeck bis zur B 206
bei Geschendorf wurde bereits im Jahre 1992 aufgenommen. Zwischenzeitlich haben die
beauftragten Gutachter ihre Ergebnisse (Umweltverträglichkeitsstudie (UVS),
Verkehrsuntersuchung und Straßenplanung) vorgelegt. Die förmliche Auslegung der
UVS-Unterlage nach § 15 UVPG erfolgte vom 28. April bis zum 28. Mai
1997. Die förmliche Linienbestimmung durch den Bundesverkehrsminister soll bis Ende
2000 erfolgen. Bei einem zügigen Planungs- und Verfahrensablauf könnte die
Einleitung des Planfeststellungsverfahrens voraussichtlich 2001/2002
erfolgen.
Für
den Streckenabschnitt 4 von Geschendorf bis östlich von Bad Segeberg wird zur Zeit
die Voruntersuchung erarbeitet. Da es sich hier um den Ausbau der vorhandenen B
206 von zwei auf vier Spuren handelt, ist zwar keine förmliche Linienbestimmung
erforderlich. Aber im Rahmen der Voruntersuchung wird unter Berücksichtigung der
vorhandenen Bebauung eine Entscheidung durch den Bundesverkehrsminister zu treffen sein,
ob die B 206 auf der nördlichen oder südlichen Fahrbahnseite verbreitert
wird. Die Vorlage der Voruntersuchung beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen wird für 2000 angestrebt.
Im
Streckenabschnitt 5 (Raum Segeberg) entwickeln sich die zu untersuchenden Varianten im
wesentlichen zwischen den Gelenkpunkten mit der vorhandenen B 206; im Westen auf dem
Gebiete der Gemeinde Wittenborn und im Osten im Bereich der Gemeinde Weede. Umfangreiche
Untersuchungen (z.B. Umweltverträglichkeitsstudie, Verkehrsuntersuchung,
städtebauliches Entwicklungsgutachten) sind durchgeführt worden. Neben
südlichen Trassenverläufen ist auch die Ausbauvariante der B 206 zur A 20 in
der Ortsdurchfahrt von Bad Segeberg geprüft worden. Die Voruntersuchung ist
abgeschlossen und die Planungsunterlagen für den Raum Segeberg haben im Rahmen des
Linienbestimmungsverfahrens gem. § 16 FStrG i.v.m. § 15 UVPG in der Zeit vom 7.
Juni bis zum 7. Juli 1999 öffentlich ausgelegen. Die Äußerungen zur
Maßnahme werden zusammengestellt, bewertet und finden Eingang in das
Linienbestimmungsverfahren. Planerisches Ziel ist die Linienbestimmung durch den
Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Jahr 2000. Nach der
Linienbestimmung kann mit der Aufstellung der parzellenscharfen Entwurfsunterlagen
begonnen werden, die Grundlage für die Planfeststellung
sind.
Die weitere
Fortführung der A 20 von Bad Segeberg bis zur A 7 und A 23
und weiter mit einer Querung der Elbe nordwestlich von Hamburg ist ebenfalls im
aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf
enthalten. Ziel dieses Projektes ist die Entlastung der Fernverkehrsachsen und der
Metropolregion Hamburg von Kraftfahrzeugverkehren. Die A 20 bindet die Westküste
Schleswig-Holsteins an die Fernverkehrsachsen in die nordöstlichen und
südlichen Zentren der Europäischen Region leistungsfähig an und ist
deshalb für die Wettbewerbsfähigkeit dieser Region von großer
Bedeutung.
Im April
1995 hat der Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr eine
verkehrswirtschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, die unter Federführung des
Landes Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Bundesminister für Verkehr, dem Land
Niedersachsen und der Freien und Hansestadt Hamburg administrativ begleitet wurde. Im
Februar 1998 sind die Ergebnisse durch die Gutachter vorgelegt worden. Sie wurden dem
kommunalpolitischen Raum, Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften und Verbänden
vorgestellt und ergebnisoffen diskutiert.
Im
März 1999 hat die Landesregierung in Übereinstimmung mit der Entschließung
des Schleswig-Holsteinischen Landtages der Realisierung der A 20 im Raum Glückstadt
politische Präferenz gegeben. Eine definitive Festlegung auf eine der Varianten
konnte gleichwohl aus planungsrechtlichen Gründen nicht erfolgen. Sämtliche in
der Verkehrswirtschaftlichen Untersuchung geprüften Trassenkorridore werden mit dem
Ziel der Erarbeitung einer konkreten Linienführung detailliert untersucht, bevor
eine abschließende Trassenfestlegung erfolgen kann. Planerisches Ziel ist der
Abschluß der Voruntersuchung in 2001/2002. Im Anschluß wird das
Linienbestimmungsverfahren durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen durchgeführt.
Ziel der
Landesregierung ist, die A 20 so schnell wie möglich zu realisieren. Dies auf einem
soliden fachlichen Fundament.
3. Zur Bauwürdigkeit einer A20
- 3.1. Ausgangssituation und
Gründe für die Bauwürdigkeit
- 3.2. Kritik an den Gründen
für die Bauwürdigkeit
- 3.3. Allgemeine Kritik am Bau der
A20
3.1. Ausgangssituation und Gründe
für die Bauwürdigkeit
Nach dem Bericht der Arbeitsgruppe (S. 68) ist die
Bauwuerdigkeit nach dem Ergebnis der gesamtwirtschaftlichen Bewertung
der A20 zwischen Luebeck und Rostock mit einem DTV 2010 von 33.908
Kfz/24h und einem LKW Anteil von 10,5 %
bereits durch den Bund festgelegt worden.
Die Verkehrsuntersuchung von M + O (12. Nov. 1991) unterstreicht
mit den Prognosevarianten deutlich die Bauwuerdigkeit
der geplanten Ostseeautobahn A20. Nach ihren Feststellungen waere
eine heute vorhandene A20 mit rd. 19.000 - 25.000
Kfz/24h belastet, worin die Verkehrsanteile in der Relation Krs.
Herzogtum Lauenburg/Ostholstein noch nicht enthalten seien
(ca. 6000 8000 Kfz/24h). Damit sei die Bauwuerdigkeit einer
Ostseeautobahn schon durch die heutigen Verkehrsbelastungen
nachweisbar, eine ruecklaeufige Tendenz in der Entwicklung der
Verkehrsnachfrage sei nicht abzusehen. Im Jahre 2010 seien
Belastungen zwischen 32.700 und 49.000 Kfz/24h (Prognosevariante B)
bzw. 44.200 und 66.400 Kfz/24h (Prognosevariante
A) auf der A20 zu erwarten.
Das MWTV des Landes S-H hat die Plausibilitaet des M + O
-Gutachtens durch das Aachener Ingenieurbuero IVV, das im
Auftrag des BMV auch am BVWP mitwirkt, ueberpruefen lassen. Nach
Aussage von Herrn Richter, MWTV, habe IVV die
Plausibilitaet des Zahlenwerkes und der Ergebnisse
bestaetigt.
Hamburg - Consult Gesellschaft fuer Verkehrsberatung und
Verfahrenstechnik mbH hat im August 1990 eine Planungsstudie im
Auftrag der Hansestadt Luebeck ueber die verkehrlichen Auswirkungen
der Grenzoeffnung in Luebeck vorgelegt.
ZurVorbereitung der Luebecker Position haben die Aemter fuer
Verkehrsanlagen und Stadtplanung eine Expertengruppe aus
den beiden Gutachtern des Bundes und der Laender
Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, Buero M + O und
Buero S + D, Vertretern der MWTV des Landes Schleswig-Holstein und
des Strassenneubauamtes Ost (Eutin) sowie des
BSV Buero fuer Stadt- und Verkehrsplanung Dr. Ing. Reinhold Baier
GmbH, Aachen, zusammengestellt, die in mehreren
ganztaegigen Kolloquien in Luebeck und in begleitenden Diskussionen
im Buero BSV die wesentlichen Gesichtspunkte
zusammengetragen und einen begruendeten Vorschlag erarbeitet haben.
Die Gutachterstudie ist im August 1991 fertiggestellt
worden.
Mit der M + O - Verkehrsuntersuchung setzen sich u.a. kritisch
auseinander die
- Studie des Bundes fuer Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
(BUND) "Ostseeautobahn A20 Oekologie - Verkehr -
Stadtentwicklung vom ....
- Stellungnahme des Landesnaturschutzverbandes
Schleswig-Holstein e.V. (LNV) zum Neubau der Bundesbautobahn
Luebeck-Wismar-Rostock vom Januar1991,
- Stellungnahme des Umweltamtes der Stadt Luebeck vom Januar
1991,
- Gutachterliche Stellungnahme der Technigerman-Investra-Consult
(TIC) - Prof. Dr. Harder, TU Hannover, zur Problematik
des Autobahnanschlusses der A20 an die A1 im Kreis Stormarn im
Auftrag des Kreises Stormarn vom Januar 1991,
- Stellungnahme zum Ausbau der A20 ("Ostseeautobahn") des
Planungsbueros Richter-Richard, Aachen, im Auftrag der
Gemeinde Gross Groenau vom Februar 1992,
- Gegenstudie zu den A2O-Verkehrsprognosen von Dipl. lng.
Dietrich, Stempel, Januar 1992.
Im April 1992 (Stand 9.4.1992) hat der BMV den Referentenentwurf
des BVWP '92 einschliesslich Bedarfsplan fuer
Bundesfernstrassen den Laenderverwaltungen und anderen zur
Abstimmung vorgelegt.
Danach wird unter "vordringlicher Bedarf" im Strassenbau
eingestuft:
- Projekt A20 Luebeck (A1) - Rostock (A 19) als "Projekt
Deutsche Einheit" (120 km Laenge - 1320 Mio DM, davon in
Schleswig-Holstein 15 km - 165 Mio DM),
- Projekt A2O/B74 Nord-/Westumfahrung Hamburg als westliche
Fortfuehrung der A20, die vom Anschlusspunkt der
geplanten A20 an die A1 im Raum Luebeck ueber die A7 und A23, ueber
die Elbe bei Stade an die A1 im Raum Elsdorf und
Rylum (Nds.) anschliesst (109 km Laenge - 2300 Mio DM, davon in
Schleswig-Holstein 69 km - 1200 Mio DM) und
- Projekte B 404, A1 - A24 und B 404 Bornhoeved - Bad Segeberg
Ausbau von 2 auf 4 Fahrstreifen (insgesamt 26,1 km
Laenge - 67 Mio DM).
Dagegen wird das Projekt B 206 Bad-Bramstedt - Luebeck/W (A1),
das auf 25 km Laenge 2 streifig aus- und neugebaut und
auf 29 km Laenge 4 streifig aus- und neugebaut werden sollte
(Kosten 180 Mio DM) "wegen erkennbarer erheblicher
Umweltprobleme" in die Kategorie "Weiterer Bedarf"
zurueckgestuft.
3.2. Kritik an den Gründen
für die Bauwürdigkeit
Es kann nicht Aufgabe des Berichterstatters sein, den Inhalt der
verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen
zusammenzufassen, gegenueberzustellen, zu gewichten und zu
bewerten, zumal davon auszugehen ist, dass die genannten
Papiere der Landesregierung vorliegen und bekannt sind.
Die Frage der Bauwuerdigkeit der A20 steht jedoch im Mittelpunkt
der Auseinandersetzung. Massive Kritik an der
Verkehrsuntersuchung wird von vielen Buergern und in vielen
Gespraechen geaeussert. Diese orientiert sich an den Aussagen
der genannten Stellungnahmen und Gutachten. Daher werden die immer
wieder vorgetragenen Argumente und Infragestellungen
hier dargestellt:
- Es fehle eine integrierte Gesamtverkehrsplanung fuer die
Ostseeautobahn und den Personen- und Gueterverkehr unter
Beruecksichtigung einer Umweltvertraeglichkeitsstudie. Da die
Untersuchung von vornherein auf die politisch gewuenschte
Loesung, naemlich die geplante Autobahn, fixiert gewesen sei,
koenne sie ihren beiden Aufgaben,
_ "die verkehrlichen Grundlagen fuer die Bewerlung einer neuen
Autobahn zu erarbeiten"
und
_ "einen wichtigen Bestandteil im Rahmen der fuer
Trassenbeurteilung erforderlichen Urnweltvertraeglichkeitsuntersuchung" zu
bilden,
schon vom Ansatz nicht gerecht werden. Der BMV habe im September
1991 postuliert, dass "Investitionen in die
Verkehrsinfrastruktur einer strengen
Umweltvertraeglichkeitspruefung standhalten" muessen.
Unverzichtbarer Bestandteil einer solchen
Umweltvertraeglichkeitspruefung sei daher eine Verkehrsuntersuchung, die
_ alle Verkehrsmittel in angemessener Weise beruecksichtige,
Aussagen zu Vermeidungs- und Verlagerungspotentialen im
Verkehrssektor mache und
_ damit die Grundlagen fuer ein integriertes Verkehrskonzept
entwickle.
- Die Landesregierung Schleswig-Holstein habe sich stets fuer
"integrierte Verkehrskonzepte" eingesetzt und versprochen,
solche zu entwickeln. Dieses Versprechen duerfe nicht durch die in
dem Gutachten vorgenommene einseitige Betrachtungs- und
Interpretationsweise ins Gegenteil verkehrt werden.
- Das Untersuchungsgebiet sei so ausgewaehlt worden, um die
potentiellen Autobahnbenutzer zu finden und damit die A20 zu
rechtfertigen. Dagegen waere angemessen gewesen,
_ das Oberzentrum Hamburg,
_ die Verkehrsverbindungen in die Raeume Berlin, Hamburg und
Ruhrgebiet als die zu erwartenden Hauptachsen fuer Gueter-
und Personenverkehr und
_ die schleswig-holsteinischen Quell- und Zielgebiete eines
Ost-West-Verkehrs
zusaetzlich mit einzubeziehen.
- Die Planungsunterlagen und die benutzten Quellen wuerden nicht
angegeben bzw. seien zu vage, als das sie nachvollzogen
werden koennten oder nachpruefbar waeren. Behauptungen wuerden
nicht belegt, Entwicklungen unterstellt, methodische
Schwaechen durch Allgemeinplaetze zu verdecken versucht. So raeume
M + O zwar ein, dass fuer die Entwicklung der
Erwerbstaetigen fuer den Bereich M-V keine Prognosen vorlaegen,
gleichwohl treffe er aber in den beiden Prognosevarianten
Aussagen ueber den zukuenftigen Strassenverkehr, die serioeserweise
Kenntnisse ueber solche Entwicklungen voraussetzen
wuerden.
M + O behaupte z.B., Planungs- und Entwicklungsabsichten der
Gemeinden im Trassenkorridor M-V hinterfragt und einige
Gemeindestrukturentwicklungsplaene einbezogen zu haben, verschweige
sich aber ueber aussagekraeftige Angaben.
- Das Papier weise weitere eklatante Schwaechen auf
u.a.:
_ die unreflektierte Auswahl der Erhebungsmethodik, die allein
auf eine Rechtfertigung des Bedarfs dieser Autobahn
ausgerichtet sei (z.B. bei der Kennzeichenbeobachtung, der
Kennzeichenverfolgung, der Verkehrsbefragung, der
Plausibilitaetskontrollen, der Zusammenstellung der
Analyse-Verkehrsbelastungen und der Ermittlung der verlagerungsfaehigen
Verkehrsanteile,)
_ durch den Verzicht auf eine nachvollziehbare
Fehlerbetrachtung, wodurch der Arbeit ihre Wissenschaftlichkeit abzusprechen
sei,
_ wegen vieler kleinerer und groesserer Rundungsfehler sowie
durch nachtraegliche Retuschen, mit denen offensichtlich bewusst
eine Steigerung des Verkehrsvolumens in gewuenschte
Groessenordnungen herbeigerechnet werden sollte,
_ mit der Argumentation, den maximal auf eine Ostseeautobahn
verlagerungsfaehigen Anteil des Verkehrs zu beziffern, anstatt
eine Aussage ueber den tatsaechlichen Bedarf einer neuen Strasse zu
treffen.
_ mit der unwahrscheinlichen Behauptung, 100% des
Durchgangsverkehrs der Ortschaften beiderseits der Trassewuerde im
Ergebnis die A20 nutzen, das sei bislang nirgendwo in der BRD
belegt.
- Mit den Prognoseansaetzen erwecke M + O den Eindruck, als ob
mit den genannten Parametern die Verkehrsentwicklung
vorhergesagt werden koenne. Dabei wuerden folgende Aspekte voellig
ausgeblendet:
_ die Entwicklung der Infrastruktur,
_ das zukuenftige Freizeitverhalten,
_ die Frage, inwieweit die oekologischen Kosten des Verkehrs in
Zukunft dem Verkehrsteilnehmer persoenlich zugeordnet
(internalisiert) werden z. B. durch Oeko-Steuern,
_ eine Verkehrspolitik, die zukuenftig verstaerkt oekologische
Ziele durch ordnungspolitische Massnahmen wie Tempolimit,
Parkraumbewirtschaftung oder temporaere und regionale Fahrverbote
anstrebt.
- Die gewaehlte Prognosevariante A unterstelle mit einem
durchschnittlichen Wachstum des BSP von real jaehrlich 4 % bis zum
Jahre 2010 einen beispiellosen wirtschaftlichen Boom und sei
voellig unrealistisch, zumal gleichzeitig ein
Bevoelkerungsrueckgang von 78,7 auf 77,5 Mio Menschen unterstellt
werde. Auch der Prognoseansatz B, der von einem
durchschnittlichen jaehrlichen Wachstum von 2,5 % BSP ausgehe, sei
wenig wahrscheinlich. Zwar werde diese Variante als
"gedaempfte" Entwicklung bezeichnet, tatsaechlich sei sie aber
"geschoent". So erwarte der Jahreswirtschaftsbericht der
Bundesregierung fuer 1992 ein Wachstum von 2 %, die Bundesbank
zwischen 1,5 und 2 %. Selbst die von M + O genannten
Zahlen fuer die Vergangenheit (z. B. zwischen 1980 und 1990 mit
Mittel 2,1 %/Jahr) wuerden belegen, dass eher mit einem
weiteren Fallen des realen Wirtschaftswachstums ueber laengere
Zeitraeume gerechnet werden muesse.
- Es sei falsch, aus den angenommenen Zuwachsraten auf eine
entsprechende lineare Zunahme des Motorisierungsgrades zu
schliessen. Bei einer weitgehenden Vollmotorisierung von 97 % aller
"Norm"-Haushalte in Westdeutschland sei das
ausgeschlossen. Vielmehr sei eine Entwicklung aehnlich der
Abkoppelung des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum
auch bei der Motorisierung sehr viel wahrscheinlicher.
- Nach Aussage von M + O basiere seine Untersuchung auf
Zahlenwerten des Statistischen Landesamtes Schleswig-Holsteins
und der Shell-Prognose 1990. M + O verwende aus dieser aber
lediglich den erwarteten PKw-Bestand fuer das Jahr 2010
und die Methode, eine von der Wirtschaftsentwicklung abhaengige
Minimal- und Maximalprognose aufzustellen. Unterschiede
ergaeben sich dagegen in der Abschaetzung des Verkehrsaufkommens.
Die Shell-Prognose unterstelle naemlich eine Abnahme
der Jahresfahrleistung pro PKW bei einer gleichzeitigen deutlichen
Steigerung der PKW-Dichte.
- Dieser Ansatz entspreche den Erfahrungen der Vergangenheit und
werde mit dem hoeheren Anteil an Zweit- und Drittwagen
begruendet. M + O gehe dagegen von einer Steigerung der
Jahresfahrleistung aus und begruende diese pauschal mit einer
Erhoehung der Fahrten pro Tag infolge erweiterter beruflicher
Moeglichkeiten und veraenderter Freizeitangebote.
- Diese Steigerung mit einem sogenannten Mobilitaetsfaktor von
1,1 bis 1,4, dessen Groesse nicht naeher erlaeutert werde, sei
offensichtlich willkuerlich, um das Gefaelligkeitsgutachten
abzurunden. Tatsaechlich sei die Mobilitaet ("die Faehigkeit,
moeglichst viele verschiedene Ziele fuer bestimmte gewuenschte
Zwecke in einer bestimmten Zeit zu erreichen") in der
Vergangenheit trotz steigenden PKw-Bestandes einigermassen konstant
geblieben.
- Zwischen Mobilitaet und Fahrtenhaeufigkeit einerseits und
PKW-Benutzung anderseits gebe es keinen zwangslaeufigen
Zusammenhang. So seien Mobilitaet und Fahrtenhaeufigkeit in der
alten DDR und der frueheren BRD identisch gewesen -
jedoch mit einer voellig unterschiedlichen Wahl der Verkehrsmittel.
Unbegruendet und willkuerlich wuerde M + O dagegen das
nach seiner Meinung im Jahre 2010 herrschende Beduerfnis nach
Mobilitaet vollund ganz dem motorisierten Individualverkehr
zuschlagen, ohne moegliche Entlastungswirkungen oeffentlicher
Transportmittel (Fahrrad, zu Fuss gehen) zu beachten. M + O
verwende gegenueber dem ueblichen Verfahren als Prognosegrundlage
nur den Kfz-Bestand und die Mobilitaet,
beruecksichtige aber ausdruecklich nicht die Wegelaenge. Eine
nachpruefbare Begruendung dafuer fehle.
- M + O mache einen methodischen Fehler, der zusaetzlich zu
ueberhoehten Prognosewerten fuehren wuerde: Gerechnet
werde mit den Verkehrswerten aus 1991 (DTV 91) und dem
Motorisierungsgrad, der 1989 fuer das Jahr 1990 geschaetzt
worden sei. In den neuen Bundeslaendern habe sich aber in 1990 der
Motorisierungsgrad sprunghaft erhoeht. Da der erwartete
Wert fuer 2010 gleichbleiben falle die Steigerung von 1991 auf 2010
wesentlich geringer aus als von 1990 auf 2010.
- Zwischen den Prognosen von M + O und derjenigen der Shell
wuerden sich somit Abweichungen von bis zu 100 % ergeben,
denn ersterer haette wesentliche Annahmen mit dem Ergebnis
veraendert, dass unvorstellbare Verkehrszuwaechse den Bau der
A 20 erzwaengen.
- Es sei eine Ueberschaetzung der Wirtschaftskraft Luebecks,.
wenn jetzt ein hoher Einpendlerstrom erwartet wuerde.
Tatsaechlich verfuege Luebeck nicht so zahlreich ueber
Arbeitsplaetze (im Januar 1992 9,5 % Arbeitslose im Raum Luebeck
gegenueber einem Bundesdurchschnitt von 6,3 %), als dass sie in
groesserem Umfang fuer die oestlich gelegene Region als
Pendlerziel fungieren koenne.
- Die Ergebnisse der M + O-Untersuchung vom 30. September 1991
wuerden erhebliche Abweichungen zu denen vom 12.
November 1991 aufweisen, ohne dass sich die Datenbasis erkennbar
veraendert haette. Vielmehr wuerden unbegruendet die
Prognosewerte auf der A1 erheblich erhoeht und die Differenz
zwischen einer Nord- und Suedanbindung vergroessert, um eine
Suedtrasse zu praeferieren. Auch die meisten weiteren Zahlen seien
drastisch erhoeht worden (teilweise ueber 110 %).
- Es werde verschwiegen, dass bei den prognostizierten Zahlen
selbst bei der Variante B in jedem Fall ein 8-streifiger Ausbau
der A1 zwischen Luebeck-Mitte und Autobahndreieck Bad-Schwartau
notwendig werde, wenn die gueltigen Richtwerte
eingehalten wuerden. Gleichzeitig wuerde jedoch als besonderer
Vorteil der A20 allgemein und der Suedtrasse insbesondere
die Entbehrlichkeit dieses Ausbaus hervorgehoben.
- M + O habe sich trotz gegenteiliger Behauptung mit dem
moeglichen Ausbau der Schienenwege und einer damit verbundenen
evtl. staerkeren Nutzung der Bahn ueberhaupt nicht ernsthaft
befasst. Seine Behauptung, dass 1990 81,4 % aller
Guetertransporte ueber die Strasse abgewickelt worden seien, sei
schlicht falsch. Nach den offiziellen Zahlen des BMV seien
1990 in den alten Bundeslaendern 56,7 % und in den neuen
Bundeslaendern 22 % der Guetertransporte ueber die Strasse
abgewickelt worden.
3.3. Allgemeine Kritik am Bau der
A20
Die Gegnerschaft gegen die A20 wird u.a. immer wieder damit
begruendet, dass ueber den Bau der Ostseeautobahn
schon zu einem sehr fruehen Zeitpunkt ohne Daten und Fakten
politisch entschieden worden sei - als Prestigeobjekt und als
Symbol fuer den Aufschwung in Mecklenburg-Vorpommern. Im Nachhinein
seien dann Verwaltung und Gutachter aufgefordert
worden, die Bauwuerdigkeit zu begruenden. Damit sei auch die
Glaubwuerdigkeit der politischen Argumentation verloren
gegangen und habe zu gegenseitigem Misstrauen und auch zu
Feindseligkeiten gefuehrt.
Am 4. Maerz 1991 teilte der BMV dem MWTV des Landes
Schleswig-Holstein mit "dass die Bauwuerdigkeit einer Autobahn
zwischen Luebeck und Rostock aufgrund einer gesamtwirtschaftlichen
Bewertung nachgewiesen ist, so dass von einer
vordringlichen Einstufung im gesamtdeutschen Verkehrswegeplan
ausgegangen werden kann." Die Grundlage dieser
vorlaeufigen Bewertung (Stand 14.2.1991), die inzwischen durch den
Entwurf des BVWP '92 (Stand 9.4.1992) aktualisiert
worden ist, wird entschieden in Frage gestellt:
- 1991 seien die Kosten zum Preisstand 1983 geschaetzt worden.
Dadurch sei mindestens eine Halbierung der inzwischen zu
zahlenden Kosten und nur so ein Nutzen-Kosten-Faktor von ueber vier
erreicht worden.
- Die fuer Schleswig-Holstein angesetzten 165 Mio DM seien
voellig unrealistisch. Damit koenne vielleicht eines der von der
Landesregierung geforderten Tunnelbauwerke gebaut
werden.
- Auch die jetzt von der M + O-Verkehrsuntersuchung (maximal
66.400 Kfz/24h) abweichenden Verkehrszahlen der
Kosten-Nutzen-Analyse (50.500 Kfz/24 h max 70.00 Kfz/24h) wuerden
nicht stimmen. Wie fahrlaessig mit Zahlen operiert
wuerde, zeige sich schon daran, dass der Entwurf BVWP den
LKW-Anteil mit 8 % (5 % an Urlaubswerktagen) beziffere,
waehrend der Bericht der Arbeitsgruppe noch die alte
gesamtwirtschaftliche Bewertung mit einem LKW-Anteil von 10,5 %
(bezogen auf DTV 2010 von 33.908 Kfz/24h) zitiere. Oder dass er im
Jahre 2010 50.000 Kfz/24h zwischen Luebeck und
Rostock prognostiziere, obwohl dort heute nur etwa 17.000 Kfz/24h
fahren wuerden, dagegen im gleichen Jahr zwischen
Luebeck und Kiel nur 15.000 Kfz/24h - also 1.000 weniger als heute
vorhersage.
- Der angegebene Projektnutzen (in Hoehe von 313,368 Mio DM) sei
ueberhaupt nicht nachvollziehbar und habe innerhalb
eines Jahres kuriose Veraenderungen nach oben erfahren, um den
Kosten-Nutzen-Faktor zu verbessern.
Waehrend in der Wirischaftlichkeitsbewertung vom 14.2.1991 die
Kosten fuer die Strecke Luebeck-Stralsund mit1,9 Mrd
DM und der Umweltnutzen mit 10,9 Mio DM angegeben sei, sei der
Umweltnutzen fuer die kuerzere Strecke
Luebeck-Rostock bei Gesamtkosten von 1,32 Mrd DM auf 24,1 am
9.4.1992 gestiegen.
- Die Bewertung stecke voller Ungereimtheiten: die
Transportkosten wuerden auf 25 % des urspruenglichen Ansatzes sinken,
die Kosten der Wegehaltung wuerden sich halbieren. die besser
Erreichbarkeit verdreifache sich die regionalen Effekte
wuerden mit 51 Mio DM/jaehrlich: Die Umwelteffekte, die sich In
einem Jahr verdoppelt haetten, seien in einer Anhoerung so
begruendet worden:
_ ersparte Kosten fuer nicht mehr notwendige Schallschutzfenster
in Haeusern, die an durch die A20 laermentlasteten Stassen
liegen,
_ weniger emittierte Abgase ersparen den Einbau von
Katalysatoren in Kfz,
_ weniger Verkehr z.B. auf der B 105 baut die Trennwirkung ab,
ermoeglicht ein schnelleres Ueberqueren und fuehrt zu
Zeiteinsparnis, die als Arbeitszeit bewertet wird,
_ steigende Wohnqualitaet in entlasteten Strassen fuehrt zu
hoeheren Mieten = Umweltnutzen.
- Dagegen bleibe voellig offen, wie eigentlich die erheblichen
Umweltlasten, die durch eine Ostseeautobahn verursacht wuerden
(BVWP '92 spreche von "erkennbaren erheblichen Problemhaeufungen
mit besonderem Gewicht in grossraeumiger
Betrachtung") finanziell bewertet wuerden. Zu nennen seien
Flaechenverbraeuche, Laerm, Luftschadstoffe, Klimaeffekte,
Zerstoerung von Naherholungsgebieten, Vernichtung wertvoller
Biotope etc.). Mit den lnvestitionskosten, die als
Kostenpositionen baulichen Laermschutz und bauliche Massnahmen zur
Minderung von Eingriffen in Natur und Landschaft
enthalten wuerden, seien diese volkswirtschaftlichen Kosten
jedenfalls nicht abzudecken.
- Die Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von
Verkehrsinfrastrukturmassnahmen wird angezweifelt. Diese wuerde
noch immer so betrieben wie vor 30/40 Jahren und neue Erkenntnisse
in der Wissenschaft und Wirtschaft nicht mit einbeziehen.
Zu fordern sei eine Kosten-Nutzenbewertung, wie sie auch Anwendung
fuer Wirtschaftsinvestitionen finde. Die
Investitionsgesamtsumme wuerde nicht ehrlich veranschlagt, das
Pay-back sei viel zu gering, die Amortisation wuerde entweder
nicht beruecksichtigt oder ueber einen viel zu langen Zeitraum. Die
Moeglichkeiten fuer errichtete Autobahnen
Wirtschaftslichkeitskontrollen (also eine Art nachtraeglicher
Kosten-Controlling) durchzufuehren und aus den Differenzen zu
den seinerzeit unterstellten Wirtschaftlichkeitsannahmen neue
Kriterien zu entwickeln - eine Selbstverstaendlichkeit fuer jedes
Unternehmen - werde nicht genutzt. Vor allen Dingen aber wuerden
die zu erwartenden zwingenden Folgebaumassnahmen
weder in die Planung und gutachterliche Bewertung noch in die
Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgenommen. Das gelte auch
fuer die geforderten und spaeter dann tatsaechlich durchgesetzten
oekologischen Auflagen.
- Der BMV verweigere die Offenlegung seiner Grundlagedaten, die
sowohl fuer seine eigenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen
als auch fuer die beauftragten Gutachter von erheblicher Relevanz
seien. So sei z.B. derKosten-Nutzen-Faktor fuer die A20
von 4,3 (14.2.1991) auf 6,1 (9.4.1992) angestiegen.
- Die Autobahn werde scheibchenweise berechnet und bewertet.
Zunaechst zoege man sich die verkehrstraechtigeren Bereiche
heraus. So sei erst einmal Luebeck-Rostock hochgerechnet worden.
Dann wuerde die Strecke Luebeck-Rostock-Stralsund
bewertet., um die verkehrsaermere Region Rostock-Stralsund "im
Huckepack" mitzunehmen. Als dritter Schritt wuerde unter
Zurhilfenahme der auf der Strecke Luebeck-Rostock-Stralsund
produzierten und angezogenen Verkehre der Weiterbau
Richtung Al 1 (Stettin) begruendet. Dieser werde dann als zwingend
notwendig bezeichnet, um die sonst durch den
prognostizierten Verkehr ueberlasteten Bundes-und Kreisstrassen zu
entlasten. Offen werde auch zugegeben, dass z.B. die
Strecke Stralsund-Stettin durch nur sehr gering besiedeltes Gebiet
fuehre und deswegen - so der BMV - die "Bewertung fuer
das Gesamtprojekt tendenziell niedriger" ausfallen
wuerde.
- Der Gipfel der Manipulation werde erreicht, wenn die Bewertung
der Strecke Luebeck-Rostock-Stralsund die Gesamtlaenge
bis Stettin begruenden solle, die sehr viel weiter suedlich geplant
sei. Die Identitaet beider Strecken sei ueberhaupt nicht
gegeben, denn tatsaechlich sei nicht die Ostseeautobahn, sondern -
was auch von Mitarbeitern des BMV zugegeben werde -
die B 105 von Luebeck bis Stralsund bewertet.
- Eine Autobahn koenne zwar in Abschnitten geplant werden, aber
die Wirtschaftlichkeits- und Umweltbewertung muesse fuer
die gesamte Strecke erfolgen (das wuerden sicherlich auch die
Vertragspartner verlangen, wenn der BMV seine
Leasing-Absichten fuer Autobahnen realisieren wolle).
- Die oekologischen Auswirkungen der prognostizierten
Verkehrsentwicklungen, die die Autobahn begruenden, seien
apokalyptisch nicht nur fuer den Luebecker Raum, sondern europa-
und weltweit. Sie wuerden nicht nur den letzten Anstoss
fuer die Zerstoerung unserer Lebensgrundlagen geben, sondern seien
auch volkswirtschaftlich nicht zu verantworten, weil sie
u.a. vielen Wirtschaftsbetrieben die Grundlage entziehen
wuerden.
- Eine Beschraenkung auf die drei Einflussparameter
Motorisierungsgrad, Mobilitaet und Bevoelkerungsentwicklung sei
unzureichend angesichts des von allen Parteien proklamierten
Umweltschutzes, der sogar als Staatsschutzziel ins Grundgesetz
aufgenommen werden solle. So werde beispielsweise der von der
Bundesregierung beschlossenen Absicht, die
CO2-Emmissionen bis zum Jahre 2005 um 25 % zu senken, in keiner
Weise Rechnung getragen. Veraltete Wachstumstheorien
stuenden zu dieser Zielsetzung im Widerspruch und wuerden daher auf
ihnen beruhende Verkehrsprognosen wertlos machen.
- Mecklenburg-Vorpommern, das am duennsten besiedelte Land der
Bundesrepublik Deutschland, werde in der
Verkehrsuntersuchung undifferenziert mit allen neuen Bundeslaendern
gleichgesetzt.
- M + O erkenne nicht, dass die Verwirklichung der Prognosen
ueberhaupt erst moeglich werde, wenn neue Strassen gebaut
wuerden. Denn ohne Strassenbau finde der in den Hochrechnungen
vorhergesagte Verkehr ueberhaupt keinen Platz mehr auf
den Strassen. Mit anderen Worten: die A20 sei die Ursache dafuer,
dass die prognostizierten Verkehrsmengen (mit den
weiteren zusaetzlichen Belastungen auf dem uebrigen Strassennetz)
ueberhaupt eintreffen koennten. Insofern bestaetige das
Verkehrsgutachten, dass sich die A20 den Verkehr selbst schaffe
(zumal auch der Anteil der auf der Strasse transportierten
Gueter weiter ansteigen werde), mit dem dann ihr Bedarf begruendet
werde.
- Alternativen zur A20 wie z.B. der Ausbau vorhandener Strassen
wuerden mit pauschalen und nicht begruendeten
Behauptungen (Unfallgefahr steigt, erhebliche zusaetzliche
Verlaermung, oder zweispurige Strassen verstaerken Eingriffe in die
Natur) abqualifiziert oder in ihrer Wirkung immer nur vereinzelt
betrachtet und nicht als integrierter Bestandteil einer alternativen
Gesamtloesung, zu der z.B. auch verkehrsordnungspolitische und
planerische Massnahmen zur Laerm- und
Schadstoffminderung gehoeren wuerden.
- M + O wuerden mit ihrer Argumentation fuer eine A20 den
Eindruck erwecken, dass Umgehungsstrassen im Bereich der
B105 und B104 in Mecklenburg-Vorpommern vermieden werden koennten.
Dafuer gebe es keine Belege, das Gegenteil sei
eher der Fall, denn wegen der ortsfernen Trassierung der A20 in
Mecklenburg-Vorpommern werde es nicht die erhofften
Entlastungseffekte in den Ortschaften geben.
- Die Folgen einer A20 besonders dann, wenn die gewuenschten
komplementaeren Strassenausbau und -neubaumassnahmen
nicht oder erst sehr viel spaeter verwirklicht wuerden, wuerden
systematisch verschwiegen oder heruntergespielt. Verschwiegen
wuerden auch die Belastungen der Folgeprojekte wie z. B. der jetzt
geplanten westlichen Fortfuehrung der A20 mit der
Elbquerung bei Stade oder der von Wirtschafts- und Verkehrsminister
Dr. Thomas favorisierten Elbquerung bei Brunsbuettel.
- Wie unsinnig die "Berechnungen" der Gutachter seien, sehe man
an dem Ergebnis, dass ueber eine Suedvariante der
Ostseeautobahn im Jahre 2010 einige tausend Kraftfahrzeuge mehr
Verkehr fliessen werde als auf der A24 zwischen den
beiden groessten deutschen Staedten Hamburg und Berlin. Nach ihren
Prognosen koenne auch die von Nord nach Sued, von
Rostock nach Berlin, verlaufende A19 eine Kreisstrasse werden, denn
die senkrecht dazu geplante A20 werde angeblich 2/3
des Nord-Sued-Verkehrs aufnehmen.
- Aus den Zahlen des Gutachtens koenne gefolgert werden, dass
eine im Sueden Luebecks gefuehrte A20 im Jahre 2010
19.100 Kfz/24h von der A24 absaugen werde. Bei einem auf der A20
prognostizierten Verkehrsaufkommen von 32.700
Kfz/24h mache die abgezogene Verkehrsdichte einen Anteil von 58 %
aus. Ohne diesen Absaugeffekt betruege somit die
Verkehrsdichte auf der A20-Sued 13.600 Kfz/24h. Dieses
Verkehrsaufkommen koenne auf einer typischen Stadtstrasse
abgewickelt werden. Wer sich die Muehe mache, die absurde
Groessenordnung der von M + O prognostizierten Verkehre
folgerichtig weiterzurechnen, kaeme z.B. zu der Notwendigkeit,
wegen Ueberschreitung der Kapazitaetsgrenzen nicht nur die
A1, die A226 und die B75 zu verbreitern bzw. durch
Parallelautobahnen zu ergaenzen, sondern auch das gesamte
nachgeordnete Strassennetz weiter auszubauen. Auch im uebrigen
Schleswig-Holstein muessten kreuz und quer neue
Autobahnen gebaut werden.
- Die Untersuchung sei voll von tendenzioesen Annahmen und
Unterstellungen. So wuerden Verkehrsalternativen wie eine
Attraktivitaetssteigerung der Bahn kurz und unsachlich diffamiert;
die Nachteile der abgelehnten Loesungen (Null- und
Ausbauvarianten, Nordanbindung Luebecks) wuerden benannt und
scheinbar objektiv mit Zahlen belegt, die Nachteile der
favorisierten Suedanbindung Luebecks an die beabsichtigte A20 aber
konsequent verschwiegen oder heruntergespielt. Die
Gutachter wuerden ihrer Pflicht, Alternativen ernsthaft zu pruefen,
nie gerecht.
- Im Hinblick auf die Glaubwuerdigkeit waere ein drittes
Szenario notwendig gewesen, das von einer gestaltenden,
regulierenden Verkehrspolitik und einer Staerkung des oeffentlichen
Verkehrs (Bahn und Bus) auf allen Ebenen ausgeht.
- Die geringe Ueberzeugungskraft von Prognosen und ihr oft vom
Ergebnis bestimmter manipulativer Ansatz werde deutlich,
wenn man sich die unterschiedlichen Zahlen des gesamten
Ost-West-Verkehrs in der Region Luebeck nach den vorliegenden
vier Studien und Untersuchungen vor Augen fuehre:
Prognosen
A
Planungsstudie "Verkehrliche Auswirkungen der Grenzoeffnung in
Luebeck", Hamburg Consult, September 1990
B
Gutachterstudie "Ostseeautobahn A 20", Dr. Ing. Baier GmbH,
Aachen, August 1991
C
Verkehrsuntersuchung "Neubau der Bundesautobahn A20",
Ingenieurgesellschaft Masuch und Olbrisch, Fassung 30.
September 1991
D
Verkehrsuntersuchung "Neubau der Bundesautobahn A20,
Ingenieurgesellschaft Masuch und Olbrisch, Fassung 12. November
1991
Gesamter Ost-West-Verkehr in der Region Luebeck
(Kfz / 24h)
1991A 2000B 2000C
2010D 2010
22.800 85.000 110.000
41.100 60700
55.500 82.400
372 % 504% 180-243 % 226-375 %
100 % 100 % 135
% 48-65 % 71-97 %
- M + O habe in Hamburg im Zusammenhang mit einem anderen
Strassenbauvorhaben ganz andere Verkehrsprognosen
gestellt. Danach sei im Jahr 2000 ein Plateau erreicht und dann
wuerde der Verkehr langsam abnehmen. Bei diesem Gutachten
sei es aber darum gegangen, die Verkehrsentwicklung zu daempfen, um
die Forderungen der Anlieger nach den gesetzlich
vorgesehenen Laermschutzmassnahmen zu unterlaufen bzw. zu
reduzieren.
- Es werde zu wenig beruecksichtigt, dass die Reduzierung des
Verkehrs auf einer Strasse zu sehr geringen Laermentlastungen
fuehre, der verlagerte Verkehr an einer anderen Stelle aber zu
ungleich hoeheren, erheblichen Belastungen fuehre.
- Die Verkehrszaehlungen seien von M -+ O in einem Zeitraum,
naemlich in den Monaten Juni und Juli 1991 durchgefuehrt
worden, in dem noch sehr grosse Unterschiede in den Konsum-,
Freizeit- und Arbeitsangeboten vorhanden gewesen seien. In
diesen Monaten sei daher der Einkaufs-, Freizeit-, Versorgungs- und
Berufsverkehr aus Mecklenburg-Vorpommern
unverhaeltnismaessig hoch gewesen. Es habe sich um eine
verkehrliche Ausnahmesituation gehandelt, die nicht Grundlage einer
Verkehrsanalyse sein koenne.
- M + O unterstelle im Gegensatz zur allgemein anerkannten
Fachmeinung bei der Betrachtung der Nullvariante, dass sich die
Verkehrszunahme - abgesehen von der Verlagerung - ebenso entwickeln
werde wie bei dem Angebot einer leistungsfaehigen
Autobahn.
Die Bemuehungen, die Gutachter von M + O und deren Kritiker an
einen Tisch zu bekommen, um zu versuchen, in einem
Gespraech moegliche Missverstaendnisse auszuraeumen und die
verbleibenden kontraeren Positionen klar herauszuarbeiten,
bleiben leider wegen der nicht erfuellbaren Voraussetzungen, die
beide Seiten fuer ein solches Treffen stellten, erfolglos.
In einer schriftlichen Stellungnahme, die sich gegen die
Position des Umweltamtes Luebeck richtet, weist M + O darauf hin,
dass eine genaue Analyse etwaiger alternativer
Loesungsmoeglichkeiten sowie des ruhenden Verkehrs nicht Gegenstand ihrer
Untersuchung sein konnte, da dieses bereits Gegenstand der
Untersuchung des BMV bei der Ermittlung von Massnahmen im
Rahmen des Gesamtprojektes "Deutsche Einheit" gewesen
sei.
- Zur Mobilitaet fuehren sie aus, dass diese als Anzahl der
Fahrten pro Person pro Tag definiert werde. Die persoenliche
PKW-Verfuegbarkeit fuehre in aller Regel zu einem deutlichen
Anstieg der Mobilitaet.
- Fuer die jaehrliche Fahrleistung sei keine Abminderung,
sondern bezogen auf den Motorisierungsgrad allenfalls ein
gleichbleibendes Niveau implizit vorausgesetzt worden, weil die
Shellvoraussagen einen Mittelwert angeben wuerden, der unter
den durch die Wechselbeziehungen zwischen alten und neuen Laendern
sowie durch den gesteigerten Binnenverkehr der neuen
Laender zu erwartenden Werten liege. Auf dem Gebiet der neuen
Laender seien aehnliche Steigerungen der jaehrlichen
Fahrleistungen wie in den alten Bundeslaendern zwischen 1975 und
1990 (120% auf Bundesautobahnen, 43 % auf
Bundesstrassen) zu erwarten, zumal ihr Mobilisierungsgrad 1991 dem
der alten Laender von 1970 entspreche.
- Auch bei der Mobilitaet koenne nur ein Vergleich mit der
Entwicklung der letzten Jahrzehnte in den alten Laendern die
Grundlage fuer die Prognose sein. Die Daten seien einer
PROGNOS-Veroeffentlichung von 1990 entnommen. Aus den
tatsaechlichen Mobilitaetsanstiegen 1990 und den prognostizierten
fuer 1990 bis 2010 sei danach von einem
Mobilitaetszuwachs in den neuen Laendern von 34% auszugehen. Der
Durchschnitt der fuer die neuen Laender angesetzten
Mobilitaetsfaktoren (1,2 fuer Prognosefall B und 1,4 fuer
Prognosefall A) liege mit 1,3 im Bereich dieser 34%.
- PROGNOS habe fuer die "zurueckgelegten Kilometer pro Person
pro Tag" eine Steigerung von 41 % zwischen 1970 und
1990 festgestellt. Eine analoge Anwendung rechtfertige die
Einschaetzung, dass in den neuen Bundeslaendern und in den von
ihnen stark beeinflussten ehemaligen Grenzbereichen nicht mit einem
Rueckgang der jaehrlichen Fahrleistung gemaess
Shell-Mittelwerte zu rechnen sei.
In einem Gespraech beklagten sich die Verkehrsgutachter ueber
die Einseitigkeit der Stellungnahme des Planungsbueros
Richter-Richards in der Bewertung von Pro- und Kontrapositionen.
Dessen Verstaendnis und Kenntnis wurde in Frage gestellt
und ihm vorgeworfen, sich bei der Widerlegung der verschiedenen
Verkehrsgutachten auf plakative Aussagen und nicht
beguendete Phrasen zu beschraenken. Es sei nicht fair, den Entwurf
eines Gutachtens mit der Endfassung zu vergleichen und
Abweichungen dann zu interpretieren. Es gebe nur ein Gutachten von
ihnen, naemlich das in der Endfassung vom 12.
November 1991. Die bekanntgewordene Fassung vom 30. September 1991
sei ein ueberarbeitungs- und
ergaenzungsbeduerftiges Manuskript gewesen und daher
unerheblich.
Die angenommenen Steigerungen der Mobilitaet seien nur in dem
Masse dem Individualverkehr zugeschlagen worden, wie
PROGNOS die Entwicklung der Individualverkehrsmobilitaet
nachgewiesen habe. Schliesslich sei die Behauptung , dass die
Verkehre in der Region eine A20 nicht befahren wuerden, nur eine
Einschaetzung des Bueros R-R, verkehrstechnische
Nachweise wuerden nicht gefuehrt. Die mehrfach zitierte Schwaechung
des Wirtschaftsraumes Mecklenburg-Vorpommern
werde ausser durch einige Globalsaetze durch nichts untermauert.
Tatsache sei aber, dass ohne eine funktionierende
Infrastruktur, zu der auch Fernstrassenverbindungen gehoeren
wuerden, ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht moeglich sei.
4. Die verkehrs- und wirtschaftspolitische Bedeutung
derA20
- 4.1. Auffassungen der Bundes- und
Landesregierungen
- 4.2. Meinungen aus der
Wirtschaft
- 4.3. Auswirkungen der A20 auf
andere Verkehrstraeger und -wege
- 4.4. Verkehrspolitische Bedeutung
der A20 fuer M-V
- 4.5. Bedeutung der A20 nach der
Wiedervereinigung
4.1. Auffassungen der Bundes- und
Landesregierungen
Die Verkehrs- und wirtschaftspolitische Bedeutung der A20 ist
neben ihrer Bauwuerdigkeit und den Auswirkungen auf den
Naturhaushalt der dritte zentrale Streitpunkt. Die Position der LRe
S-H findet sich u.a. in der Buergerinformation des MWTV,
im Bericht der Arbeitsgruppe der LReg zur A20 und in der
Presseerklaerung der LReg vom 29.1.1992, die Auffassung der
Bundesregierung u.a. in der Veroeffentlichung ueber die "Projekte
Deutsche Einheit" , in der Kosten-Nutzen-Bewertung vom
14.2.1991, im Entwurf des BVWP '92 mit Anlagen (Stand 9.4.1992) und
in der Veroeffentlichung des BMV "Neue Wege
braucht das Land. Jetzt! Damit die Zukunft nicht auf der Strecke
bleibt. Projekt 10 A2O/Luebeck-Stettin". Daneben gibt es
viele schriftliche und muendliche Aeusserungen von Politikerinnen
und Politikern der Bundes- und Landesebene.
Obwohl Bundes- und Landesregierung den Bau einer Ostseeautobahn
gleichermassen fuer notwendig halten, faellt die
verkehrs- und wirtschaftspolitische Einordnung in den oeffentlichen
Aeusserungen unterschiedlich aus.
Sie haengt davon ab, wie die A20 definiert und welche Funktion
ihr zugewiesen wird. So wird die A20 beguendet als
notwendige Verbindung zwischen
- Luebeck - Rostock,
- Luebeck - Rostock - Stralsund,
- Luebeck - Stettin.
- als Teilstueck
= einer A20, die westlich der Elbe an die A1 in Niedersachsen
anschliesst,
= einer sog. Baltischen Magistrale, die ueber Gdynia,
Kaliningrad, Riga, St. Petersburg nach Helsinki fuehrt
= einer transeuropaeischen Verbindung zwischen den Benelux-Laendern
und dem Baltikum einerseits und zwischen dem
Baltikum und Skandinavien anderseits
und
als Luebecker Umgehungsstrasse.
Nach Auffassung der Landesregierung leistet die A20
u.a.
- einen wichtigen Beitrag zur noch dynamischeren Entwicklung des
Ostseeraumes als einer der wichtigsten Wirtschaftsregionen
der Europaeischen Gemeinschaft,
- verhilft Schleswig-Hostein und dem gesamten Ostseeraum zu
einer besseren Anbindung an das Verkehrsnetz der BRD und
der EG,
- gibt der wirtschaftlichen Entwicklung Ostholsteins wichtige
Impulse,
- ist fuer die wirtschaftliche Entwicklung in der Hansestandt
Luebeck und den umliegenden Regionen von grosser Bedeutung,
- verlagert die Durchgangsverkehre Luebecks auf die neue Strasse
und ermoeglicht so, den Verkehr in der Stadt neu zu
organisieren,
- erschliesst die Ostseekueste regional, bindet sie
ueberregional an, gibt der Wirtschaft in der Region M-V nicht zuletzt im
touristischen Bereich einen Anstoss fuer die Weiterentwicklung
und
- macht den Lagevorteil der Ostseehaefen im Vorlandverkehr
gemeinsam mit einer leistungsfaehigen Schienenverbindung im
Hinterland erst moeglich.
4.2. Meinungen aus der
Wirtschaft
Fuer die Industrie- und Handelskammer zu Luebeck hat das "Ob"
einer A20 nie zur Dispositon gestanden.
- Die Ostseeautobahn sei eine dringend notwendige
Massnahme,
_ um die seit der Grenzoeffnung sprunghaft gestiegenen
Verkehrsmengen und die zukuenftig noch zu erwartenden Zuwaechse in
Ost-West- und West-Ost-Richtung zu bewaeltigen,
_ da das vorhandene Strassennetz kapazitaetsmaessig nicht in der
Lage sei, den Verkehr aufzunehmen und - auch unter
oekologischen Aspekten - nicht ausbaufaehig sei,
_ da der Ausbau des Schienenverkehrs, der fuer die Wirtschaft
ebenfalls eine hohe Dringlichkeit habe, nicht als Alternative zur
A20 gesehen werden koenne,
_ denn sie wuerde die Wirtschaftsbeziehungen zwischen S-H und
M-V verbessern und den Unternehmen helfen, sich neue
Maerkte zu erschliessen,
_ ein Verzicht wuerde fuer Luebeck und die umgebenden Gemeinden,
gerade im Sueden der Stadt zu erheblichen
Verkehrsbelastungen fuehren und insgesamt die Wirtschaft Luebecks
und Schleswig-Holsteins in den Windschatten der
Entwicklung geraten lassen.
- Dagegen habe es sowohl im Verkehrssauschuss als auch im
Regionalbeirat der IHK zu Luebeck Diskussionen ueber die
Trassenfuehrung und zunaechst ein Votum fuer die Nordtrasse
gegeben. Die Vollversammlung habe sich dann aber am
3.12.1991 fuer eine stadtnahe Suedtrasse ausgesprochen. Sie sei
wirtschaftlich ' die interessantere, sichere mehr bestehende
und schaffe mehr neue Arbeitsplaetze in Luebeck und erschliesse
neue Gebiete fuer das Wohnen und Arbeiten. Dabei
favorisiere die IHK Trasse Variante 4, akzeptiere aber auch eine
etwas suedlicher verlaufende Fuehrung.
- Der Verkehrsausschuss macht in seiner Sitzung am 29.4.1991
deutlich, dass er die von der LReg geforderten und zum
BVWP angemeldeten Schienenprojekte zwar unterstuetze, aber seine
eindeutige Prioritaet bei den Strassenprojekten und
insbesondere bei der A20 liege.
- Er bejaht oekologische Massnahmen bei der Realisierung dieses
Bauwerkes im Rahmen der in der BRD ueblichen
Massstaebe. Vor ueberzogenen Forderungen muesse allerdings gewarnt
werden, da sonst die Realisierung wegen zu hoher
Kosten in Frage gestellt werden koennte. Diese Befuerchtung wird
wiederholt, als Herr Richter, MWTV, auf eine
entsprechende Frage antwortet, dass die im BVWP '92 fuer die A20
auf Schleswig-Holsteiner Gebiet veranschlagten 165 Mio
DM viel zu niedrig seien und ggbfs. nur die Kosten fuer eine
Untertunnelung der Wakenitz abdecken wuerden.
- Die IHK fordert
_ die zeitgleiche Verlegung der B 207 aus Gross
Groenau,
_ den zeitgleichen Ausbau der B 206 nach Bad Bramstedt ueber Bad
Segeberg an die A7 und die Verlagerung der B 206 aus
Stockeisdorf und deren Anbindung an die Anschlussstelle
Al/A20,
_ die Verlegung der B75 aus der Ortslage Hamberge und
_ den Bau von Park and Ride-Plaetzen an die beiden suedlichen
Stadtzubringer Kronsforder Allee und die verlegte B 207.
- Zu den von der Landesregierung bzw. von der Arbeitsgruppe
geforderten zeitgleich zu verwirklichenden
OePNV-Massnahmen aeussert sich der Verkehrsausschuss
zurueckhaltender. Sie koennten zwar allgemein akzeptiert werden,
aber Bedenken bestuenden doch gegen eine zeitgleiche Realisierung.
Da gebe es eine Reihe diskussionsbeduerftiger
Massnahmen so z. B. die Umfahrung des Luebecker Bahnhofs, der
Ausbau des Faehr- und Schiffsverkehrs auf der Trave, der
Verkehrs- und Tarifverbund im Raum Luebeck, die Stadtbahn oder das
Gueterverkehrszentrum. Ein Junktim der LReg von
A20 und diesen Massnahmen koenne.die IHK nicht gelten lassen. Dies
sei nach den Worten von Herrn Richter auch nicht so
zu sehen. Die Darstellung auf den Seiten 21 - 31 des Berichts der
Arbeitsgruppe sei eher als Ideensammlung, nicht aber als
sofort umzusetzende Konzepte anzusehen. Eine absolute
Zeitgleichheit sehe er daher nicht. Im uebrigen liege ja auch die
Zustaendigkeit in erster Linie bei der Stadt Luebeck und im MWTV
bei der Abtl. g. A5.
- Betont wird wiederholt die absolute Prioritaet der A20. Diese
habe mit dem Schienenprojekt Luebeck - Bad Kleinen -
Rostock nichts zu tun. Die Verlagerungsfaehigkeit von Guetern von
der Strasse auf die Schiene sei generell bescheiden, die
geplante Schienenverbindung wuerde keine Entlastung fuer die
Strasse bringen. Wichtiger sei es, die (Schienen) Zu- und
Ablaufprobleme nach und von Luebeck zu loesen. Im uebrigen werde
der Gueterverkehr auf der Strasse zu hoch bewertet, er
mache nur etwa 10 % aus, und das wuerde auch in Zukunft so bleiben.
Bei der A20 sei der Gueterverkehr zu vernachlaessigen.
- Im Zusammenhang mit der A20 und den im BVWP `92 angekuendigten
Absichten des BMV gibt der Verkehrsausschuss der
IHK dem Ausbau der B206 zwischen A2O/A1 bis zur A7 (Bad Bramstedt)
den eindeutigen Vorzug gegenueber der
Fortfuehrung der A20 nach Westen. Denn er befuerchtet im letzten
Fall, dass dann die A20 nicht mehr stadtnah an Luebeck
vorbei, sondern weiter suedlich gefuehrt werde. Dagegen
befuerwortet er eine weitere Elbquerung moeglichst dicht an
Hamburg bei Stade zwischen der A1 in Niedersachsen und der A23
suedlich von Elmshorn als vordringlicher Bedarf mit der
Option einer Verlaengerung an die A1 in S-H ueber die A7 in
spaeteren Jahren.
- Als ebenfalls vordringlicher Bedarf sieht der
Verkehrsausschuss den vierspurigen Ausbau der B404 zwischen Kiel und
Bornhoeved. Mit dem weiteren vierspurigen Ausbau auf der ganzen
Laenge bis Schwarzenbek wuerde sich der Druck auf eine
oestliche Elbquerung von selbst ergeben.
Die Bundesvereinigung Junger Unternehmer, Regionalverband
Schleswig-Holstein, aeussert zu der offiziellen Bewertung der
Wirtschaft im Raum Luebeck Widerspruch.
- Die Bahn habe in der Wirtschaft eine grosse Sympathie, ein
betraechtliches good will, aber die sachlichen Leistungen seien
katastrophal, weil die Bahn keine politische Lobby habe und seit
Jahren straeflich vernachlaessigt werde. Nach einer Umfrage
der BJU seien viele Unternehmen grundsaetzlich bereit, auf die Bahn
umzusteigen. Das setze aber hoehere Leistungsfaehigkeit
(Flexibilitaet und Geschwindigkeit) des Schienenverkehrs, besseres
Management und vor allem eine Aufhebung der sehr
ungerecht zugeordneten Kostenlast von Strasse und Schiene voraus
(im Gegensatz zum Guetertransport auf der Strasse muesse
die Bahn Bau und Unterhalt des Netzes mit der Folge dramatischer
Verschuldung selbst bezahlen).
- Der BJU fordert daher einen verursachergerechten Preis fuer
auf der Strasse transportierte Gueter. Hoehere Wegekosten
z.B. ueber den Benzinpreis und dem Gueterverkehr zugeordnete
Strassenbeschaedigungs- und Umweltabgaben koennten
gleichzeitig zu einer Entlastung der Gewerbe- und Einkommensteuer
fuehren, d.h. die Staatsquote bliebe gleich und die
Wirtschaft wuerde sogar noch entlastet, wenn sie die Schiene
benutzen wuerde Der BJU haelt eine Umorientierung unseres
Steuersystems durch verstaerkte Einbeziehung von solchen
Oekosteuern fuer notwendig-.
- Er befuerchtet, dass durch die Investition in die A20, also
erneut in den PKW/LKW, ein zusaetzlicher Wettbewerbsnachteil
fuer die Bahn entstehe, der diese weiter zurueckwerfe.
- Die Frage nach den Alternativen sei nicht oder unbefriedigend
beantwortet, die Forderung nach einem integrierten
Verkehrskonzept, das die Verkehre auf den Wasserwegen, der Schiene
und der Strasse entsprechend der jeweiligen
Leistungsfaehigkeit zuordne, sei unerfuellt.
- Fuer die verkehrliche Erschliessung von Polen und des
Baltikums seien gerade Autobahnen nicht geeignet, weil sie die
osteuropaeischen Laender zwaengen, in die Anschlussautobahnen zu
investieren. Wegen deren Armut wuerde das
zwangslaeufig zu einer weiteren Vernachlaessigung ihrer
Schienenwege und Eisenbahnen fuehren und damit wieder zu der
falschen, oekologisch nicht vertretbaren Weichenstellung zugunsten
der Strasse und zulasten der Schiene.
- Zweifelos habe eine Autobahn Vorteile fuer die Wirtschaft,
insbesondere neben dem Transportgewerbe fuer die
Bauwirtschaft und das Handwerk, weil der Durchdringungsgrad, der
bei kleineren und mittleren Betrieben bei durchschnitlich
30 km liege, im Einzugsbereich der Autobahn auf 50 - 60 km steige.
Damit gehe den ostdeutschen Betrieben ihre spezifische
Lokalitaet verloren - in der Regel wuerden sie wegen ihrer
geringeren Produktivitaet und wegen des fehlenden Eigenkapitals
gegenueber westdeutschen Unternehmen - gleiche Loehne unterstellt
(was ja nach Fertigstellung der Autobahn der Fall sein
werde) - nicht wettbewerbsfaehig sein (es sei denn, die Wegekosten
wuerden betriebs- und volkswirtschaftlich korrekt
zugeordnet).
- Das gleiche Phaenomen - der Verlust der
Lokalitaet/Regionalitaet fuer die heimische Wirtschaft - sei in der EG
festzustellen:
nur durch die Vernachlaessigung vollkostendeckender Wegepreise,
durch die Nichtberechnung der erheblichen oekologischen
Belastungen ("externe Kosten"), d.h. durch die Dauersubventionen
der Transporte ueber die Strasse, sei die Ausweitung des
Marktes in Europa ("Milch aus Suedfrankreich in Luebeck")
erklaerbar.
- Es sei falsch, den Aufschwung in M-V mit einer Autobahn
bewirken zu wollen. Vielmehr muesse dort ein nach Prioritaeten
geordnetes Infrastrukturkonzept aufgestellt und umgesetzt
werden.
- Angesichts der Verkehrsprobleme in der Welt sei es fuer die
hochentwickelte Wirtschaft der BRD eine Notwendigkeit und
Herausforderung, neue, innovative, intelligente Verkehrssysteme zu
entwickeln, die dann auch weltweit verkauft werden
koennten. Damit wuerden die vom Staat eingesetzten Mittel einen
doppelten Zweck erfuellen. Investionen in Asphalt seien
dagegen ohne Zukunft und sinnlos.
- Eine ortsnah an Luebeck vorbeigefuehrte Trasse erfordere die
Bereitstellung von erheblichen ortsnahen Ausgleichsflaechen.
Damit wuerde die weitere wirtschaftliche Entwicklung Luebecks im
Sueden blockiert.
4.3. Auswirkungen der A20 auf andere
Verkehrstraeger und -wege
Nach Auffassung der Kritiker der Ostseeautobahn fuehre das
Engagement der Bundes- und Landesregierung fuer die A20
genau zum Gegenteil dessen, was in politischen Programmen und Reden
immer wieder postuliert werde: den Verkehr so weit
wie moeglich auf umweltfreundliche Verkehrrstraeger zu verteilen
und die Renaissance der Schiene zu betreiben.
Zwar sei das Schienenprojekt Luebeck-Rostock-Stralsund mit dem
Abzweig Bad Kleinen - Schwerin - Hagenow Land als
Projekt "Deutsche Einheit" im BVWP '92 als vordringlicher Bedarf
eingeordnet (251 km Laenge,Gesamtkosten 1, 1 5 Mrd,
davon 75 Mio DM auf Luebecker Stadtgebiet), aber tatsaechlich taete
sich fuer die Umsetzung so gut wie gar nichts. Es gebe
keine Planungsunterlagen, keine Gutachten, keine erkennbaren
Fortschritte. Die zustaendigen Verwaltungsbeamten wuerden
ohne politische Unterstuetzung und oeffentliche Rueckkoppelung vor
sich hinplanen.
- der geplante Abzweig Bad Kleinen - Schwerin Hagenow Land sei
fuer den Gueterverkehr in dieser Region sicherlich eine
sinnvolle Streckenfuehrung, dem Personenverkehr drohe allerdings
gegen jede sachliche Grundlage, von Luebeck nach
Schwerin weggefuehrt zu werden. Folgerichtig solle danach der
Streckenabschnitt Luebeck - Bad Kleinen eingleisig bleiben
und allein fuer den Personenverkehr genutzt werden. Diese Absichten
wuerden sich aus grundlegend unterschiedlichen
Bewertungen des Verkehrsaufkommens durch die Planer der A20 und die
Deutschen Bahnen ergeben, oder aber die
Deutschen Bahnen wuerden bereits die durch die A20 bewirkten
Verluste an Fahrgastaufkommen antezipieren. Fakt sei
jedenfalls, dass es - obwohl der BMV fuer beide Bereiche zustaendig
sei - keine verkehrswegeuebergreifenden Prognosen
gebe.
- Jeder rechne fuer sich-, oder aber die Zahlen wuerden der
Oeffentlichkeit nicht bekannt gegeben. Folge: Bau einer neuen
Autobahn zur Bewaeltigung der prognostizierten Verkehrsstroeme und
Festhalten an der ohnehin beschraenkten
Schienenkapazitaet.
- Im Ergebnis wuerde durch den Verzicht auf den zweispurigen
Ausbau und auf die Elektrifizierung der Strecke Luebeck - Bad
Kleinen, deren Zustand als Regionalbahn festgeschrieben und die
lnterregio-Verbindung an Luebeck vorbei von Hamburg
ueber die Strecke Buechen - Schwerin -Bad- Kleinen - Rostock-
Stralsund gefuehrt. Damit werde die Absicht offensichtlich:
die parallel zur geplanten A20 verlaufende und schon vorhandene
Schiene werde in ihren Moeglichkeiten blockiert, um die
Bauwuerdigkeit der Ostseeautobahn nicht ad absurdum zu
fuehren.
- Notwendig sei es dagegen, die vier Ballungsgebiete an der
deutschen Ostseekueste Luebeck, Wismar, Rostock und
Stralsund auf dem Schienenwege zu verbinden. Gegenwaertig sei
Wismar voellig unzulaenglich angeschlossen, deswegen
wuerden die dort Lebenden auf die Strasse gezwungen. Vorrangig sei
daher der Bau einer Schienenverbindung von
Grevesmuehlen nach Wismar (ca 20 km), um die Stadt aus ihrem
"Eisenbahnabseits" herauszuholen, bei gleichzeitigem Ausbau
der Strecke Wismar - Bad Doberan - Rostock.
- Mit der Ergaenzung des Schienenprojektes "Deutsche Einheit"
Luebeck-Hagenow Land - Rostock -Stralsund um
_ den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke
Luebeck-Bad Kleinen,
_ die Schaffung einer Schienenverbindung Grevesmuehlen - Wismar
und
_ den Ausbau der Strecke Wismar - Bad Doberan-Rostock
waere bereits ein wichtiger Teil eines Alternativprogramms zur
A20 gegeben.
Die A20 hat nicht nur Auswirkungen auf die West-Ostverkehre,
sondern auch auf die Ost-Sued- und Ost-Nord-Verkehre mit
dem Transitkreuz im Luebecker Raum. Daher bestehen enge
Zusammenhaenge mit der Verkehrsentwicklung auf der A1 und
den Folgen einer festen Fehmarn-Belt-Querung.
Gegen diese Querung werden grosse Bedenken vorgetragen, auch
wenn sie nur - wie dies von der LReg S-H und der
daenischen Regierung angestrebt wird - als Schienenverbindung
realisiert werden sollte.
- Zunaechst wird die politische Durchsetzbarkeit einer solchen
"Beschraenkung" sehr skeptisch gesehen. So sei bekannt, dass
die Unternehmensgruppe "Scandinavian Link" die die
Verkehrsverbindung privat finanzieren will/soll, mit 3 Mio Kfz/a
(gegenwaertig 1,2 Mio KfZ/a) plane, um die Wirtschaftlichkeit der
Investitionen sicherzustellen. Fuer eine
"Nur"-Schienenverbindung wuerde die Wirtschaft kein Geld
aufbringen, was die Realisierung mangels Mittel der oeffentlichen
Hand gefaehrden wuerde. So sei zu befuerchten, dass die feste
Fehmarn-Belt-Querung gemeinsam mit der A20 als
Transportstrecke zwischen den Benelux-Laendern und dem Baltikum
neben ihrer Funktion als Nord-Sued-Teilstueck auch die
noch fehlende Transitverbindung nach West- und Osteuropa schaffen
werde. Luebeck liege dann im Schnittpunkt zweier
Transitachsen, denen gleichermassen hohe Transportraten
zugesprochen werden:
_ Nord-Sued wegen des EG-Marktes,
_ Ost-West wegen der neuen Maerkte in Osteuropa.
- Der achtstreifige Ausbau der A1 sei dann zwangslaeufig. Auch
der weitere Ausbau der A20 von 4 auf 6 Streifen sei dann nur
noch eine Frage der Zeit.
- Gleich, ob nur als Schiene oder als Schiene und Strasse: die
feste Fehmarn-Belt-Querung werde den Ostseefaehren "das
Wasser abgraben" und damit fuer diesen Verkehrstraeger zu schweren
Einbussen fuehren. Gemeinsam mit der A20 und der
geplanten weiteren festen Verbindung zwischen Skandinavien und dem
Festland durch die Fortfuehrung der Autobahn A7
ueber Flensburg-Grossen Belt - Oeresund werde ein Autobahnring um
die Ostsee gelegt, der die Ostsee selbst als
Verkehrsweg weitgehend bedeutungslos machen und schwere Einbussen
auch fuer die Kuestenschiffahrt bringen werde.
- Die natuerliche "Baltische Magistrale" sei die Ostsee. Deren
Moeglichkeiten wuerden durch die volkswirtschaftlich sinnlose
und oekologisch unverantwortliche A20 und andere
Strassenbaumassnahmen verspielt. Hinzu komme, dass es
Schleswig-Holstein seit Jahren versaeumt habe, ein
Landeshafenkonzept zu erstellen, das eine vernuenftige Aufgaben- und
Arbeitsteilung der Haefen herbeifuehre, um so den Schiffahrtsweg
und die vorhandenen Hafeninfrastrukturen optimal zu nutzen.
Die osteuropaeische Oeffnung boete die Jahrhundertchance, den
Ostseeraum ueber die jetzt wieder jedermann zugaengliche
Ostsee zu erschliessen und den Ostseehaefen eine neue
wirtschaftliche Basis zu verschaffen. In diesem Zusammenhang wurde
auf das Beispiel Japan hingewiesen, wo in Teilen des Landes der
gesamte Wirtschaftsverkehr mit dem Schiff durchgefuehrt
werde.
- Wenn es der LReg ernst sei, mit einer Nur-Schienenquerung
ueber den Fehmarn-Belt, muesse sie sich fuer den zweigleisigen
Ausbau der Eisenbahnstrecke Bad Schwartau - Puttgarden einsetzen
(der hoehere Prioritaet als die Elektrifizierung habe), statt
den Weiterbau der A1 von Oldenburg nach Heiligenhafen zu betreiben
(was im uebrigen den Stau lediglich von Oldenburg nach
Heiligenhafen verlagern werde, die Weiterfuehrung nach Puttgarden
indiziere und Zweifel an der Position der LReg - nur eine
Eisenbahnquerung ueber den Fehmarn-Belt zuzulassen -
wecke).
- Die A20 sei ein Teil einer bestimmten Verkehrspolitik, die
dadurch gekennzeichnet sei, dass Verkehrsprobleme mit immer
neuen Strassen geloest wuerden, wodurch neue Verkehre entstaenden.
Die A20 sei daher auch ein Negativsymbol fuer falsche
Verkehrspolitik generell und dafuer, dass die verantwortlichen
Politiker nichts gelernt und nichts verstanden haetten. Dem BMV
koenne man das ja nicht uebelnehmen, aber wenn MP Engholm davon
spreche, die A20 sei "der letzte Suendenfall" und
notwendig, um "den real existierenden Verkehr zu bewaeltigen", dann
sei das erschuetternd.
- Gleichzeitig zeige der Versuch, die A20 zu realisieren, auch,
dass die von einigen Parteien erkannte Notwendigkeit einer
Trendwende in der Verkehrspolitik mit dem entschuldigenden Hinweis
auf die Wiedervereinigung ignoriert werde, man
zurueckfalle in die Zeit des Wirtschaftswunders und der
"VW-Kaefer-Verkehrspolitik" - Der Fortschritt 2000 werde dem
Opportunismus der Gegenwart geopfert, aufmuepfige Politiker
zurueckgepfiffen und unter Druck gesetzt.
- Die A20 richte nicht nur Unheil in der Region an, die sie
quere, sondern wuerde eine Reihe weiterer Strassenbauprojekte in
Ost- und Westeuropa - von Zubringer-, Verteiler- und Ablaufstrassen
abgesehen - anstossen. Insofern sei die A20 nur die
Speerspitze fuer eine Fuelle neuer Strassenbauvorhaben, die alle -
wegen der knappen oeffentlichen Kassen - mittel- und
unmittelbar zu Lasten umweltfreundlicherer Verkehrssysteme gehen
wuerde. So sei der Bau der A20 auch Beleg dafuer, dass
bei den verantwortlichen Politikern in den zustaendigen Behoerden
ueberhaupt nicht konzeptionell und uebergreifend gedacht
und gehandelt, sondern lediglich mit alten Instrumenten Stueckwerk
realisiert werde.
- Von den Politikern werde erwartet, dass sie nicht von Dritten
auf der Basis heutiger und in die Zukunft fortgeschriebener
Verhaltsweisen prognostizierte Bedarfe durch Strassenbaumassnahmen
befriedigen, sondern durch aktive Gestaltung an
Verhaltensveraenderung mitwirken. So sei durchaus denkbar, ein
Szenario "Umweltbewusstsein" anzunehmen, das davon
ausgehe, dass
_ das Umweltbewusstsein weiter wachse,
_ das Autofahren von einem Stau zum naechsten keine Freude
mache,
_ die Bahn und der OePNV attraktiver wuerden,
_ das Autofahren teurer werde und die Energiepreise steigen
wuerden,
_ die jaehrliche Fahrleistung pro PKW gleich bleibe.
Damit sinke das Verkehrsaufkommen cum grano salis gegenueber den
Prognosen von M + O im Fall A auf 50% (halbiere sich
also) und im Fall B auf 66,6 % (reduziere sich um 1/3).
- Denkbar sei auch ein Szenario "Umweltschock" (spuerbare
Gesundheitsschaeden, mess- und erfahrbare
Klimaveraenderungen, drastische Einschraenkungen der PKW- und
LKW-Nutzung durch ordnungsrechtliche Massnahmen
etc.), das zu weiteren erheblichen Absenkungen im Jahre 2010
gegenueber dem heutigen Verkehrsaufkommen fuehren wuerde.
Eine Diskussion um eine A20 wuerde sich dann eruebrigen.
- Trendprognosen seien generell ungeeignet als Grundlage fuer
verkehrspolitische Entscheidungen. Die blosse Fortschreibung
eines Trends sei keine Politik, vielmehr sei es notwendig, die
Folgen einer Entwicklung mit allen Konsequenzen zu pruefen und
danach zu entscheiden, ob diese weiter gefoerdert werden solle oder
ob eine Gegensteuerung erfolgen muesse.
- Wenn MP Engholm eine Vision habe fuer die Zukunft des
Ostseeraumes und gleichzeitig die oekologische Wende postuliere,
dann sei das nur vereinbar mit einer visionaeren Verkehrspolitik,
die ein umweltvertraegliches, zukunftsorientiertes
Verkehrssystem anstrebe. Oder er muesse sich verantwortlich
bekennen zu der apokalyptischen Vision von oekologischen
Belastungen und Zerstoerungen unserer Lebensgrundlagen, die eine
auf wachsenden Autoverkehr und dessen Befriedigung
durch Autobahnbau im Ostseeraum angelegte Verkehrspolitik anrichten
wuerden.
4.4. Verkehrspolitische Bedeutung der A20
fuer M-V
Offiziell wird die A20 immer wieder mit der deutschen
Wiedervereinigung und den Interessen der in M-V lebenden Menschen
begruendet. So wird davon gesprochen, dass
_ "die Schaffung leistungsfaehiger Verkehrsverbindungen fuer das
Zusammenwachsen der neuen und alten Bundeslaender
unverzichtbar" sei (BMV Krause im Nov. 1991),
_ "es eine neue Lage gibt, die notwendige Anbindung der
ostdeutschen Gebiete. Wir koennen doch nicht verlangen, dass
unsere neuen Mitbuerger sich mit einem geringeren Lebensstandard
zufrieden geben als wir. Sie wollen ebenso Auto fahren -
ob es vernuenftig ist, sei dahingestellt."(MWTV Dr. Froschmeier,
Okt. 1991),
_ "die A20 notwendig ist, weil durch die Wiedervereinigung ein
Strassennetz des Jahres 1990 auf ein solches des Jahres 1938
stoesst. Im uebrigen verstehe ich, dass in diesem Jahrzehnt der
Autobahnbau nicht mehr als geeignetes Mittel angesehen wird,
um Verkehrsprobleme zu loesen." (Luebecker Verkehrssenator Dr.
Brock, Mai 1992) oder
_ "auch wenn berechtigterweise Zweifel an einer Prognose
angebracht sind, die von einem fortdauernden Wachstum des
Verkehrs ausgeht, ist die Annahme einer Angleichung der
Lebensverhaeltnisse im vereinigten Deutschland an den Stand der
alten Bundesrepublik nicht nur plausibel, sondern auch ein Gebot
der sozialen Gerechtigkeit. Mobilitaet auf Strasse und
Schiene, die in der alten Bundesrepublik als
Selbstverstaendlichkeit betrachtet wird, kann den Menschen in den neuen
Laendern nicht vorenthalten werden." (Bericht der Arbeitsgruppe S.
20, Januar 1992).
Die Gegner der Ostseeautobahn stellen diese Gruende in
Frage.
- Mit den genannten Motiven fuer die A20 wuerden sie in die
Rolle derer gedraengt, die egoistisch seien, westdeutsche
Besitzstaende gegenueber den oestlichen Nachbarn bewahren, Hilfe
verweigern wuerden.
- Wenn man sich aber naeher mit der Argumentation der
Befuerworter befasse, trete der Aspekt der Naechstenliebe schnell
zurueck hinter die knallharten wirtschaftlichen Interessen u.a. der
Stadt Luebeck, der regionalen und ueberregionalen
Wirtschaft, der Verkehrsverbaende, der Nutzniesser eines
weitlaeufigen Autobahnnetzes in europaeischer Nord-Sued und
Ost-West-Ausrichtung. Mit der vom BMV verfolgten Westfortfuehrung
der A20, die nun wirklich ueberhaupt nichts mit der
Wiedervereinigung zu tun habe, sei die "Katze aus dem Sack"
gelassen.
- Urspruenglich sei ein Verkehrsvorhaben in M-V gar nicht
vorgesehen gewesen. Nachdem es dann aufgrund besonderen
politischen Drucks des BMV aufgenommen worden sei, habe man die
Bahnstrecke als optische Nachbesserung schnell
nachgeschoben, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Wegen der Interessen S-H und der Stadt Luebeck sei
dann die Absicht, die Autobahn etwa bei Zarrentin an die A24
anzubinden, aufgegeben und ein Anschluss an die A1 im
Luebecker Raum in Aussicht genommen worden.
- Sicherlich sei es richtig, dass fuer den Aufbau eines Landes
eine gute Verkehrsinfrastruktur erforderlich sei. Aber eine
Transitautobahn mache noch keine gute Verkehrsinfrastruktur aus,
zumal dann, wenn mit einer Fertigstellung nicht vor 2000
gerechnet werden koenne und der wirtschaftliche Aufschwung schnell
erfolgen solle. Deswegen wuerden die Menschen in M-V
die Instandsetzung der Strassen, der Bahnstrecken, der
oeffentlichen Verkehrsmittel und - massvoll - den Bau von
Umgehungsstrassen benoetigen. In diese Massnahmen muesse das Geld
vorrangig investiert werden.
- M-V habe die geringste Bevoelkerungsdichte in der in der BRD.
In den Staedten und im Norden wohnen die meistens Bürger
deises Landes, in den weiter südlich liegenden landschaftlich
besonders wertvollen Regionen wohnen am wenigsten Menschen.
In der Logik der Befuerworter der A20 muesste also im Norden
zunaechst etwas getan werden, tatsaechlich aber laufe die
Ostseeautobahn durch die wenig bewohneten Gebiete; sie habe ja auch
nicht - wie suggeriert werde - Rostock, sondern Stettin
zum Ziel.
- Von den 4 Ballungsgebieten Mecklenburgs seien Schwerin und
Rostock bereits ans Autobahnnetz angeschlossen.. Fuer
Wismar und Stralsund muessten andere Loesungens der
Verkehrsanbindung gefunden werden als durch den Bau einer
Autobahn (die fuer Stralsund ohnehin nur mit einem zusaetzlichen,
bislang finanziell nicht abgesicherten "Zubringer" moeglich
waere).
- Rostock sei nur zu Beginn der Wiedervereinigung Konsummagnet
fuer M -V gewesen. Bis zur Fertigstellung einer A20
haetten sich genuegend gleichwertige Einkaufsmoeglichkeiten in M-V
ergeben. Dies sei auch im Sinne der regionalen
Wirtschaftsentwicklung der Verkehrsvermeidung erwuenscht. Die
krampfhafte Aufrechterhaltung der Luebecksks als Einkaufs-
und Oberzentrum mit Hilfe einer A20 sei gerade das Gegenteil einer
vorgegebenen Naechstenliebe fuer die oestlichen
Nachbarn.
- Luebeck stehe in Konkurrenz zu den mecklenburg-vorpommerschen
Faehrhaefen Sassnitz, Rostock und Wismar und
versuche weiterhin eine Hauptrolle im skandinavischen
Transitverkehr zu spielen. Mit der A20 erhoffe man sich einen weiteren
Wettbewerbsvorteil. Tatsaechlich wuerden aber die Faehrhaefen M-V
mit leistungs- bzw. ausbaufaehigen Strassen und
Schienen ueber attraktive Nord-Suedverbindung verfuegen. Diese
Standortvorteile sollten genuetzt werden - sie wuerden zu
einer sinnvollen Verteilung der Transitverkehrsstroeme ueber den
deutschen Ostseeraum von West bis Ost fuehren. Nach dem
Bau einer A20 zum (vermeintlichen) Vorteil Luebecks wuerden die
Nutzen fuer M-V vertan werden.
- Die Grenzoeffnung erfordere zunaechst die Wiederherstellung
aller Verkehrsverbindungen und in Zusammenhang damit die
Entwicklung zukunftsweisender Verkehrsperspektiven wie z.B. eines
Regionalbahnkonzepts, d.h. Herausloesung des
Schienenregionalverkehrs aus der zentralen Verantwortung der
Deutschen Bahnen und Organisation in einer neuen
Traegerschaft z.B. der beiden Laender S-H und M-V sowie der
betroffenen Kreise unter Einbeziehung von
Stadtbahnsystemen.
- Die Interessenlage Mecklenburg-Vorpommerns sei insbesondere
von den westdeutschen Befuerwortern der A20 im Hinblick
auf die eigenen Wuensche nie ernsthaft untersucht bzw. verfolgt
worden. So habe z.B. die Bundesforschungsanstalt fuer
Landeskunde und Raumordnung nach einer Raumwirksamkeitsanalyse des
Fernstrassenbaus erkannt, dass sich durch
Fernstrassenbau in peripheren, laendlichen Regionen keine
grossraeumigen Beschaeftigungseffekte ergeben. Obertragen auf
den Bau der geplanten Autobahn heisst das, durch den Bau der A20
werde sich in den Gebieten, die sie in M -V quere, kaum
ein Industrie- oder Gewerbebetrieb ansiedeln zusaetzlich zu denen,
die aus anderen Gruenden diese Region bevorzugen
wuerden. Eine Ausnahme gelte fuer die Strassentransportbetriebe wie
Speditionen (die die eigentlichen Nutzniesser des
Fernstrassenbaus seien), Lagereien, Umschlagsplaetze, Werkstaetten
und Tankstellen. Zu befuerchten sei vielmehr - so die
genannte Analyse - dass die verbesserte Anbindung die Sogwirkung
auf die laendlichen Arbeitsmaerkte, d.h. die Abwanderung
qualifizierter Arbeitskraefte steigere und dadurch eher negative
Effekte des Fernstrassenbaus eintreten wuerden.
- Weiter wird hingewiesen auf die Untersuchung des Instituts
fuer Regionalforschung der Universitaet Kiel ueber
Wirischaftsstruktur und Entwicklungsperspektiven des Landes M-V im
Auftrag der Staatskanzlei der LReg S-H. Diese vertritt
zwar auch die Auffassung, eine suedlich der Kueste verlaufende
Autobahn mit dem ersten Teilstueck
LuebeckSchwerin(!)-Rostock solle ins Auge gefasst werden, sieht
jedoch die absolute Prioritaet in der Verbesserung des
Telekommunikationssystems, der Schaffung voll erschlossener
Industrie- und Gewerbeflaechen und in dem Ausbau des
Schienenweges Luebeck - Bad Kleinen - Rostock - Stralsund sowie in
der schnellen Strassenverbindung Rostock - Schwerin
als den beiden wirtschaftlichen Zentren des Landes.
- Die jetzige Trassenfuehrung laufe viel zu weit suedlich, um
die erhofften Entlastungen vom Durchgangsverkehr fuer die an der
B 105 liegenden Ortschaften zu bringen. In einer Modelluntersuchung
des Deutschen Instituts fuer Urbanistik zur Ortsumgehung
Wismar vom Januar 1992 (Zwischenbericht) sei belegt, dass die
Effekte gegenueber einer engen Umgehung ("sehr positiv") und
einer Umgehung als Ring ("positiv") bei einer Autobahn und Tangente
nur "durchschnittlich " seien. Mit der Entfernnung nehme
dieser "durchschnittliche" Entlastungseff ekt weiter ab.
- Ausweislich der Dokumentation des 1. Kongresses der Denkfabrik
S-H vom 24. Nov. 1989 in Kiel komme der
Abteilungsleiter im lfo-Institut, Muenchen, Dr. G. Nerb, zu dem
Ergebnis, dass 95 % des grenzueberschreitenden
Strassengueterverkehrs zwischen der BRD und Skandivavien durch S-H
fliessen, ohne dass dadurch besondere Gewinne fuer
den Wirtschaftsraum entstaenden. Daraus leite er die Forderung ab,
dass sich die LReg fuer eine Vedagerung des
Strassenverkehrs auf die Schiene einsetze. Die A20 werde in M-V
ebenfalls nur die Funktion eines Transitweges zwischen
Ost- und Westeuropa haben, der dem Land keine Gewinne, aber die
gesamten Umweltlasten bringen werde. Die
wirtschaftlichen Vorteile wuerden jeweils an den Endpunkten dieses
Verkehrsweges entstehen. Festzustellen sei, dass sich die
A20 den Sonderstatus eines Verkehrsprojektes "Deutsche Einheit"
erschlichen habe. Tatsaechlich sei sie der Anfang einer
neuen Phase europaeischer Autobahnbaus wider alle Vernunft und
oekologischen Erkenntnisse, um die Marktdurchdringung
mit Hilfe subventionierter Transportkosten abzusichern und zu
verbessern. Schon im Hinblick auf die einseitige Lasten- und
Nutzenverteilung sei die Ostseeautobahn fuer M-V daher
sozialunvertraeglich. Deswegen sei es ein Gebot der sozialen
Gerechtigkeit sie "zu verhindern", nicht aber, sie zu
bauen.
4.5. Bedeutung der A20 nach der
Wiedervereinigung
Nach der
staatlichen Einheit Deutschlands müssen auch die wirtschaftliche und soziale Einheit
voran gebracht und die Lebensbedingungen in Ost und West einander angeglichen werden.
Eine entscheidende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen
Bundesländern sind leistungsfähige und umweltgerechte Verkehrswege. Der
Ausbau der bis Ende der 80‘er Jahre vernachlässigten Infrastruktur schafft
Arbeitsplätze und macht die neuen Länder für Investoren aus dem In - und
Ausland interessant. Die Verknüpfung mit dem vorhandenen Straßennetz im Westen
ist zwingend.
Die
verkehrspolitischen Entscheidungen in Schleswig-Holstein waren bis zur Öffnung der
Grenzen auf eine Nord-Süd-Anbindung ausgerichtet. Eine Erschließung nach Osten
war durch die Grenze nicht möglich. Das gilt im wesentlichen für alle alten
Bundesländer. Deshalb hat die Bundesregierung mit ihrem Programm "Verkehrsprojekte
Deutsche Einheit", zu dem auch die Bundesautobahn A 20 als "VDE-Projekt Nummer 10"
gehört, den prioritären Ausbau der Ost-West-Verbindungen beschlossen. Hinzu
kommt, daß sich im Zuge der EU-Erweiterung rund um die Ostsee eine bedeutende
maritim orientierte Wirtschaftsregion entwickelt, die mit der Öffnung zu Polen, den
baltischen Staaten und Rußland zusätzliche Impulse
erfährt.
Die
Hansestadt Lübeck besitzt den bedeutendsten Ostseehafen der Bundesrepublik. Sie hat
in ihrer geographischen Lage mit der Ostseeregion einen zusammenwachsenden
europäischen Wirtschaftsraum als riesiges Entwicklungspotential vor der
Haustür, das es zu gewinnen gilt. Gerade an einer Schnittstelle zwischen Wasser und
Land kommt den Hinterlandverbindungen eine besondere Bedeutung zu. Die geplante
A 20 bietet als "Baltische Magistrale" eine verbesserte Anbindung des Ostseeraumes
und großer Bereiche des Landes Mecklenburg-Vorpommern an das westdeutsche und das
europäische Verkehrsnetz.
Für
das Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern bedeutet die A 20 eine wichtige Voraussetzung, um
Investitionsentscheidungen im Hinblick auf den erwünschten wirtschaftlichen
Aufschwung günstig beeinflussen zu können. Die A 20 wird die Erschließung
strukturell schwacher Bereiche Mecklenburg-Vorpommerns durch eine Anbindung/Verbindung an
die regionalen und überregionalen Wirtschaftszentren
fördern.
Der Raum
Lübeck hat nach der Vereinigung einen starken Anstieg der Verkehrsmengen
insbesondere auf den Durchgangsstraßen zu verzeichnen. Diese Belastungen können
im vorhandenen Straßennetz nicht verträglich abgewickelt werden. Die
geplante A 20 soll diese Verkehrsströme bündeln, damit die heute von
Lärm- und Schadstoffimmissionen stark beeinträchtigten Anwohner künftig
verträglichere Wohnumfeldbedingungen erhalten. Die A 20 soll darüber hinaus
mit der Entwicklung des Hochschulstandortes und von Gewerbegebieten im Süden der
Hansestadt der Stadtentwicklung entgegenkommen.
5. Hansestadt Lübeck und die A20
- 5.1. Die Lübecker
Bürgerschaft
- 5.2. Die Meinung der
Stadt
- 5.3. Die Meinung der
Bürger
- 5.4. "Grünes Licht für
Bauarbeiten im Raum Lübeck" (Zeitungsbericht vom 02.02.01)
- 5.5. Karte: Lübeck und die
Ostseeautobahn
5.1. Die Lübecker
Bürgerschaft
Viele Beitraege in der Eroerterung haben sich mit den besonderen
Beziehungen zwischen der geplanten A20 und der Stadt
Luebeck befasst. Fuer die Begruendung dieser Autobahn in der
oeffentlichen Diskussion spielen die Interessenlage der Stadt
und insbesondere die Auswirkungen auf die Innerstaedtische
Verkehrssituation wichtige Rollen. Am 26.3.1992 hat die
Luebecker Buergerschaft mit den Stimmen der CDU und SPD
beschlossen:
"1. Die Buergerschaft der Hansestadt Luebeck fordert den
Anschluss Luebecks an die Ostseeautobahn A20.
2. Die Verkehrsfuehrung und Anbindung an die A1 hat im Sueden
der Stadt zu erfolgen. Dabei sind die Interessen der
Menschen sowie der Oekologie zu beruecksichtigen.
3. Bei der Festlegung der Trasse muessen gewachsene Siedlungen
und Doerfer erhalten bleiben. Es wird deshalb gefordert,
einen deutlichen Abstand von besiedelten Gebieten einzuhalten und -
falls erforderlich - Tunnelloesungen vorzusehen."
Es liegen zwei von der Verwaltung der Stadt Luebeck in Auftrag
gegebene Studien/Gutachten (siehe Seite 1 von Ziff 31) vor -
"Verkehrliche Auswirkungen der Grenzoeffnung in Luebeck" von
Hamburg-Consult, Aug. 1990 (veroeffentlicht in "Luebeck
plant und baut", Heft 25) und
"Ostseeautobahn A20 - Anbindung Luebeck", BSV, Aachen, Aug. 1991
(veroeffentlicht in "Luebeck plant und baut", Heft 34)
-
sowie Stellungnahmen von drei Senatsaemtern - Gruenflaechenamt
vom Oktober 1991, Stadtforstamt vom Oktober 1991 und
Umweltamt vom Januar 1992 - vor.
Eine Stellungnahme des Luebecker Senats gibt es nicht, bzw. sie
ist dem Berichterstatter nicht bekannt. Daher werden in
diesem Bericht nur Positionen und Argumente aufgenommen, die die
Herren Senatoren Dr. Zahn, Dr. Brock (zugleich
Vorsitzender der Luebecker CDU-Fraktion) und Szameit (zugleich
Vorsitzender der SPD-Fraktion) im Rahmen der
Eroerterung geaeussert haben. Auf die o.g. Papiere wird
verwiesen.
5.2. Die Meinung der Stadt
Durch den Zeitdruck, mit dem die Entscheidung fuer die A20
vorangetrieben werde, sei die Hansestadt Luebeck in
erhebliche Schwierigkeiten geraten. Der Senat und der von ihm
beauftragte Gutachter BSV-Dr. Baier haetten daher auch nur
wenige Monate Zeit gehabt, um sich in die Diskussion um die
Trassenfuehrung einzuschalten.
Die Stadt selbst haette von sich aus nie den Bau einer
Autobahnumgehung zugunsten Luebecks gefordert oder betrieben. Aber
als deutlich geworden sei, dass sich die Landesregierung fuer eine
Anbindung der A20 im Raum Luebeck an die A1 einsetze
und es dazu auch eine grundsaetzliche Zustimmung des BVM und aus
Mecklenburg-Vorpommern gebe, sei es
selbstverstaendlich gewesen, sich in die Diskussion um eine fuer
Luebeck moeglichst guenstige Trassenfuehrung einzuschalten.
D.h. Luebeck habe in dieser Sache weder Handlungsmacht noch
Entscheidungsbefugnis, sondern muesse versuchen, das Beste
daraus zu machen. Dabei stehe die Stadt vor der Entscheidung, auf
eine nicht genau abzuschaetzende Verkehrsentwicklung, die
durch die regionalen Wirtschaftsverkehre zwischen
Mecklenburg-Vorpommern und dem Luebecker Wirlschaftsraum (Bad
Segeberg/Kiel) verursacht wuerden. zu reagieren oder die
zusaetzlichen Durchgangsverkehre tatenlos zu akzeptieren. Bei ihren
Ueberlegungen habe sich die Stadt an den bereits beschlossenen
Entwicklungsgrundlagen fuer
Wohnen,
Verkehr und
Gewerbe
orientiert und die Vereinbarkeit bzw. Foerderung der dort
festgelegten Ziele mit den verschiedenen Trassenfuehrungen
abgeglichen. Die Bedarfe Wohnen, Verkehr und Gewerbe seien auch in
den Flaechennutzungsplan, der drei Monate vor der
Grenzoeffnung fertiggestellt worden sei, eingegangen. Er sei
sicherlich durch die Wiedervereinigung ueberarbeitungsbeduerftig.
Fest stuende aber, dass Luebeck bis zum Jahre 2000
7-8.000 Wohnungen mit einem Flaechenbedart
von 130 - 145 ha und
etwa 150 ha Gewerbeflaechen
- davon decke das jetzt gerade beschlossene Gewer-
begebiet Roggenhorst ca. 60 ha ab -
benoetige. Rechne man dazu etwa das zwei- bis dreifache an
Ausgleichsflaechen, bestuende ein Flaechenbedarf von 800 -
1000 ha. Es muesse dahingestellt bleiben, ob sich diese Flaechen
ueberhaupt innerhalb des Stadtgebietes finden lassen
wuerden, aber sicher sei, dass im Norden der Stadt - bis auf
vereinzelte Wohnbauflaechen - ueberhaupt keine
Entwicklungsmoeglichkeiten mehr bestuenden. Ausschliesslich im
Sueden und Westen der Stadt boeten sich Loesungen an.
[ Auslassungen wegen schlechter Vorlage ! ]
Man muesse im uebrigen damit rechnen, dass fuer zukuenftigen
Wohnungsbau Entfernungen von 1.500 m und mehr von
Autobahnen gefordert werden wuerden. Schon aus diesem Grund duerfe
sich Luebeck nicht die Zukunft durch zwei sie wie
Zangen einengende Autobahnen verbauen. Auf entsprechenden Einwand
problematisiert er den Anschluss der von ihm
favorisierten "Eymer-Linie" an die A1. Bei Reecke sei dies wegen
grosser technischer Schwierigkeiten wohl kaum
durchfuehrbar. Die Anbindung muesse daher geringfuegig weiter nach
Sueden verschoben werden.
Auf die Ablehnung der suedlichen Trasse durch das
Umweltgutachten S + D hingewiesen, antwortet Senator Dr. Brock, dass
"man heute Gutachten fuer jede Meinung bekommen" koenne. Gutachten
seien Hilfen fuer die politische Meinungsbildung, sie
koennten lediglich Bandbreiten definieren, die Entscheidung
muessten dann - mit allen Risiken und in Uebernahme der
Verantwortung - die politischen Gremien treffen.
Offen sei nach seiner Auffassung, wie sich
Mecklenburg-Vorpommern zu den diskutierten Trassenvarianten stelle und ob die
dortige Landesregierung im Hinblick auf die Konkurrenzsituation
zwischen Luebeck und Wismar ihre wirtschaftlichen
Interessen nicht besser durch eine Anbindung an die A24 gewahrt
sehe. Sicher sei jedenfalls, dass Mecklenburg-Vorpommern
eine weniger widerstandsbelastete Trassenfuehrung ausserhalb des
Luebecker Raumes fordern werde, wenn Planung und
Genehmigung nicht zuegig durch ein Massnahmengesetz zum
unanfechtbaren Abschluss gebracht wuerden.
Bezogen auf die Luebecker Situation hat der damalige
Staatssekretaer und jetzige Minister fuer Wirtschaft, Technik und
Verkehr, Dr. Uwe Thomas, auf dem Parteitag der Luebecker SPD und
auf einer oeffentlichen Veranstaltung auf die
gruendlichen Bewertungen und Abwaegungen im Arbeitsbericht
verwiesen und insbesondere hervorgehoben:
- Ein Massnahmengesetz schraenke Buergerbeteiligung und die UVP
ein. Die Landesregierung werde diese Einschraenkungen
nicht akzeptieren, sondern eine "als ob" Buergerbeteiligung und
eine UVP gewaehrleisten. Die Buergerbeteiligung werde ernst
genommen, Erfahrungen und Kenntnisse vor Ort sollten genutzt
werden.
- Luebeck wachse in die Rolle eines Oberzentrums. Das erfordere
infrastukturelle Massnahmen, um die Chancen,
Arbeitsplaetze zu erhalten und neue zu schaffen, nutzen zu koennen.
Fuer zusaetzliche Entwicklungen biete der Sueden
Luebecks die einzige Moeglichkeit und muesse entsprechend
erschlossen werden.
- Notwendig sei eine verkehrliche Gesamtkonzeption fuer Luebeck,
fuer die die Arbeitsgruppe Grundlagen erarbeitet habe (S.
21-31 des Berichts) - die A20 sei aber ein unverzichtbarer Baustein
in diesem Loesungsansatz.
- Die Fehmarnbeltquerung werde nach den Vorstellungen der
Landesregierung als reiner Schienentunnel gebaut. Nur so koenne
man die Gueterverkehre der Vogelfluglinie auf die Schiene bringen
und damit Entlastungen auf der A1 und fuer Luebeck
erreichen. Die Nutzung von LKW und PKW muessten veraendert,
drastisch reduziert werden, das aber ginge nicht von heute
auf morgen.
- Eine Nullvariante bringe keine Loesung der anstehenden
Probleme und werde daher verworfen.
- Zunaechst sei auch von ihm und der Landesregierung die
Nordtrasse praeferiert worden. Aber das Verkehrsgutachten und
weitere Ueberlegungen haetten die Erkenntnis gebracht, dass die
Verkehre im Sueden bleiben wuerden - dem muesse die
Trassenfuehrung neben anderen Ueberlegungen Rechnung
tragen.
- Die Suedtrasse fuehre zu schwerwiegenden oekologischen
Belastungen, aber ueber die Frage, wie man das vermeiden bzw.
mildern koenne, muesse man sich sachlich unterhalten. Ohne
Suedtrasse waere im Sueden eine Sued-West-Tangente
notwendig. Diese und die sonst erforderliche Ratzeburger Umgehung
koennten jetzt entfallen. Es sei ein Gebot, die
Autoverkehre zu buendeln, um einer flaechenhaften Belastung durch
die Verkehrsemissionen entgegenzuwirken.
- Es gebe keine Idealloesungen - auch der Schienenbau stelle
einen schweren Eingriff in den Naturhaushalt dar und wuerde die
Proteste der Betroffenen ausloesen. Die Herausnahme der B207 aus
Gross Groenau, kombiniert mit einer Verlegung der A20
in Tunnellage wuerde vor Ort insgesamt zu Verbesserungen fuehren.
Wegen der Tunnelbauwerke werde es sicherlich noch
Auseinandersetzungen mit dem BMV geben, aber die werde man
bestehen.
- Die Verkehrspolitik der Landesregierung sei auf das
Zusammenwachsen des Ostseeraumes gerichtet. Dabei sollten die
Verkehre gebuendelt werden, um die Menschen vor den Belastungen so
gut wie moeglich zu schuetzen. Die Landesregierung
sei aber in ihren Moeglichkeiten weitgehend von der Bundesregierung
abhaengig.
5.3. Die Meinung der
Bürger
Die Buerger, die eine Ostseeautobahn generell oder in einer
stadtnahen suedlichen Fuehrung ablehnen, sehen die
behaupteten wirtschaftlichen, verkehrsentlastenden und
entwicklungsfoerdernden Vorteile fuer Luebeck nicht. Sie halten auch
eine Autobahn mit Tunnelfuehrung und Abdeckung in den sensiblen
Bereichen fuer oekologisch nicht vertretbar und den
betroffenen Menschen nicht zumutbar:
- DieVerkehrsprobleme in der Region Luebeck seien nicht durch
die Grenzoeffnung bedingt, sondern Folge jahrzehntelanger
Versaeumnisse in der Verkehrspolitik und -planung. Zwar sei es
richtig, dass Luebeck unmittelbar nach der Oeffnung nahezu
"ueberflutet" worden sei von den PKWs der damals noch DDR-Buerger
und der westdeutschen Schaulustigen, die nach Osten
gereist seien. Diese Situation habe sich aber nach einigen
turbulenten Monaten normalisiert.
- Im Luebecker Stadtgebiet seien die Staus hausgemacht. Vor dem
November 1989 seien waehrend der Zeit von 15.30 -
18.30 Uhr, in der die taeglichen Staus in der Friedenstrasse, der
Schwartauer Allee, der Fackenburger Allee, der Ratzeburger
Allee, am Lindenplatz oder dem Berliner Platz Normalitaet seien, 96
% innerstaedtischer und Umlandverkehr und nur 4 %
Durchgangsverkehr gewesen. Gegenueber 375.000 Kfz/24h, die in
Luebeck vor der Grenzoeffnung ermittelt worden seien,
seien danach durch den zusaetzlichen Ost-West-Verkehr ca. 9.100
Fahrzeuge dazugekommen, die sich auf die Wesloer
Landstrasse, die Ratzeburger Allee und die Autobahnanschlussstellen
verteilen wuerden. Diese Steigerungsrate von 2.4 % sei in
den alten Bundeslaendern vor dem November 1989 als allgemeine
Verkehrssteigerung oft schon in weniger als einem Jahr
erreicht worden.
- Die A20 werde die behaupteten Verkehrsentlastungen des
innerstaedtischen Strassennetzes nicht bringen. Das Gegenteil sei
der Fall. Eine ortsnah gefuehrte Umgehung koenne nur dann
Entlastungsfunktion wahrnehmen, wenn sie auf lokale und regionale
Verkehre ausgerichtet sei.
- lmmer wieder vorgetragen wird die Argumentation aus den
Stellungnahmen des BUND und des Luebecker Umweltamtes,
wonach es - die von M + O fuer die Variante A prognostizierten
Verkehre im Jahre 2010 unterstellt - keine Entlastungen,
sondern zusaetzliche Belastungen ergeben werde. Dies werde in der
Gegenueberstellung der zu erwartenden Zuwachsraten fuer
das bestehende innerstaedtische Strassennetz ausserhalb der
jeweiligen Autobahnabschnitte fuer verschiedene Netzvarianten
deutlich:
Strasse
Nullnetz
Nord
Suedvariante
Ratzeburger
A.
120%
120%
120%
Schlutuper
Str.
210%
190%
180%
Arnimstrasse
210%
190%
180%
Umgehung Schlut.
220%
160%
140%
Wesloer
Weg
210%
160%
180%
Travemuender A.
210%
200%
160%
(Hoehe Karlshof)
Brandenbaumer Lstr.
210%
210%
210%
(Hoehe Stadtgr.)
(Verhaeltnis der Verkehrsmengen 1991 und 2010 in % Bezugsbasis
1991 100 %)
Es seien also in jedem Fall starke Verkehrszunahmen
festzustellen und damit wuerden sich starke zusaetzliche Laerm- und
Luftbelastungen ergeben. Die vom Buerger empfundenen
Belastungsunterschiede durch Laerm und Schadstoffe z.B. 160 %
und 210 % seien gering. Diese Wahrheit werde den Buergern
verschwiegen und nicht erfuellbare Hoffungen durch den Bau der
A20 erweckt. Das vorhandene staedtische Strassennetz koenne die
prognostizierten Verkehrsmengen auch bei Realisierung der
A20 nicht aufnehmen, besonders kritisch seien die Belastungen an
den Knotenpunkten.
- Sollten sich die prognostizierten hohen Zuwachsraten
bestaetigen (weil man ihnen nicht entgegenwirkt, sondern sie durch
bauliche Massnahmen unterstuetzt habe), dann waere der Autobahnbau
allein deshalb in Frage zu stellen, weil dann nur noch
auf der Trasse selbst der Verkehr staufrei fliessen koennte, nicht
aber auf den Zubringern und Stadtstrassen.
- Im Verkehrsgutachten werde das Problem des ruhenden Verkehrs
ausgeblendet. Wenn sich der Verkehr wie vorhergesagt
entwickeln sollte, wo solle dann der erforderliche Parkraum
geschaffen werden?
- Die A20 sei keine auf das regionale Verkehrsaufkommen in
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
ausgerichtete Strasse, sondern sie diene als grossraeumige
Verbindungsstrasse des ueberregionalen Verkehrs und werde zu
einer erheblichen Steigerung im Personen- und Gueterverkehr
beitragen.
- Damit wuerden zusaetzliche Verkehre herangefuehrl, von denen
ein Teil als innerstaedtischer Durchgangsverkehr Luebeck
zusaetzlich belasten werde.
- Damit werde auch der Verzicht auf die West-Sued-Tangente in
Frage gestellt. Wahrscheinlicher sei, dass sie wegen der
eintretenden zusaetzlichen innerstaedtischen Belastung auch noch
gebaut werden muesse.
Schon wegen des Heranfuehr- und Sogeffektes der A20 und der
fehlenden Regional- und Lokalfunktion stimme die
Behauptung, durch die Ostseeautobahn werde die autofreie Innenstadt
Luebeck gefoerdert, nicht. Tatsaechlich wuerde der
Buerger mangels Alternativen gezwungen, die autofreie Innenstadt
mit dem Auto anzufahren. Um den Schein eines
oekologisches Innenstadtverkehrskonzeptes zu wahren, wuerden die
Autos dann auf riesigen P + R-Plaetzen mit weiteren
Umweltbelastungen und Flaechenversiegelungen abgestellt. (So wehren
sich insbesondere die Doerfer Wulfsdorf/Vorrade
dagegen, der zukuenftige Parkplatz fuer Luebecks Innenstadt zu
werden und mit der A20 auch noch die Zufahrt fuer diesen
Parkplatz aufgezwungen zu bekommen. (Buergermeister Bouteiller wird
die Aeusserung zugeschrieben, "die A20 sei der
Stauraum fuer die Luebecker Innenstadt." Mit
Kfz-Verkehrsvermeidung, Kfz-Verkehrsreduzierung, Veraenderung des
Modal-Split zugunsten Radverkehr, Fusswege und OePNV habe das alles
nichts zu tun.
- Vereinzelt wird in der Diskussion auch verwiesen auf die
Planungstudie von Hamburg-Consult, die sieben Ergaenzungen im
Strassennetz und fuenf Projekte zur Verbesserung des OePNV-Angebots
vorschlaegt. Zwar enthalten die dem
Individualverkehr
- zugeordneten Projekte auch eine Ost-West-Autobahn
Rostock-Wismar-Luebeck (-Hamburg/Unterelbe) mit Anbindung an
die A1 noerdlich von Reinfeld, aber in der Prioritaet erst nach den
sechs anderen Projekten. Daraus ergebe sich die Forderung,
erst einmal die Machbarkeit und Durchsetzbarkeit dieser Massnahmen
sowie deren Effektivitaet zu pruefen, bevor ein
Autobahnbau propagiert werde.
- Die Luebecker Buerger wuerden den Sueden als
Naherholungsgebiet brauchen, um in der Naehe zu bleiben und sich auch
ohne Auto erholen zu koennen. Mit der Zerstoerung dieser Gebiete
durch die Ostseeautobahn zwinge man sie, mit dem Auto
entfernt liegende Erholungsgebiete aufzusuchen und produziere damit
neue Autoverkehre.
- Die Menschenvertraeglichkeit der geplanten Autobahn trete viel
zu stark in den Hintergrund. Die sozialen, lokalen und
stadtentwicklungspolitischen Folgen der Trennfunktion blieben
unberuecksichtigt. Die ohnehin mit vielen sozialen Problemen
belasteten Stadtteile Niendorf und Moisling wuerden von ihrem
einzigen und hoechsten Wohnwert, dem Freizeit- und
Naherholungsgebiet abgeschnitten.
- Die als Stein der Weisen verkaufte Buendelung von Schiene und
Strasse (im Hinblick auf die Verlagerung der B207 an die
Eisenbahnstrecke Luebeck-Buechen) sei nicht nur positiv zu
bewerten, sondern fuehre auch zu einer Buendelung der Belastung
fuer die an der Strecke lebenden Bewohner.
- Die geplante A20 mache ein planungsreifes Baugebiet in
Niendorf-Moisling (Legan) mit 400 Wohneinheiten zunichte.
- Wenn eine Tunnelloesung einen so hohen Stellenwert habe, wie
das von vielen Schleswig-Holsteiner Politikern und der
Landesregierung immer wieder beschworen werde, dann haette doch
deren technische und oekologische Machbarkeit vor
einer Grundsatzentscheidung naeher untersucht werden muessen. Fuer
die Tunnelloesungen aber wuerden klare Beschlusslagen
- Tiefe, Laenge, oekologische Folgewirkung, Reinigung der
konzentrierten Kfz-Abgase, Kosten - fehlen. Auf entsprechende
Fragen stosse man auf Achselzucken oder erhalte vage
Antworten.
- Tatsache sei dagegen, dass weder die eingeplanten noch
zusaetzliche Mittel ausreichen wuerden, solche Tunnelloesungen zu
finanzieren. Vielmehr sei zu befuerchten, dass die Bundesregierung
wegen ihrer Kassenflaute einen "Schlicht"-Autobahnbau
durchsetzen wolle.
- Fuer Niendorf-Moisling wird geltend gemacht, dass durchaus
Bereitschaft bestehe, fuer das Allgemeinwohl die Belastungen
der Eisenbahn zu tragen und auch deren Elektrifizierung und
zweispurigen Ausbau zu akzeptieren. Aber eine zusaetzliche
Autobahnbelastung werde auf einhelligen Widerstand stossen. Im
Vergleich zu den Schlutupern und Kuecknitzern, deren
Situation sich in den letzten Jahren wesentlich gebessert habe und
die in der Fuersorge der Stadtvaeter immer noch ganz oben
staenden, fuehle man sich schlecht behandelt. Es gebe viele
Verkehrsbelastungen in Luebeck, die sich in Jahren und Jahrzehnten
aufgebaut haetten und sehr viel schwerwiegender seien als die
sprunghafte Zunahme der Belastung in Schlutup nach dem
November 1989. Trotzdem sei Abhilfe oder Minderung nicht
erfolgt.
- Die Stadtteile Niendorf/Moisling seien nicht nur durch die
Eisenbahnstrecke, sondern auch durch die A1 belastet. Die
geplante dritte Achse A20 fuehre mit den anderen beiden zu
lnterferenzwellen, d.h. zu erheblichen verstaerkten
Laermemissionen. Auch eine fuenfjaehrige Bauphase wuerde - selbst
wenn sich der Tunnel als so harmlos wie dargestellt
erweisen wuerde - unertraegliche Belastungen mit sich
bringen.
- Die Interessen der Stadt Luebeck an einer stadtnahen
Trassenfuehrung seien stark gepraegt durch die Tatsache, dass zwei
Drittel der Grundstuecke der Stadt gehoeren wuerden, die durch den
lukrativen Verkauf die Moeglichkeit haette, ihren
chronischen Finanzmangel zu beheben.
5.4. "Grünes Licht für
Bauarbeiten im Raum Lübeck"
(Zeitungsbericht der "Lübecker Nachrichten" vom 02.02.01)
Schwerin/Lübeck (dpa/lno) - Auf der Ostseeautobahn
A 20 sollen die Autofahrer ab Ende 2003 freie Fahrt
von Lübeck bis Rostock haben. Die
Landesregierungen von Schleswig-Holstein und
Mecklenburg-Vorpommern schlossen jetzt das
Planfeststellungsverfahren für den Lückenschluss
zwischen beiden Ländern ab, so dass die Bauarbeiten
für die Anbindung von der A 1 bei Lübeck nach
Schönberg in Nordwestmecklenburg beginnen können.
"Der beschlossene Trassenverlauf berücksichtigt die privaten
Belange von Grundstückseigentümern so weit wie möglich
und geht zugleich möglichst schonend mit der Natur um",
erklärte am Freitag der schleswig-holsteinische
Verkehrsminister Bernd Rohwer (SPD). Im Frühjahr werde
mit den Bauarbeiten begonnen. Die Gesamtkosten für den
Bau der rund 10,5 Kilometer langen Strecke auf
schleswig-holsteinischem Gebiet betragen etwa 166
Millionen Mark. Aufwendigstes Bauwerk wird die
Talraumbrücke zur Querung der Wakenitz sein. Wenn der
Teilabschnitt fertig sei, bringe dies auch eine Entlastung für
das Lübecker Stadtgebiet, betonte Rohwer. Er sprach von
einem Quantensprung für die gesamte A 20.
Erst durch die Anbindung an die Autobahn 1 werde der
ganze Verkehrswert der Ostseeautobahn von Lübeck nach
Stettin (Szczecin) mit den damit verbundenen
wirtschaftlichen Auswirkungen erreicht, betonte
Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Rolf Eggert
(SPD). Bislang können 92 Kilometer der A 20 durchgängig
von der Landesgrenze
Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern bei
Schönberg bis Rostock befahren werden. Ende vorigen
Jahres war ein rund 50 Kilometer langes Teilstück zwischen
Wismar und Rostock eröffnet worden.
Insgesamt soll die Küsten-Schnellstraße 323 Kilometer lang
werden. Sie soll ab 2005 durchgängig die Ostseeküste
zwischen den Hansestädten Lübeck in Schleswig-Holstein
und Stettin in Polen für den Fernverkehr erschließen. Die A
20 ist eines der 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit.
dpa/lno vom 02.02.01 13:51:00
5.5. Karte: Lübeck und die
Ostseeautobahn
6. Auswirkungen auf Umwelt und Natur -
landschaftsoekologische Bewertung
- 6.1. Die
Landesregierung
- 6.2. Gutachten
- 6.3. Die
Naturschutzverbände
- 6.4. Die Gegner der
A20
- 6.5. Die Auswirkungen auf den
Menschen
- 6.6. Der
Umweltminister
6.1. Die Landesregierung
Die Arbeitsgruppe der Landesregierung sieht, dass die von ihr
empfohlene suedliche Variante (4) ueber die
Maurineniederung, durch die Wakenitzniederung, zwischen Gross
Groenau und Klein Groenau, am Flughafen vorbei, ueber
Moisling die Trave querend an die A1 bei Hamberge im Hinblick auf
die zusaetzliche Beeintraechtigung der Menschen und auf
Natur und Landschaft einige besondere Konfliktbereiche aufweist. In
ihrer Presseerklaerung vom 29.1.1992 fuehrt die
Landesregierung aus:
"Wir sehen im Augenblick die Vorzuege einer suedlichen
Trassenfuehrung, die allerdings erhebliche oekologische
Probleme aufwirft."
In der Projektbeurteilung des BVMP '92 (Entwurf) wird unter der
Umweltrisikoeinschaetzung festgestellt, dass es sich in
grossraeumiger Betrachtung um erkennbare erhebliche
Problemhaeufungen mit besonderem Gewicht handele und in der
zusammenfassenden Ergebnisdarstellung (Beiblatt zu Anlage 2) heisst
es:
"Die vielschichtige und ueberaus hohe Empfindlichkeit des
Untersuchungskorridors suedlich Luebeck laesst eine
Abgrenzung eines relativ konfliktarmen Korridors nicht zu. Als
besonders kritisch ist die Aneinanderreihung von
wertvollen Niederungsgebieten und Flusslandschaften (zum Teil
geschuetzt) einzustufen. Im Luebecker Umland
bewirkt die Trasse die Zerschneidung dieser saemtlich auf den
Ballungsraum gerichteten Landschaftsstrukturen und
ihrer Ausgleichsfunktionen. Hinzu kommt das Risiko zusaetzlicher
unerwuenschter Sekundaereffekte.
Gleichzeitig sind die bestehenden Umweltkonflikte infolge des
Ost-West-Verkehrs fuer bestimmte Siedlungsbereiche
hoch und muessen entschaerft werden."
Ein tiefgreifender Eingriff in die Landschaft und den
Naturhaushalt durch die praeferierte Trassenfuehrung der A20, der zum
groessten Teil nicht ausgleichbar ist, kann daher grundsaetzlich
als unstrittig unterstellt werden.
6.2. Gutachten
Mit dem Umfang und den Folgen dieses Eingriffes befassen sich
u.a. die oben genannten Gutachten/Stellungnahmen des
BUND und der Luebecker Aemter fuer Umwelt, Gruenflaechen und
Stadtforsten sowie die Stellungnahmen des
Landesnaturschutzverbandes, die sich kritisch mit der
Umweltvertraeglichkeitsuntersuchung von S + M auseinandersetzen. Auf
diese Papiere ist im Rahmen der Eroerterung immer wieder Bezug
genommen worden, was hiermit auch geschieht. Im einzelnen
wird vorgetragen:
Zur Wakenitzniederung
- Die Wakenitzniederung bestehe aus vielfaeltigen
Einzelnaturraeumen, die insgesamt wie ein Mosaik eines der wertvollsten
Landschaftsgebiete Deutschlands bilden wuerden.
- Die Landesregierung erkenne diesen hohen Wert, wenn sie es
fuer notwendig halte, das Wakenitzgebiet im Rahmen des
Naturverbundsystems "Lauenburgische Seen" unter Naturschutz zu
stellen. Dann koenne doch nicht gleichzeitig eine Autobahn
durch dieses Gebiet gelegt werden.
- Wegen des Ausnahmecharakters dieses Gebietes sei ein Ausgleich
insbesondere der oestlichen Flaechen nicht moeglich.
- Die Wakenitz sei ein wichtiges Naherholungsgebiet fuer Luebeck
und bilde eine gruene Lunge, die Luebeck bei trockenem,
staubigem Wetter mit Frischluft versorge. Deswegen sei weder eine
dieses Potential zerstoerende Autobahn noch eine
Schnellstrasse verantwortbar.
- Auch ein Tunnel wuerde den Eingriff nicht mindern, sondern
zusaetzliche Belastungen schaffen. So sei zu befuerchten, dass
- der Grundwasserleiter, der Luebeck mit Trinkwasser versorge
und ohnehin schon durch Sickerwaesser aus der Deponie
Schoenberg gefaehrdet sei, zerschnitten werde,
- Schadstoffkonzentrationen hohen Ausmasses am Ein- und Ausgang
des Tunnels entstuenden,
- durch Bauarbeiten grosse Belastungen des Umfeldes eintreten
wuerden,
- die Unterbringung des anfallenden Erdaushubes zu weiteren
Landschaftseingriffen fuehre,
- notwendige Grundwasserabsenkungen waehrend der Arbeiten mit
dem Schildvortrieb die angrenzenden Feuchtgebiete
zerstoeren wuerden.
Wulfsdorter Heide (siehe auch Anhang):
- Die Wulfsdorfer Heide sei weitgehend als Uebungsgelaende des
BGS Sperrgebiet gewesen. Dadurch habe sich ein einmaliger
von Menschen ungestoerter Naturraum fuer Pflanzen und Tiere
entwickelt.
- Dort gebe es Trockenrasengebiete der Qualitaetsstufe 1,
Erlenbruchwald, Niedermoore, Heide- und Feuchtbiotope, die sich
auch wegen des geringen Duengereintrages (Flugplatz als Pufferzone)
so einmalig haetten entwickeln koennen.
- Es gebe dort neun Kaeferarten, die nur noch dort in
Schleswig-Holstein zu finden seien, fuer die anderen noch nicht kartierten
Arten werde vermutlich aehnliches gelten.
- 1991 sei ein Antrag auf Unterschutzstellung gestellt worden -
vom Umweltminister habe es allerdings nur eine allgemeine
good-will-Antwort gegeben.
- Der Autobahnbau wuerde dieses Artendorado weitergehend
zerstoeren, die Fuehrung in Tieflage die Niedermoore
vernichten.
- Die Absicht der Landesregierung, bei der Ausweisung von
Ausgleichs- bzw. Ersatzflaechen die naturschutzwuerdige
Wulfsdorfer Heide zu einem grossflaechigen Naturerlebnisraum zu
entwickeln und ein neues Naherholungsgebiet fuer Luebeck
zu schaffen, wuerde gerade das Gegenteil einer schuetzenden
Massnahme bewirken. Es handele sich bereits jetzt um den
hoechsten, nicht mehr verbesserungsfaehigen Stand im Sinne des
Naturschutzes und die Ausweisung als Naherholungsgebiet
wuerde einen weiteren zerstoerenden Eingriff darstellen.
Naturerlebnisraeume zwischen Wakenitz und Trave im Sueden
Luebecks (siehe auch Anhang)
In der Eroerterung werden genannt
- das Krummesser und Klempauer Moor,
- die Niemarker Landgrabenniederung,
- das Stecknitztal (Elbe-Luebeck-Kanal) zwischen Kronsforde und
Krummesse,
- der Kannenbruch und der Bliestorfer Wald,
- der Trenthorster Wald,
- das Grinau- und Quadebektal bei Gut Rothenhausen,
- der Moorgartener Wald,
- das Uebertravetal zwischen Reecke und Klein
Wesenberg,
- das Uebertravetal zwischen Luebeck-Moisling und
Hamberge.
- Die eiszeitlich gebildeten Talmulden der genannten Graeben und
Moore wuerden wichtige Frischluftschneisen fuer den
Luebecker Raum darstellen.
- Eine Autobahn wuerde das wichtige Vernetzungselement
durchbrechen und zu einer Vereinzelung der dies- und jenseits der
Trasse liegenden Gebiete fuehren. Damit wuerden wertvolle
Naturlebensraeume fuer seltene Pflanzen und Tiere zerstoert oder
wesentlich beeintraechtigt werden.
- Diese Gebiete seien weitgehend auch Naherholungsraeume, deren
Funktion an Bedeutung zunehme, je mehr sich die Stadt
Luebeck nach Sueden ausdehne. Wenn diese Funktion verlorenginge -
was durch eine Autobahn mit Sicherheit der Fall sei
("Sind Sie schon mal an einer Autobahn spazieren gegangen?") - sei
der Buerger auf weiter entfernt liegende Erholungsraeume
und damit auf sein Auto angewiesen. So werde Mobilitaet erzwungen
und Verkehr provoziert.
6.3. Die
Naturschutzverbände
Insbesondere von den Naturschutzverbaenden wird geltend gemacht,
dass die sogenannte
"Umweltvertraeglichkeitsuntersuchung" gegen die Vorschriften des
UVPG verstosse. Angesichts der Beteuerung des BMV,
"Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur muessen einer strengen
Umweltvertraeglichkeitspruefung standhalten", sei es
natuerlich in hoechstem Masse widerspruechlich, wenn der Gutachter,
Herr Smeets, immer wieder Wert darauf lege, dass
dieses Gutachten keine Umweltvertraeglichkeitsstudie (UVS) sei, und
es in dem Gutachten selbst heisse:
"Die Groesse des Untersuchungsgebietes und der relativ knapp
bemessene Zeitraum von ca. acht Monaten erfor
dern eine besondere Untersuchungsmethodik, die von den
Leistungsbildern einer Umweltvertraeglichkeitssstudie nach
den HNL-STB 87 sowie derm MUVS abweicht."
Die Naturschutzverbaende halten es fuer nicht akzeptabel, dass
unnoetige Sachzwaenge, wie der viel zu kurze
Bearbeitszeitraum, eine Rechtfertigung dieser ungewoehnlichen und
zweifelhaften Vorgehensweise darstellen sollen.
Die von den Gutachtern vorgetragene Begruendung, sie koennten
sich an die MUVS auch deswegen nicht halten, weil das
Merkblatt so grosse Strassen nicht im Auge gehabt habe, sei nicht
nachvollziehbar. Zwei Beispiele koennten die unzulaengliche
Arbeitsweise belegen:
a.) Klima und Luft seien
zusammengefasst und nicht getrennt untersucht worden mit der Folge, dass die
Auswirkungen der durch den Strassenverkehr
verursachten Emissionen ausgeblendet worden seien.
b.) Es seien nur die Laubwaelder
untersucht worden, alle andern Waldgesellschaften dagegen unberuecksichtigt
geblieben.
Vor diesem Hintergrund wuerden die von der Bundesregierung und
der Landesregierung postulierten hohen Anspruechen an
den Umweltschutz im Strassenbau Luegen gestraft werden.
Fuer die Bundesregierung stehe der Umweltschutz und die
Erhaltung des Naturhaushaltes nur zur Disposition, um aus anderen
Gruenden erwuenschte Entscheidungen abzusichern. Wie sonst sei
erklaerbar, dass der Ausbau der Grundlagen B206 Bad
Bramstedt - Luebeck, also einer schon bestehenden Strasse im BVMP
'92 (Entwurf) "wegen erkennbarer erheblicher
Umweltprobleme" zurueckgestuft, waehrend die A20 trotz der
gravierenden Umweltzerstoerung als "vordringlicher Bedarf"
bewertet werde.
Auch die Arbeitsgruppe der Landesregierung habe das Gutachten
nicht mehr als UVU einordnen moegen, sondern sprechen
von einer "landschaftsoekologischen" oder
"landschaftspflegerischen" Untersuchung.
Bei deren Bewertung habe die Arbeitsgruppe nicht die ueblichen
einigermassen objektivierten Massstaebe angelegt, sondern
kraeftig manipuliert, um das bereits vorher feststehende Ergebnis
einer Suedtrasse (fuer das sich Vertreter der Landesregierung
und Abgeordnete schon vorher stark gemacht haetten) zu
begruenden.
Einige Beispiele koennten das belegen:
- Aus der UVU gehe hervor, dass die Ergebnisse der raumbezogenen
Empfindlichkeitsuntersuchung keine konfliktarmen
Korridore in Ost-West-Richtung aufweisen. Nach dem Merkblatt zur
Umweltvertraeglichkeitsstudie in der Strassenplanung
(MUVS) sei in diesem Fall zu entscheiden zwischen Aufgabe des
Vorhabens, Ausbauvariante und Weiterfuehrung mit
erheblichen Konflikten. Die Verwaltung habe sich in einem der
Oeffentlichkeit nicht bekannten Abwaegungsprozess gegen die
Oekologie zur Weiterfuehrung der Planung entschieden, ohne die
Ausbauvariante zu pruefen.
- Die Verkehrsuntersuchung und die UVU wuerden zu
unterschiedlichen Trassenempfehlungen fuer eine A20 im Raum
Luebeck kommen. Das Verkehrsgutachten empfehle eine Suedtrasse,
waehrend das oekologische Gutachten eine ,eindeutige
Praeferenz fuer die Variante 2 im Norden" sehe. Damit sei eine
zweite Entscheidung: Verkehr contra Oekologie zu treffen. Die
Arbeitsgruppe versuche durch verschiedene Manipulationen diesen
Konflikt zu tarnen, um so dem Verkehr wieder den Vorzug
geben zu koennen. Dadurch komme es zu einem doppelten
Abwaegungsfehler gegen die Oekologie. Schon im
Inhaltsverzeichnis werde die Manipulation sichtbar, in dem die
Umweltvertraeglichkeitsuntersuchung zur
,Landschaftsoekologischen Untersuchung" abgewertet werde. Durch
diese bewusst falsch gewaehlte Bezeichnung werde
unterschlagen, dass gerade die Auswirkungen auf den Menschen einen
herausragenden Stellenwert in der Untersuchung
einnehme. So werde ein Gegensatz zwischen der sogenannten
Landschaftsoekologie und der Stadtoekologie
(Humanoekologie) konstruiert, der fachlich falsch sei.
- Um ein scheinbares Uebergewicht an Fakten fuer eine bestimmte
Trasse zu erhalten, werde zu den untersuchten Bereichen
Verkehr und Umwelt voellig willkuerlich eine Liste von
Bewertungskriterien erstellt, fuer die keine Ausgangsdaten
veroeffentlicht worden seien. Damit sei eine Ueberpruefung der
Grundlagen unmoeglich, lediglich Plausibilitaetskontrollen seien
durch Aussenstehende leistbar.
Bewertung durch
die Arbeitsgruppe
a) Raumordnung und
Stadtentwicklung
pro Suedtrasse
b)
Strassenbau
pro Suedtrasse
c)
Verkehr
pro Suedtrasse
d)
Landschaftsoekologie
pro Nordtrasse
e) Verkehrssicherheit und
Stadtoekologie
pro Suedtrasse
Mit derselben
Berechtigung koennte die Liste auch lauten:
a) Verkehr (inkl. Strassenbau,
Verkehrssicherheit,
pro Suedtrasse
Raumordnung,
Stadtentwicklung
b)
Stadtoekologie
pro Nordtrasse
c) Fauna pro
Nordtrasse
pro Nordtrasse
d) Flora pro
Nordtrasse
pro Nordtrasse
e) Hydrologie und pro
Nordtrasse
pro Nordtrasse
Geomorphologie
Im Ergebnis wuerde sich eine voellig andere Gewichtung ergeben.
Die Methode sei geeignet, jedes vorgegebene Ergebnis zu
begruenden.
- Bei der Bewertung des Kriteriums "Beeintraechtigung durch
Laerm- und Abgasemissionen" fuehre die Arbeitsgruppe aus:
"Die Interpretation der tendenziellen Ergebnisse der
Schadstoffbetrachtungen fuehrt letztendlich zur Praeferenz einer Suedtrasse
der A20, weil allgemein formuliert davon auszugehen ist, dass sich
ueber die groessere Verteilung des Verkehrs auch der
Schadstoffausstoss besser verteilt" (S.83). Dieser geschraubte Satz
versuche darueber hinweg zu formulieren, dass das
Gutachten von S + D in Abb. 27 "Schadstoffmengen uebersetzt in
kg/d" zu dem Ergebnis komme, dass bei den Schadstoffen
Russ, Schwefeldioxyd und Stickoxyd der Ausstoss im Jahre 2010 bei
einer Suedtrasse hoeher sei als bei einer Nordtrasse (und
der Nullvariante). Was die bessere Verteilung angehe: Im
Umweltschutz sei die Verteilung von Schadstoffen und die
Verduennung von Schadstoffkonzentrationen generell
verboten.
- Obwohl sich das Stadtforstamt Luebeck gegen die Suedtrasse
gewehrt und deren negative Folgen auf die staedtischen
Forsten beschrieben habe, gelange die Arbeitsgruppe zu dem
Ergebnis, die forstwirtschaftlichen Gesichtspunkte wuerden fuer
die Suedtrasse sprechen.
- Unter "Kriterien der Raumordnung und Stadtentwicklungsplanung"
erhalte die Suedtrasse einen Pluspunkt wegen der
Buendelung der regionalen und ueberregionalen Verkehrsbeziehungen
(Gesamtverkehrsplan) und einen weiteren Pluspunkt
wegen der gleichmaessigen Verkehrsverteilung
(Querschnittsbelastung) unter dem Kriterium "Verkehr", obwohl dies
offensichtlich ein Widerspruch sei.
- Unbegreiflich sei, wie "Verkehrssicherheit" und
"Stadtoekologie" in einer Kriteriengruppe zusammengefasst werden koennten.
Das sei willkuerlich. Unter Stadtoekologie wuerden dann die
Unterkriterien "Wohnen" und "Erholen" auftauchen - diese
Zuordnung sei zwar richtig, die Differenzierung aber fuehre zu
einer Bevorteilung der Suedtrasse.
- Waehrend Ministerpraesident Engholm bei der Vorstellung seiner
Bilanz "3 Jahre SPD-Regierung in Schleswig-Holstein"
verkuendet habe, die Umwelt habe beim Verkehr hoechste Prioritaet,
ginge die Arbeitsgruppe formell von der Gleichwertigkeit
von Umwelt und Verkehr aus (Seite 1), tatsaechlich aber zeige die
Art und Weise der Bewertung, dass der Verkehr
eindeutigen Vorrang habe.
- Die Buerger und Verbaende wuerden die Manipulation der Zahlen
durchschauen. In den ersten Gespraechen seien ihnen von
der Landesregierung die gleichwertige Untersuchung von Schiene und
Strasse versprochen worden. Herausgekommen sei nur
die fehlerhafte Untersuchung von M + O, das unzulaengliche
Gutachten von S + D und die durchschaubaren Bemuehungen der
Arbeitsgruppe, aus beiden Papieren das gewuenschte Ergebnis
"herbeizubewerten".
6.4. Die Gegner der A20
Die Gegner der A20 begruenden ihre Ablehnung der Ostseeautobahn
nicht nur damit, dass wertvolle Naturgebiete
zerstoert wuerden und der verkehrspolitische Nutzen zweifelhaft
sei, sondern auch mit uebergeordneten, globalen
oekologischen Aspekten.
- Der Club of Rome habe kuerzlich festgestellt, in den letzten
20 Jahren habe sich die Umwelt nicht verbessert, eher
verschlechtert.
- Die Buerger seien bereit, etwas fuer die Umwelt durch
veraendertes Verkehrsverhalten zu tun. Die Politiker muessten diese
sowohl offen als auch latent vorhandene Bereitschaft offensiv
aufgreifen, entsprechende Konzepte entwickeln und eindeutige
Massnahmen durchsetzen.
- Die Ostseeautobahn sei Bestandteil einer ueberkommenen
Verkehrspolitik. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass
Engpaesse im Strassensystem verursacht durch erhoehtes
Verkehrsaufkommen, dadurch beseitigt werden sollten, indem neue
Strassen gebaut wuerden. Die oekologischen Auswirkungen dieser
Verkehrspolitik seien erschreckend, die herkoemmliche
Verkehrspolitik sei daher aus Umweltgruenden nicht mehr
verantwortbar. Die Ostseeautobahn stuende symbolhaft fuer eine
derartige Verkehrspolitik. Ihr Bau wuerde nicht nur den ohnehin
schon uebermaessigen Kfz-Verkehr bewahren, er wuerde
auch zu einer weiteren Steigerung beitragen. Die Verwirklichung der
A20 wuerde deutlich machen, dass eine Wende hin zu
einer oekologisch verantwortbaren Verkehrspolitik nicht
stattfinde.
- Umweltauswirkungen der Verkehrspolitik, fuer die auch die A20
Mitverursacher und mitverantwortlich sein werde:
_ Belastung der unmittelbar und mittelbar Betroffenen durch
Laerm und Abgase,
_ Flaechenverbrauch (5 % der Bundesflaeche fuer
Strassen),
_ Landschaftszerschneidung und Verinselung,
_ Bodenvergiftung in einem Streifen beidseitig 200 m zur
Strasse,
_ mehr als 11.000 Verkehrstote im Jahr.
- Weitaus uebergreifender seien die Abgase: Ein Auto verbrauche
soviel Sauerstoff wie neun Menschen; hinzu wuerden
Kohlenmonoxide, Kohlenwasserstoffe, Stickoxide, Schwefeldioxid,
schwermetallhaltige Staeube kommen.
Folgen:
- z.B. Waldsterben - jeder zweite Baum sei krank.
- z.B. Gewaesserbelastung - 25 % des Stickstoffeintrags in die
Meere wuerden aus dem Verkehr kornmen.
- Z.B. Smog/Ozonbelastung
- Hinzu kaemen Umweltprobleme im Zuge der Herstellung von
Kraftfahrzeugen.
- Im Bereich der C02-Emissionen habe der Autoverkehr weltweit
gravierende Auswirkungen: Ozonloch und
Klimaverschiebung seien Tatsachen, ein wesentlicher Verursacher sei
der Autoverkehr in den lndustrienationen. Die Folgen
aber wuerden alle, vornehmlich die Menschen in der sogenannten
Dritten Welt, zu spueren bekommen.
- Solange die westlichen Industrienationen nicht bereit seien,
die globalen Umweltverschmutzungen durch den Autoverkehr zu
reduzieren, solange haetten sie auch kein Recht, von den Menschen
in Suedamerika und Afrika zu verlangen, sie sollten auf das
Abholzen der Tropenwaelder verzichten.
- Klimafachleute seien sich einig: Die Rettung der
Erdatmosphaere sei nur realistisch, wenn in den naechsten 30 Jahren der
Autoverkehr halbiert wuerde. Bundes- und Landesregierung haetten
sich als Ziel eine 25 %ige Reduktion von CO2 gesetzt.
Ohne eine drastische Reduzierung des Autoverkehrs liessen sich
diese Ziele nicht erreichen. Wenn der Kfz-Verkehrstrend so
weiter gehe, wuerden wir im Jahre 2005 25% mehr CO2-Emissionen
haben, auch wenn die Autos weniger Benzin verbrauchen
wuerden. Die Enquete-Kommission des Landtages von
Schleswig-Holstein fordere deshalb eine konsequente Wende in der
Verkehrspolitik mit dem Ziel einer drastischen Reduzierung des
Kfz-Verkehrs. Die Entscheidung der Landesregierung fuer den
Bau der A20 stehe diesen Forderungen diametral
gegenueber.
- Die A20 sei nicht die letzte Massnahme und das Ende einer
veralteten Verkehrspolitik, sie sei der Anfang eines
verkehrspolitischen Amoklaufes. Mehrere Strassenbau-Grossprojekte
sollten der A20 folgen: der Ausbau der B206 als
Ost-West-Achse, eine neue Elbquerung, der Ausbau der B404 nach Kiel
und nun sogar eine ganze neue Autobahn durch den
Kreis Segeberg als Umfahrung Hamburgs.
- Die A20 sei somit Bestandteil einer Verkehrspolitik, die sich
selbst immer neue Sachzwaenge auferlege und dadurch nicht aus
dem Teufelskreis herauskomme.
6.5. Die Auswirkungen auf den
Menschen
Aus medizinischer Sicht werden die vielschichtigen und bisher
nur zum geringsten Teil durchschaubaren
Schaedigungsmoeglichkeiten der menschlichen Gesundheit durch den
bereits vorhandenen und kuenftig noch gesteigerten
Kfz-Verkehr herausgestellt.
- Ein Beispiel seien allergische Erkrankungen wie Asthma,
Heuschnupfen und Neurodermitis infolge direkter Schaedigung der
Atemwege des Menschen durch Reizgase (z.B. Ozon, Stickoxyde) sowie
durch Schaedigungen von Pflanzen durch
Luftschadstoffe mit nachfolgender Verstaeubung von strukturell
veraenderten Pollen, die eine hoehere allergene Potenz haetten
als Pollen gesunder Pflanzen.
- Unter fuenf- bis sechsjaehrigen Kindern seien 20% Allergiker
mit zunehmender Tendenz, so dass zu befuerchen sei, dass,
wenn nichts geschehe, allergische Erkrankungen zum "Normalzustand"
der Bevoelkerung werden. Daher sei erforderlich, in
Zukunft fuer alle schadstoffemittierende Technologien im Rahmen
einer UVP eine Gesundheitsvertraeglichkeitspruefung aehnlich
wie bei der Pruefung eines neuen Medikaments
vorzunehmen.
- In diesem Zusammenhang wird hingewiesen auf die "Europaeische
Charta Umwelt und Gesundheit", die von der 1.
Europaeischen Konfenz "Umwelt und Gesundheit" in Frankfurt,
Dezember 1989, verabschiedet worden ist und u.a. festlegt:
,Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Umwelt, die ein
hoechstmoegliches Mass an Gesundheit und Wohlbefinden
ermoeglicht." und gefragt, wer die Landesregierung eigentlich in
gesundheitlichen Fragen berate und ueber die vielfaeltigen
durch einen Autobahnbau verursachten gesundheitlichen Schaeden
unterrichte. Wie ernst nehme die Landesregierung die oben
zitierte Charta und welchen Stellenwert habe die Gesundheit bei
ihren Entscheidungen?
6.6. Der Umweltminister
Umweltminister Professor Dr. Heydemann plaediert dafuer, in der
anstehenden Diskussion die Gruende und Gedanken
des Andersdenkenden aufzunehmen, ihren Wert zu begreifen, sich mit
ihnen auseinanderzusetzen und Verstaendnis zu
entwickeln. Es gebe keine absolut richtige Entscheidung, sondern
immer nur ein Ueberwiegen von Gruenden gegenueber den
vorhandenen Gegengruenden nach einem subjektiven Bewertungsprozess.
Dadurch wuerden die Gegengruende nicht falsch,
der Versuch, alle Einwaende zu widerlegen, fuehre nur zu einer
Blockade des Dialogs. In diesem Sinne habe er sich seine
Entscheidung sehr schwer gemacht, viele der gegen den Bau der
Autobahn sprechenden Gruende teile er. Dafuer, dass er doch
fuer den Bau der Ostseeautobahn in der Variante einer Suedfuehrung
votiere, seien u.a. folgende Ueberlegungen
ausschlaggebend:
- mehr Schiene koenne die Strasse nur teilweise ersetzen, da sie
eine andere Funktion habe.
- nicht der Autobesitz schaffe das Problem, sondern der Gebrauch
des Autos und die Zeit, in der das geschehe
(Geschwindigkeit und Zeitpunkt); daher werde nur mit
Verhaltensveraenderungen etwas erreicht,
- die Qualitaet des Verkehrs muesse sich veraendern - dies setze
voraus, dass jeder sein eigenes Erholungsbeduerfnis neu
definiere und neu konzipiere,
- diese Gesellschaft brauche Wirtschaft und mit der Wirtschaft
auch die Verkehre - die Entblockierung von Ost und West
praktisch ueber Nacht ohne jegliche Vorbereitung zwinge zum
Rueckgriff auf konventionelle Instrumente d.h. Autobahnen, weil
die Zeit fehle, auf Verhaltsveraenderungen aufbauende, qualitativ
andere, umweltvertraeglichere Loesungen zu entwickeln,
- daher muesse die Umweltpolitik sich bemuehen, die
konventionellen Loesungen mit Auflagen zu verbessern, die die
schaedigende Wirkung, aber auch die Notwendigkeit der Massnahme
selbst wenigstens zum Teil wieder aufhebe,
- da eine umweltpolitische Verkehrsvorsorge nicht stattgefunden
habe, sei jetzt bei der Wahl zwischen einer zentralen und
mehreren dezentralen Loesungen erstere vorzuziehen,
- die Nordtrasse biete keine Moeglichkeit fuer ein oekologisches
Konzept,
- das Konzept einer Verminderung oekologischer Schaeden lasse
sich im Sueden eher realisieren: mit einer insgesamt etwa 4,5
km langen Tunnelstrecke koennten die oekologischen Werte der
Niederungen an den Gewaessern geschuetzt werden,
- nicht die Strasse, sondern der Verkehr selbst und die
Geschwindigkeit wuerden die eigentliche Zerschneidung bewirken und
die anliegend lebenden Organismen toeten, die Nutzung, nicht die
Strasse sei die eigentliche Ursache fuer die Umweltbelastung,
- Laermschutzwaelle wuerden die Eingriffe und Trennwirkungen nur
verschaerfen, daher seien zum Schutz der Umwelt
Untertunnelungen und Abdeckungen, die eine Regeneration der
betroffenen Flaechen z.B. durch die Anlage von Trockenrasen
ermoeglichen wuerden, zu realisieren,
- die Ausgleichsmassnahmen fuer Autobahnbauten - bislang etwa 1
v.H. der Investitionssumme - muessten auf 10 v.H. steigen
und damit in etwa dem entsprechen, was heute bei lndustrieanlagen,
Geraeten, Ver- und Entsorgungsanlagen als Mindestmass
ueblich sei, der Staat muesse endlich bereit sein, bei seinen
Infrastrukturmassnahmen einen beim sonstigen Umweltschutz
ueblichen Massstab anzulegen,
- der Verzicht auf andere Strassenbaumassnahmen seien
Einsparungen, die die Landesregierung als Kostendeckungsvorschlag
fuer ihre kostenerhoehenden Umweltauflagen anbieten
wuerde,
- in Bonn koenne unter Nutzung des
Investitionsmassnahmengesetzes und des
Bundesverkehrswegebeschleunigungsgesetzes
auch ohne Schleswig-Holstein entschieden werden.
Professor Heydemann erklaert, er wolle versuchen, neue Kriterien
fuer den Strassenbau zu entwickeln, die gleichzeitig fuer
andere Grossbauvorhaben bezueglich der oekologischen
Ausgleichsmassnahmen praejudizierend wirken.
7. Quellen und Links
1.Quelle:
Ergebnisse der Erörterung des Berichts der Arbeitsgruppe der
Landesregierung von Schleswig-Holstein
zur Verkehrsfuehrung der A 20 im Raum Luebeckmit Gemeinden,
Buergerinitiativen, Verbaenden und Einzelpersonen
zwischen dem 1. Februar 1992 und dem 13. Mai 1992 im Auftrag des
Ministers fuer Wirtschaft, Technik und Verkehr
des Landes Schleswig Holstein
Hamburg, den 9. Juni 1992
( http://www.ipa.it/penelope/cases/german/kuhbier.html)
2. Quelle
http://www.schleswig-holstein.de/landsh/mwtv/verkehr/mwtv_a20_01.html
3. Quelle
http://www.ln-online.de/Meldungen/Show.asp?ID=69262
weitere Zeitungsberichte der Lübecker Nachrichten zu
diesem Thema unter:
http://www.ln-online.de/Meldungen/default.asp?Search=Ostseeautobahn&RequestedService=&AlleRessorts=1
4. Quelle
http://www.leguan.com/projekte_sets/ostsee.html
weitere Seiten zum Thema "Ostseeautobahn"
unter:
http://de.google.yahoo.com/bin/query_de?p=Ostseeautobahn&hc=0&hs=0
Autor: Christoph L. Kuttig (1999)
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